Politik

Das Ende eines Missverständnisses: CDU tauscht Generalsekretär aus

Lesezeit: 3 min
11.07.2023 19:37  Aktualisiert: 11.07.2023 19:37
Nach einer Amtszeit von nur eineinhalb Jahren zieht CDU-Chef Merz die Reißleine und trennt sich von seinem Generalsekretär Czaja. Dessen Berufung war ein einziges, großes Missverständnis. Ein Kommentar.
Das Ende eines Missverständnisses: CDU tauscht Generalsekretär aus
Friedrich Merz (re.), CDU-Bundesvorsitzender und Unionsfraktionsvorsitzender, und Mario Czaja, jetzt Ex-CDU-Generalsekretär. (Foto: dpa)

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So richtig überrascht hat es am Ende keinen mehr. Als am Dienstagnachmittag die Nachricht durchsickerte, dass sich CDU-Chef Friedrich Merz von seinem Generalsekretär Mario Czaja trennte, war dies nur der Endpunkt einer ganzen Reihe von Enttäuschungen. Am Ende musste Merz mit diesem Schritt ein Zeichen setzen, denn immer mehr geriet auch der Parteivorsitzende selbst in das Fadenkreuz seiner parteiinternen Kritiker. Nachfolger soll nun der Chef der CDU-Grundsatzkommission, der nordrhein-westfälische Bundestagsabgeordnete Carsten Linnemann, werden.

Die Rechnung für den damals neugewählten CDU-Vorsitzenden Merz schien einfach. Ganz bewusst hielt der katholische Sauerländer Merz für den Posten des Generalsekretärs Ausschau nach jemandem, der ihn ergänzen sollte, nicht zuletzt, um die ganze Bandbreite der Volkspartei CDU abzubilden. Er fand ihn in der Person von Mario Czaja – aus dem Osten Berlins kommend, der praktisch im Alleingang den Bundestags-Wahlkreis Marzahn-Hellersdorf direkt gewonnen hatte, eine bis dahin schier uneinnehmbare Hochburg der Linkspartei. Ergänzt wurde die Personalentscheidung auch noch durch die Berufung einer gewissen Christina Stumpp aus Baden-Württemberg, die den neugeschaffenen Posten einer stellvertretenden Generalsekretärin einnahm.

Eine falsche Einschätzung

Doch was auf den ersten Blick durchaus Sinn ergab – aus dem Osten kommend, erfolgreicher Wahlkämpfer – war am Ende nur ein großes Missverständnis. Der 1975 in Ost-Berlin geborene Mario Czaja war immer eine Art Einzelkämpfer gewesen. Selbst mit der Führung seines eigenen Berliner Landesverbandes hatte er – in gegenseitiger Abneigung meist verbunden – wenig zu tun. Doch auch mit den anderen Landesverbänden und den Gliederungen der Partei fremdelte er. Schnell wurde auch deutlich, dass er das Rezept seines ganz persönlichen Wahlkampfes in Hellersdorf nicht auf die Wahlkämpfe in den Bundesländern übertragen konnte. Doch das Organisieren erfolgreicher Wahlkämpfe ist ein wesentlicher Teil der Stellenbeschreibung eines Generalsekretärs. So wurden die ersten Enttäuschungen über Wahlgänge in den Bundesländern bei Czaja abgeladen. Auch seine vielfachen Auftritte bei Fernsehdiskussionen wirkten selten geglückt. Dass seine Stellvertreterin Stumpp überhaupt nicht in Erscheinung trat, ja auch erfahrene Parteimitglieder gar nicht wissen, dass es eine stellvertretende Generalsekretärin überhaupt gibt, sei nur am Rande erwähnt.

Der Zustand der CDU

Dabei sind die Aufgaben riesig, vor der denen ein Generalsekretär der CDU heute steht. Zum einen drückt die desolate Finanzlage die Partei. Nach den herben Stimmenverlusten bei der verlorenen Bundestagswahl blieb die staatliche Wahlkampfkostenerstattung weit hinter dem zurück, was die Parteiführung für die nächsten Jahre fest eingeplant hatte. Zudem gilt der Zustand des Konrad-Adenauer-Hauses in der Partei insgesamt als ein Problemfall – überbesetzt, schwerfällig, einfallslos.

Lang ist es her, als das Adenauerhaus den anderen Parteizentralen in Sachen Wahlkampfführung, Parteiorganisation und Öffentlichkeitsarbeit überlegen war. Dass schon zuvor die Parteivorsitzende Angela Merkel sich nie wirklich um das Adenauerhaus und um die Partei insgesamt gekümmert hat, fällt jetzt umso schwerer ins Gewicht.

Auf den neuen Generalsekretär Linnemann warten nun immense Herausforderungen. Zum einen muss er noch seine alte Aufgabe erfolgreich zu Ende bringen und als Chef der Grundsatzkommission ein neues Parteiprogramm schreiben. Schon das ist eine Herkules-Aufgabe, da die CDU in den Merkel-Jahren inhaltlich ausgehöhlt wurde. Zum anderen muss er die klammen Finanzen in den Griff bekommen. Das geht nur mit drastischen Sparmaßnahmen – Freunde gewinnt man so in aller Regel nicht. Und zuletzt muss aus der ausgelaugten Truppe im Adenauerhaus eine schlagkräftige Mannschaft formen, die auch Wahlen gewinnen kann. Schon in diesem Jahr muss die CDU am 8. Oktober bei der Landtagswahl in Hessen bestehen. Und im nächsten Jahr droht bei drei Landtagswahlen in den Neuen Ländern (Sachsen, Thüringen und Brandenburg) großes Ungemach: nämlich der CDU herbe Verluste und der AfD satte Gewinne.

Herausforderungen im Osten

Und damit steht der neue CDU-Generalsekretär Linnemann vor einer neuen Aufgabe: Auf dem 31. Bundesparteitag hat die CDU sich 2018 eine Art Doppelbeschluss gegeben. Demnach ist eine Zusammenarbeit mit der AfD wie mit der Linkspartei ausgeschlossen. Doch immer deutlicher zeigt sich, dass dieser Beschluss womöglich nicht durchzuhalten ist. In den Umfragen in den östlichen Bundesländern droht die CDU gegenüber der AfD ins Hintertreffen zu geraten. In Thüringen würden letzten Umfrage zufolge AfD und Linkspartei allein schon mehr als 50 Prozent der Stimmen bekommen. Wie unter diesen Umständen die CDU mit einem solchen Parteitagsbeschluss noch eine Machtoption haben will, bleibt völlig rätselhaft.

Doch nicht nur das Verhältnis zu anderen Parteien bedarf einer dringenden Klärung, auch innerparteilich müssen die Flügel zusammengeführt werden. Just an dem Tag als Friedrich Merz in Berlin seinen Generalsekretär austauschte, erlebte er im fernen Thüringen eine krachende parteiinterne Niederlage: Dort entschied das Thüringer CDU-Parteigericht, das ein vom CDU-Bundesvorstand unter Friedrich Merz betriebenes Ausschlussverfahren gegen den früheren Verfassungsschutz-Chef und heutigen Vorsitzenden der Werte-Union (einem betont konservativen Flügel innerhalb der CDU), Hans-Georg Maaßen, abzulehnen sei. Maaßen sprach dann auch sofort in einer ersten Stellungnahme von „einer schallenden Ohrfeige“ für den Parteivorsitzenden und riet Merz geradezu gönnerhaft, von einer Berufung abzusehen, um „sich jetzt nicht die zweite Abfuhr in der nächsten Instanz“ einzuhandeln.

Auf den neuen Generalsekretär der CDU warten viele Aufgaben…


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