Das Management-Institut IMD (International Institute for Management Development) in Lausanne untersucht seit 35 Jahren die Länder nach deren Attraktivität für Firmen-Investitionen. Bei der diesjährigen Untersuchung ist das Ergebnis für Deutschland alarmierend: Im jüngsten Ranking ist es binnen nur eines Jahres um gleich sieben Plätze zurückgefallen – und zwar auf Rang 22.
Verschlechterung in allen Kategorien
Bei dem vielbeachteten Ranking im Rahmen des IMD World Competitiveness Ranking verwendet das Institut in Lausanne 164 Indikatoren, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit eines Landes zu ermitteln. Darüber hinaus befragt es weltweit 6400 Manager.
All diese Daten finden dann Eingang in vier Hauptbereiche, die die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes abbilden: nämlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, die Effizienz eines Staates, die Effizienz seiner Firmen sowie schließlich die Güte seiner Infrastruktur.
Der alarmierende Befund der IMD-Untersuchung: Deutschland hat sich in allen vier Kategorien binnen eines Jahres zum Teil sehr deutlich verschlechtert. So fiel Deutschland im Bereich „Economic Performance“, also der Bereich, in dem die allgemeine ökonomische Leistungsfähigkeit gemessen wird, von Rang fünf auf Rang zwölf zurück.
Noch schlechter ist Deutschland, wenn es um den Zustand der Verwaltung geht. Der Bereich „Government Efficiency“ listet auf, dass sich die größte Wirtschaft des Kontinents von Rang 21 auf Rang 27 verschlechtert habe; im Bereich „Business Efficiency“, also der Bereich, der die Effizienz der heimischen Unternehmen untersucht, fiel Deutschland um acht Plätze zurück – von Rang 21 auf Rang 29.
Doch auch psychologische Faktoren trüben das Bild ein. Die immer weiter um sich greifende Furcht vor einer Deindustrialisierung des Landes drückt sich auch in den Zahlen der Untersuchung aus. So nimmt Deutschland in dieser Disziplin den höchst unrühmlichen Rang 61 ein – und ist somit Drittletzter.
Ähnlich desaströs werden die deutschen Stromkosten für industrielle Kosten bewertet – Rang 54. Auch bei den sogenannten weichen Faktoren, wie Werte und Haltungen, kommt Deutschland nur auf einen Rang im hinteren Drittel, Platz 44. Das Land habe inzwischen auch international „ein Imageproblem“, erklärt der Chefökonom des Instituts, Christos Cabolis.
Vorteile für kleinere Länder
Angeführt wird das Ranking des Management-Instituts in diesem Jahr von Dänemark, gefolgt von Irland, Singapur und der Schweiz.
Dabei fällt der Wiederaufstieg Irlands ins Auge. Das Land hat, aber nachdem es in der internationalen Finanzkrise erheblich gelitten hatte, einen bemerkenswerten Umschwung geschafft. Insgesamt, so schreiben die Autoren der Umfrage, scheine es derzeit kleineren Ländern besser zu gelingen, durch die gegenwärtigen Turbulenzen zu kommen.
Erst auf Rang neun befinde sich, so die Untersuchung, das ökonomische Schwergewicht USA. Chefökonom Cabolis überrascht dieser Trend nicht: „Dies ist typisch für Zeiten, in denen man eine Störung der Weltwirtschaft beobachtet.“ Denn das Ranking zeige, dass zurzeit kleine Länder wendiger operierten und damit besser durch die stürmische See kämen.
Das International Institute for Management Development ist eine private Wirtschaftshochschule im Schweizerischen Lausanne, die 1990 aus der Fusion zweier bestehender Wirtschaftshochschulen hervorgegangen ist. Neben einem Trainingsprogramm für Betriebswirte unterhält das Institut auch das IMD World Competitiveness Center (WCC), das seit 1989 die weltweite Wettbewerbsfähigkeit von Volkswirtschaften untersucht. Diese Untersuchung gilt weltweit als einer der führenden Gradmesser für den Zustand einer Volkswirtschaft.
Der Befund des IMD kontrastiert scharf mit dem Auftritt des Bundeskanzlers Olaf Scholz beim „Tag der Industrie“ des BDI (Bundesverband der Deutschen Industrie). Auf dem jährlichen Forum des Industrieverbandes hatte Scholz den ökonomischen Zustand Deutschlands als zufriedenstellend bezeichnet, was bei den Vertretern der Industrie zu nicht unerheblichen Irritationen führte.