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Privatjets: Reisen ohne Klimaschutz gibt es nur für die Eliten

Lesezeit: 4 min
28.06.2023 10:48  Aktualisiert: 28.06.2023 10:48
Während Autofahrer und normale Fluggäste im Namen des Klimas hohe Abgaben zahlen müssen, sind Privatjets von Energiesteuer, Emissionshandel und Luftverkehrabgabe ausgenommen. Die Politik unterstützt dieses Ungleichgewicht.
Privatjets: Reisen ohne Klimaschutz gibt es nur für die Eliten
Privatjets sind weiterhin von Steuern und Abgaben ausgenommen. (Foto: dpa)

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Belgien und Irland schlossen sich beim Treffen der EU-Verkehrsminister Anfang des Monats einem Vorstoß von Österreich, Frankreich und den Niederlanden an, die Emissionen im Flugverkehr mit strengeren Vorschriften für Privatjets zu bekämpfen. Doch trotz des Drucks der Mitgliedsstaaten lehnt EU-Verkehrskommissarin Adina Vălean es weiterhin ab, vor dem Ende der Amtszeit der derzeitigen EU-Kommission am 31. Oktober 2024 neue Maßnahmen für Privatjets vorzuschlagen.

Auf die Frage, ob die EU-Kommission neue Maßnahmen für die Geschäftsluftfahrt vorschlagen werde, antwortete die Verkehrskommissarin auf einer Pressekonferenz: "Die kurze Antwort ist 'nein'. Wir haben nicht die Absicht, irgendwelche [weiteren] Vorschriften zu erlassen." Vălean sagte, dass sie es vorziehe, die Luftfahrt als Ganzes anzugehen, anstatt sich speziell auf Privatjets zu konzentrieren.

Zuvor hatten Österreich, Frankreich und die Niederlande gemeinsam einen Brief an EU-Klimachef Frans Timmermans und Verkehrskommissar Vălean verfasst, in dem sie starke Kritik an Privatjets äußerten. "Diese Form des Flugverkehrs hat einen übermäßigen Pro-Kopf-Kohlenstoff-Fußabdruck und steht daher zu Recht in der Kritik", schrieben die Verkehrsminister der drei Länder.

Kein Emissionshandel, keine Energiesteuer/Kerosinsteuer

Kleinere Betreiber von Privatflugzeugen bleiben auch nach der Ausweitung des EU-Emissionshandels Anfang des Jahres ausgenommen, die CO2-Zertifikate sind weiterhin nur für größere Luftverkehrsunternehmen obligatorisch. Wer das Flugzeug privat oder für die eigene Firma nutzt, darf bis zu 1.000 Tonnen Kohlendioxid ausstoßen, ohne dafür Zertifikate erwerben zu müssen. Bei gewerblichen Betreibern wie Charterfirmen liegt die Grenze sogar bei 10.000 Tonnen.

Und während der Autofahrer an der Tankstelle 65,45 Cent pro Liter Benzin Energiesteuer zahlt (plus darauf noch die Mehrwertsteuer), wird auf Flugbenzin keine Energiesteuer erhoben. Die Bundesregierung erklärt dies damit, dass bei einer nationalen Kerosinsteuer die korrekte Zuordnung der Betankung zu den jeweiligen innerdeutschen Flügen mit erheblichen technischen und verwaltungsmäßigen Schwierigkeiten verbunden wäre.

Und während normale Fluggäste bei Flügen über Deutschland die Luftverkehrabgabe in Höhe von 12,73 Euro bis 58,06 Euro (abhängig von der Flugverbindung) zu entrichten haben, sind Nutzer von Privatflugzeugen auch von dieser Abgabe ausgenommen. Österreich erhebt weder die Mineralölsteuer noch irgendeine andere Steuer auf Kerosin, sogar nicht einmal die Mehrwertsteuer.

Greenpeace fordert Verbot von Privatjets

Im März hatte Greenpeace ein EU-weites Verbot von Privatflugzeugen gefordert. Die Organisation betrachtet die Zunahme der Flüge mit Privatflugzeugen in den letzten Jahren als eine Gefährdung für das Klima. Laut einer Analyse des Forschungsinstituts CE Delft sei die Zahl der privaten Flüge in Europa im vergangenen Jahr um 64 Prozent auf 572.806 gestiegen, kritisiert die Organisation .

Bereits 2021 habe das Niveau der Privatflüge wieder das von vor der Corona-Krise erreicht. Die Flüge hätten 2022 knapp 3,4 Millionen Tonnen CO2-Emissionen verursacht, was der Jahresmenge von 555.000 EU-Einwohnern entspreche, heißt es in der Studie. Der CO2-Ausstoß der einzelnen Flugzeuge sei mit Hilfe eines Berechnungswerkzeugs der Flugsicherheitsorganisation Eurocontrol ermittelt worden.

Deutschland hatte demnach mit 58.424 Flugbewegungen nach Großbritannien und Frankreich die drittmeisten Privatflüge. Am häufigsten wurde die Strecke Berlin-Köln geflogen. "Während Superreiche mit Privatjets fliegen, als gäbe es kein Morgen, leiden ärmere Menschen aus dem globalen Süden am stärksten unter den Konsequenzen der Klimakrise", so eine Greenpeace-Expertin. "Klimaschädliche Privatjets sind die rücksichtsloseste Form der Mobilität. Sie gehören verboten."

Die europäische Koalition gegen Privatflugzeuge

Nach Ansicht von Österreich, Frankreich und den Niederlanden sind "die jüngsten Forderungen nach Maßnahmen wie dem Verbot von Privatjet-Reisen verständlich und müssen in angemessener Weise behandelt werden". In ihrer Erklärung heißt es, dass die "enorm hohen CO2-Emissionen pro Kopf" durch Privatflüge ungerecht seien, da sie bedeuten, dass eine kleine Anzahl von Menschen "der Gemeinschaft großen Schaden zufügen".

"Privatjetflüge sind ein Hobby der Superreichen", zitiert Euractiv die österreichische Klimaschutzministerin Leonore Gewessler. "Wir brauchen hier schärfere Regeln. Wer unser Klima schädigt, muss auch einen fairen Beitrag leisten." Der französische Verkehrsminister Clement Beaune sagte die Besteuerung von Privatjets auf europäischer Ebene sei "ein Bereich, in dem wir symbolisch zeigen können, wie wir bei der Bekämpfung von Emissionen zusammenarbeiten können".

"Die Bürgerinnen und Bürger würden es nicht verstehen, wenn eine Minderheit, die Privatjets benutzt, diese Flugzeuge ohne jede Einschränkung nutzen kann, mit unverhältnismäßigen Auswirkungen auf das Klima", sagte der belgische Minister für Mobilität, Georges Gilkinet. "Wir müssen zeigen, dass die Klimabemühungen gerecht verteilt werden, insbesondere ein Jahr nach der Explosion der Energiepreise", fügte er hinzu.

Der irische Abgeordnete Jack Chambers schlug einen vorsichtigeren Ton an und fügte hinzu, dass "alle vernünftigen Optionen" geprüft werden sollten, um sicherzustellen, dass Privatjets "ihren vollen Beitrag zu unseren Klimazielen leisten". Es sei von entscheidender Bedeutung, dass alle Sektoren des Luftverkehrs zu den Bemühungen um eine Verringerung der Emissionen beitragen, auch Privatjets.

Deutschland gegen zusätzliche Maßnahmen

Deutschland und Malta sind derzeit gegen zusätzliche Regulierungen im Hinblick auf die Nutzung von Privatflugzeugen. Bundesverkehrsminister Volker Wissing gab nach dem Treffen auf EU-Ebene Anfang des Monats eine kurze Erklärung ab, in der er den EU-Kohlenstoffmarkt für den Luftverkehr als bestes Instrument zur Bekämpfung der Luftverkehrsemissionen insgesamt befürwortete.

"Wir müssen festlegen, welche Flüge bei den bestehenden Klimamaßnahmen, wie zum Beispiel den Plänen zur Aktualisierung des EU-Emissionshandels, berücksichtigt werden müssen", sagte der FDP-Politiker. "Ich denke, das wäre produktiver, als sich ausschließlich auf den Privatjetverkehr zu konzentrieren", fügte er hinzu.

Der kleine Inselstaat Malta fürchtet, strenge Vorschriften könnten ihn unverhältnismäßig stark treffen. "Die Geschäftsluftfahrt kann auch als wichtiges Transportmittel in Staaten wie in Malta dienen, wo die Möglichkeiten für den Geschäftstransport begrenzt sind", sagte der maltesische Verkehrsminister Aaron Farrugia. Klimaschutz müsse "geografisch gerecht" sein und dürfe die wirtschaftliche Entwicklung und Innovation nicht behindern.

Grüne fordern höhere Gebühren für Flüge mit Privatjets

Die Grünen im Bundestag forderten Anfang des Monats, dass Flüge mit Privatjets teurer werden. "Privatjet-Flüge werden von der Allgemeinheit mitbezahlt - durch die mitgenutzte Infrastruktur und vor allem durch die Schäden an Gesundheit, Klima und Umwelt", sagte der verkehrspolitische Sprecher Stefan Gelbhaar der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Diese Belastungen müssten minimiert und könnten etwa durch höhere Flughafengebühren ausgeglichen werden, sagte der Grünen-Politiker. Für die verbleibenden Flüge sollten sich die Nutzer von Privatjets bemühen, mehr nachhaltigen Treibstoff zu tanken. Ein komplettes Verbot von kurzen Privatflügen hält Gelbhaar für rechtlich schwierig.

Die Flugsicherung hatte im vergangenen Jahr die Rekordzahl von 94.000 Starts privater Flüge in Deutschland verzeichnet. Dabei seien etwa 10 Millionen Tonnen Kohlendioxid freigesetzt worden. Fast drei Viertel der in Deutschland gestarteten Flüge seien kürzer als 500 Kilometer gewesen. Häufig geflogene Strecken waren demnach Hamburg-Sylt und Berlin-München. Bei längeren Flügen war der mit Abstand häufigste Zielort Mallorca.


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