Deutschland

Internationales Standort-Ranking: Deutschland stürzt ab

Gerade einen Tag nach seinem Auftritt bei „Tag der Industrie“, auf dem Bundeskanzler Olaf Scholz der deutschen Wirtschaftselite zu erklären versuchte, dass es um die Wirtschaft in diesem Land nicht so schlecht bestellt sei, zeigt eine brandneue Untersuchung das genaue Gegenteil. Der alarmierende Befund: Deutschland stürzt ab.
Autor
21.06.2023 12:59
Aktualisiert: 21.06.2023 12:59
Lesezeit: 2 min

Das Management-Institut IMD (International Institute for Management Development) in Lausanne untersucht seit 35 Jahren die Länder nach deren Attraktivität für Firmen-Investitionen. Bei der diesjährigen Untersuchung ist das Ergebnis für Deutschland alarmierend: Im jüngsten Ranking ist es binnen nur eines Jahres um gleich sieben Plätze zurückgefallen – und zwar auf Rang 22.

Verschlechterung in allen Kategorien

Bei dem vielbeachteten Ranking im Rahmen des IMD World Competitiveness Ranking verwendet das Institut in Lausanne 164 Indikatoren, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit eines Landes zu ermitteln. Darüber hinaus befragt es weltweit 6400 Manager.

All diese Daten finden dann Eingang in vier Hauptbereiche, die die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes abbilden: nämlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, die Effizienz eines Staates, die Effizienz seiner Firmen sowie schließlich die Güte seiner Infrastruktur.

Der alarmierende Befund der IMD-Untersuchung: Deutschland hat sich in allen vier Kategorien binnen eines Jahres zum Teil sehr deutlich verschlechtert. So fiel Deutschland im Bereich „Economic Performance“, also der Bereich, in dem die allgemeine ökonomische Leistungsfähigkeit gemessen wird, von Rang fünf auf Rang zwölf zurück.

Noch schlechter ist Deutschland, wenn es um den Zustand der Verwaltung geht. Der Bereich „Government Efficiency“ listet auf, dass sich die größte Wirtschaft des Kontinents von Rang 21 auf Rang 27 verschlechtert habe; im Bereich „Business Efficiency“, also der Bereich, der die Effizienz der heimischen Unternehmen untersucht, fiel Deutschland um acht Plätze zurück – von Rang 21 auf Rang 29.

Doch auch psychologische Faktoren trüben das Bild ein. Die immer weiter um sich greifende Furcht vor einer Deindustrialisierung des Landes drückt sich auch in den Zahlen der Untersuchung aus. So nimmt Deutschland in dieser Disziplin den höchst unrühmlichen Rang 61 ein – und ist somit Drittletzter.

Ähnlich desaströs werden die deutschen Stromkosten für industrielle Kosten bewertet – Rang 54. Auch bei den sogenannten weichen Faktoren, wie Werte und Haltungen, kommt Deutschland nur auf einen Rang im hinteren Drittel, Platz 44. Das Land habe inzwischen auch international „ein Imageproblem“, erklärt der Chefökonom des Instituts, Christos Cabolis.

Vorteile für kleinere Länder

Angeführt wird das Ranking des Management-Instituts in diesem Jahr von Dänemark, gefolgt von Irland, Singapur und der Schweiz.

Dabei fällt der Wiederaufstieg Irlands ins Auge. Das Land hat, aber nachdem es in der internationalen Finanzkrise erheblich gelitten hatte, einen bemerkenswerten Umschwung geschafft. Insgesamt, so schreiben die Autoren der Umfrage, scheine es derzeit kleineren Ländern besser zu gelingen, durch die gegenwärtigen Turbulenzen zu kommen.

Erst auf Rang neun befinde sich, so die Untersuchung, das ökonomische Schwergewicht USA. Chefökonom Cabolis überrascht dieser Trend nicht: „Dies ist typisch für Zeiten, in denen man eine Störung der Weltwirtschaft beobachtet.“ Denn das Ranking zeige, dass zurzeit kleine Länder wendiger operierten und damit besser durch die stürmische See kämen.

Das International Institute for Management Development ist eine private Wirtschaftshochschule im Schweizerischen Lausanne, die 1990 aus der Fusion zweier bestehender Wirtschaftshochschulen hervorgegangen ist. Neben einem Trainingsprogramm für Betriebswirte unterhält das Institut auch das IMD World Competitiveness Center (WCC), das seit 1989 die weltweite Wettbewerbsfähigkeit von Volkswirtschaften untersucht. Diese Untersuchung gilt weltweit als einer der führenden Gradmesser für den Zustand einer Volkswirtschaft.

Der Befund des IMD kontrastiert scharf mit dem Auftritt des Bundeskanzlers Olaf Scholz beim „Tag der Industrie“ des BDI (Bundesverband der Deutschen Industrie). Auf dem jährlichen Forum des Industrieverbandes hatte Scholz den ökonomischen Zustand Deutschlands als zufriedenstellend bezeichnet, was bei den Vertretern der Industrie zu nicht unerheblichen Irritationen führte.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Der XRP-ETF-Markt steht vor einem bedeutenden Wandel: Bereitet er den Weg für ein herausragendes Jahr 2026?

Der Kryptowährungsmarkt steht erneut vor einem potenziellen Wendepunkt. Während Bitcoin und Ethereum im Fokus institutioneller Anleger...

DWN
Panorama
Panorama Mit Rakete des Amazon-Gründers: Weltraum-Kurztrip zweier Deutscher steht an
17.12.2025

Rund 80 Menschen hat Blue Origin schon zu Kurzausflügen ins All gebracht. Am Donnerstag unternehmen nun zwei Deutsche einen...

DWN
Politik
Politik Erst Drogen, jetzt Öl: Was Trump mit Venezuela plant – Fragen und Antworten
17.12.2025

Videos von US-Einsätzen in der Karibik, Vorwürfe gegen Maduro, und plötzlich rückt Öl ins Zentrum: Trump verschärft den Druck auf...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Batteriefirma CustomCells nach Insolvenz: Itzehoe bleibt – Restrukturierung abgeschlossen
17.12.2025

CustomCells hat monatelang unter Insolvenzbedingungen umgebaut – und meldet nun Vollzug. Was bedeutet das für Standorte, Jobs und die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutsche Schlüsselindustrie pessimistisch: Stimmung im Maschinenbau verschlechtert sich
17.12.2025

Vierte Negativprognose in Folge: Zunehmender Kostendruck, teure Rohstoffe und schwache Nachfrage. Mehr als die Hälfte der deutschen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft EZB-Zinsentscheid: Steht Europas Geldpolitik vor einem Kurswechsel?
17.12.2025

Die Geldpolitik in Europa gerät in Bewegung, während sich die Signale der Europäischen Zentralbank spürbar verändern. Deutet der...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft VW-Aktie im Fokus: Was die Werksschließung bei Volkswagen für die Autoindustrie bedeutet
16.12.2025

Ein symbolträchtiger Standort der deutschen Autoindustrie schließt seine Tore und rückt die VW-Aktie erneut in den Fokus von Anlegern...

DWN
Politik
Politik Teure Mieten, hohe Steuern, weniger Kinder: Auswanderungen aus Deutschland weiterhin auf hohem Niveau
16.12.2025

Nach wie vor wandern sehr viele Menschen aus Deutschland aus, gleichzeitig bekommen Deutsche immer weniger Kinder: Eine fatale Entwicklung...

DWN
Politik
Politik Umfrage: Spätere Rente für Akademiker spaltet die Deutschen
16.12.2025

Sollte das Renteneintrittsalter an die Zahl der Beitragsjahre gekoppelt sein? Die Bürger sind sich darin nicht einig. Deutsche mit Abitur...