Unternehmen

Chipfabrik spaltet Bundesregierung

Es soll die größte ausländische Investition in Deutschland nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges werden: Der US-Halbleitergigant Intel plant vor den Toren der Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt den Bau einer ultramodernen Halbleiter-Fabrik. Doch jetzt ist die Ansiedlung nach neuen milliardenschweren Subventionsforderungen des Konzerns gefährdet.
Autor
15.06.2023 11:33
Aktualisiert: 15.06.2023 11:33
Lesezeit: 3 min

Ursprünglich sollte Intel für sein geplantes Werk, das das Unternehmen für 17 Milliarden Euro vor den Toren Magdeburgs bauen wollte, Subventionen in Höhe von 6,8 Milliarden Euro versprochen. Doch nun hat der US-Konzern seine Forderungen weiter nach oben geschraubt und verlangt nun, aufgrund höherer Bau- und Energiekosten Subventionen in Höhe von zehn Milliarden Euro.

Strategische Investition

Unterstützt wird der Konzern dabei nicht nur von der Landesregierung von Sachsen-Anhalt unter Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU), sondern auch vom Ministerium von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Die Investition, so das Habeck-Ministerium, sei für Deutschland und für Europa von strategischer Bedeutung. Der Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Michael Kellner, betonte in einem Gespräch mit der Financial Times, dass es im europäischen Interesse liege, seine Unabhängigkeit auf dem Gebiet der Halbleiter-Produktion zu erlangen. Nachdem der Ukrainekrieg die Energieabhängigkeit Deutschlands von Russland offengelegt habe, dürfe sich Ähnliches bei Halbleitern nicht wiederholen. So würde ein Angriff Chinas auf Taiwan, wo ein erheblicher Teil der höchstentwickelten Halbleiter produziert werden, zur Folge haben, dass in Europa weite Teile der industriellen Produktion lahmgelegt würden.

Tatsächlich wird dabei oft auf die USA verwiesen, die unter Präsident Joe Biden mit erheblichen Mitteln die Produktion amerikanischer Halbleiter subventionieren. Die Stiftung Neue Verantwortung, ein Think Tank, der sich auf das Gebiet der Digitalisierung spezialisiert hat, sieht deshalb keine Alternative für Europa oder Deutschland. „Ob man will oder nicht – ohne Subventionen können wir nicht konkurrieren“, so ihr Experte für die Chipindustrie, Jan-Peter Kleinhans.

Doch inzwischen hat Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) klargemacht, dass er wenig Neigung habe, sich auf einen milliardenschweren Subventionswettlauf einzulassen. In einem Interview hat er unmissverständlich klargemacht, dass er den weitergehenden Subventionsforderungen von Intel äußerst kritisch gegenübersteht. Er sei dabei, den Bundeshaushalt zu konsolidieren, nicht diesen auszuweiten. Der Minister bündig: „Im Haushalt ist kein Geld mehr übrig.“

Lindners Skepsis

Mit seiner kritischen Haltung steht der Bundesfinanzminister nicht allein. Lindners Skepsis wird unter Ökonomen durchaus geteilt. So hatte ausgerechnet der Chef des in Halle in Sachsen-Anhalt ansässigen Leibnitz-Instituts für Wirtschaftsforschung, Reint Gropp, den Sinn des reichen Subventionsregens bezweifelt. Es sei zu bezweifeln, ob sich diese Subventionen für das Land auszahlten, denn die Strukturen in Magdeburg seien für eine solche Investition noch gar nicht entwickelt – die Stadt verfüge nicht über einen Flughafen, ja noch nicht einmal über einen ICE-Anschluss.

Aus anderen Gründen sieht auch der Chef des angesehenen IFO-Instituts Clemens Fuest den Subventions-Wettlauf kritisch. Fuest verweist auf die Milliardenzahlungen in Dresden und im Saarland. In Dresden wird ein Werk des Chipherstellers Infineon mit mindestens einer Milliarde an öffentlichen Mitteln unterstützt. Der Bau der geplanten Fabrik des US-Herstellers Wolfspeed im saarländischen Ensdorf soll insgesamt 2,75 Milliarden Euro kosten und der Chef des Unternehmens aus North Carolina, Gregg Lowe, hat deutlich gemacht, dass er mindestens 20 Prozent der Investitionssumme an öffentlichen Mitteln erwarte. In Ensdorf baut der US-Chiproduzent Wolfspeed in Kooperation mit dem Autozulieferer ZF ein Werk zur Produktion von Chips aus Siliziumkarbid. Diese seien besonders in der Autoindustrie gefragt.

Ordnungspolitische Bedenken

All diese Summen, so Fuest, würden aber die Abhängigkeit Europas aber nicht signifikant verringern. Derzeit betrage Europas Abhängigkeit von Halbleitern aus den USA und aus Asien 90 Prozent. Das Ziel der EU sei es, bis 2030 diese Abhängigkeit um lediglich zehn Prozent zu verringern. Und auch wenn dann dieses Ziel erreicht würde, so der Ökonom Fuest, sei für Europa nicht viel gewonnen, da auch eine in Europa beheimatete Chipindustrie von Rohstoffen abhängig sei, die erst eingeführt werden müssten. Zudem sei es ordnungspolitisch höchst fragwürdig, einen Arbeitsplatz mit Steuergeldern in Höhe von einer Million Euro zu subventionieren, wie es derzeit beispielsweise in Dresden geschehe. Klüger sei es, so der IFO-Chef, mit dem Geld die Forschung in Deutschland weiterzuentwickeln.

Zudem gibt es noch einen weiteren Aspekt, der Ökonomen Bauchschmerzen verursacht. Mit Milliardensummen sollen jetzt zu einem erheblichen Teil Unternehmen gefördert werden, die ihren Konzernsitz im Ausland haben. Doch die Erfahrung lehre, dass Unternehmen in der Regel dazu neigen, im Falle einer Krise ihre Kapazitäten zuerst im Ausland herunterzufahren - und nicht in ihrem jeweiligen Heimatmarkt.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt

 

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft KI statt Ruhestand: Google-Mitgründer Brin kehrt zurück – jetzt wird’s ernst
22.05.2025

Sergey Brin ist zurück – getrieben von der KI-Revolution. Google greift mit neuer Macht an, doch die Fehler der Vergangenheit sitzen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Milliardär Arnault warnt: EU treibt Industrie in den Abgrund
22.05.2025

Bernard Arnault, der reichste Mann Europas, schlägt Alarm: Die EU spiele mit dem Feuer, während Zölle explodieren und ganze Branchen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Brüssel bremst Billig-Boom: EU erklärt Temu und Shein den Zoll-Krieg
22.05.2025

Die EU greift zur Zollkeule: Mit einer neuen Pauschalabgabe sollen Temu und Shein ausgebremst werden – doch am Ende zahlen Europas...

DWN
Finanzen
Finanzen Immobilien: Banken vergeben deutlich mehr Kredite für Wohnimmobilien
22.05.2025

Die Immobilienpreise waren zeitweise spürbar gefallen, nun kommt der Markt wieder in Fahrt. Verbraucher und Investoren schließen deutlich...

DWN
Finanzen
Finanzen WHO verabschiedet Pandemie-Abkommen inmitten der Finanzkrise: Deutschland sagt weitere Millionen zu
22.05.2025

Der Weltgesundheitsorganisation fehlen in den kommenden zwei Jahren 1,7 Milliarden Dollar (rund 1,5 Mrd Euro), unter anderem, weil die USA...

DWN
Panorama
Panorama Einwanderungsland Deutschland: Jeder vierte Mensch hat einen Migrationshintergrund
22.05.2025

Rund 21,2 Millionen Menschen mit Einwanderungsgeschichte haben im vergangenen Jahr in Deutschland gelebt. Das sind vier Prozent mehr als im...

DWN
Politik
Politik AfD Ausschussvorsitz: Schwarz-Rot verhindert AfD-Politiker - Alle sechs AfD-Kandidatin scheitern
22.05.2025

In sechs Ausschüssen des Bundestags hat die Partei „Alternative für Deutschland“ ein Vorschlagsrecht. Wie die SPD haben CDU und CSU...

DWN
Finanzen
Finanzen Erfolgreich in Kunst investieren: Warum Gemälde, Märkte und NFTs neue Anlagechancen bieten
22.05.2025

Wenn Aktien schwanken und Märkte auf Sicht fahren, wird Kunst zur strategischen Alternative. Wie Gemälde, Sammlerstücke und digitale...