Erst Netzausbau, dann Batterieproduktion und jetzt auch noch die Solarenergie: Europas Abhängigkeit von China nimmt gefährliche Ausmaße an. Warum der Green Deal den Trend sogar noch verschärft und wie Europa jetzt handeln sollte.
Was ist der Green Deal, einfach erklärt? Das Konzept der Kommission von der Leyen gilt als Grundlage für ein klimaneutrales Europa und soll mittels Quotierungen, Regulation und Finanzierungen sicherstellen, dass erneuerbare Energien gefördert und CO₂-Emissionen reduziert werden. Der Green Deal gilt als Antwort auf die Veränderungen des Klimas, des Artensterbens und der Verschmutzung und Zerstörung von Wäldern und Ozeanen.
Doch der ambitionierte Plan, Europa in den nächsten 27 Jahren zum ersten klimaneutralen Kontinent der Welt zu machen, droht zu scheitern. Der belgische Think-Tank European Climate Neutralität Observatory, kurz: ECNO, veröffentlichte eine Studie über das Scheitern des Green Deals und darüber, ob der Traum eines klimaneutralen Europas überhaupt noch in die Realität umgesetzt werden kann.
In der Theorie sinnvoll, in der Praxis zu langsam
Die Umstellung von fossilen auf erneuerbare Energien laufe zu langsam, heißt es in der Studie. Darunter Richtlinien zur Nachhaltigkeitsberichterstattung oder das Lieferkettengesetz, Verordnungen, die nicht nur europäische Produktionsstandards regulieren, sondern auch sicherstellen sollen, dass Lieferanten für den europäischen Markt nachhaltig wirtschaften.
Doch diese Maßnahmen reichten nicht aus, um die angestrebte Klimaneutralität zu erreichen. Ein besonderes Merkmal wird dabei auf den Ausbau erneuerbarer Energien gelegt, die eine jährliche Wachstumsrate von 3,2 Prozent vorweisen müssten, um den Abbau fossiler Energieträger auszugleichen. Um den Zielen wieder näherzukommen, so das Resümee der Studie, müsste die Subvention für fossile Energieträger massiv abnehmen und die für erneuerbare Energien steigen.
Beispiel Solarenergie: Europas Abstieg und Chinas Chance
Doch die EU könnte sich durch weitere Regulationen in eine gefährliche Abhängigkeit von China begeben, die die vergangene Abhängigkeit von Russland sogar noch in den Schatten stellen würde. Die Solarbranche illustriert dieses Dilemma wie keine andere. So waren Europa und insbesondere Deutschland lange führend bei der Produktion von Solaranlagen, die als unverzichtbar für eine grüne Energiewende gelten. Heute sind die Kosten zur Produktion der Module in Europa doppelt so hoch wie in China. So werden 75 Prozent aller Solarmodule weltweit in China gefertigt, Solarunternehmen aus Europa werden abgehängt und auch die USA schaffen es, ihre Kapazitäten massiv auszuweiten.
Der Grund für die schlechten Chancen im Wettbewerb liegt freilich nicht in der fehlenden Absicht, denn kein Kontinent verfolgt so ambitionierte Ziele wie Europa. Aber das Problem ist systemischer Natur: Wer nachhaltige Lieferketten und faire Handelsbedingungen verfolgt, darf sich nicht von einzelnen Großmächten abhängig machen. Vornehmlich Chinas Solarmodule werden höchstwahrscheinlich mithilfe von Zwangsarbeit und Kohlestrom gefertigt, dürften im Sinne der Verordnungen rund um Lieferketten und Nachhaltigkeit also gar nicht erst gekauft werden.
Doch niedrige Preise und etablierte Lieferketten führen dazu, dass China nach dem Netzausbau mithilfe von Huawei und dem Bau der massiven CATL-Batteriefabrik in Ungarn für E-Autos nun die nächste Branche dominiert. Die Kosten chinesischer Solarmodule sollen bis zum Jahr 2025 massiv gedrückt werden, um den Vorsprung zu europäischen und amerikanischen Produkten noch weiter auszubauen. Das könnte eine absolute Energieabhängigkeit Europas von chinesischen Solarmodulen nebst amerikanischem LNG bedeuten, womit der alte Kontinent den beiden Großmächten quasi ausgeliefert wäre.
Industriepolitische Hilfen als Chance
Während China es als autoritärer Staat schafft, ambitionierte Ziele ohne Vetoplayer und Bürokratie durchzusetzen, gehen die USA mit gezielten Anreizen einen weitaus flexibleren Weg. Durch den Inflation Reduction Act werden Firmen mit großen Steuervorteilen aktiv unterstützt, sodass der Markt dynamisch wachsen kann. Immense Skalierungen führen dazu, dass immer mehr Solarmodule in den USA und Kanada zu immer besseren Preisen produziert werden können.
Europa muss hier einen ähnlichen Weg gehen und seinen Firmen industriepolitische Hilfen anbieten, um weiter wachsen zu können. Vertreter mittelständischer Solarproduzenten aus Deutschland bekräftigen, dass das Potenzial von 30 Gigawatt in Europa durchaus genutzt werden könnte, wenn für sie beispielsweise die Stromkosten gesenkt würden.
Für eine Renaissance der europäischen Solarindustrie, eine Diversifizierung der Lieferketten und eine Stärkung des heimischen Marktes braucht es demzufolge günstige Energie, denn ohne ausreichend günstigen Strom können die aufwendig zu produzierenden Photovoltaikanlagen nicht gefertigt werden. Hier wäre eine Diskussion über die Nutzung von Atomkraft, Kohlestrom und gegebenenfalls auch Schiefergas vonnöten, wie sie von einigen Ländern Europas schon auf nationaler Ebene geführt wird. Denn um komplett auf erneuerbare Energien umzusteigen, bedarf es im ersten Schritt die Nutzung günstiger und heimisch verfügbarer Energieträger. Ob eine solche Konzession von den Verfechtern des Green Deals aber zu erwarten ist, bleibt höchst fraglich.