Politik

Nato-Beamter: Ukraine könnte Gebiete an Russland abtreten

Erstmals hat ein hochrangiger Nato-Beamter gesagt, dass die Ukraine als Gegenleistung für eine Nato-Mitgliedschaft Gebiete an Russland abtreten könnte, um den Krieg zu beenden.
Autor
17.08.2023 11:28
Aktualisiert: 17.08.2023 11:28
Lesezeit: 3 min
Nato-Beamter: Ukraine könnte Gebiete an Russland abtreten
Der Stabschef von Nato-Generalsekretär Stoltenberg schlägt territoriale Zugeständnisse der Ukraine an Russland vor. (Foto: dpa) Foto: Kay Nietfeld

Die Abtretung von Territorium an Russland im Gegenzug für eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine könnte eine Lösung für die Beendigung des Krieges sein, sagte Stian Jenssen, der Stabschef des Nato-Generalsekretärs, am Dienstag bei einer Podiumsdiskussion im norwegischen Arendal. Dies berichtete am Dienstag die meistgelesene norwegische Zeitung VG.

Stoltenbergs engster Mitarbeiter in der Nato sagte dem Bericht zufolge, dass man sich Gedanken darüber machen müsse, wie die Sicherheitslage für die Ukraine aussehen soll, wenn der Krieg einmal zu Ende sei. "Es ist wichtig, dass wir das durchdiskutieren", sagte Jenssen in einem Gespräch über die zukünftige NATO-Mitgliedschaft der Ukraine.

Zwar wiederholte Jenssen die offizielle Nato-Linie, wonach es letztlich eine Entscheidung der Ukraine ist, wann und wie sie verhandeln wolle. Doch sein Vorschlag, Territorium an Russland abzugeben, um ein Ende des Krieges zu ermöglichen, geht über alles hinaus, was Nato-Chef Jens Stoltenberg bisher öffentlich diskutiert hat. Und es ist schwer vorstellbar, dass Jenssen seine Äußerungen nicht mit seinem Chef abgesprochen hat.

Gegenoffensive der Ukraine ohne nennenswerte Erfolge

Jensen betonte, dass sein Vorschlag nicht endgültig sei, dass er aber eine "mögliche Lösung" darstellen könnte. Der Nato-Generalstabschef betonte zudem, Russland habe "enorme militärische Schwierigkeiten" und es sei "unrealistisch, dass es neue Gebiete erobern kann". Die Herausforderung bestehe darin, wie viel Territorium die Ukraine "zurückerobern kann".

Bislang hat die Ukraine im Rahmen ihrer lang erwarteten Gegenoffensive keine nennenswerten Gebietsgewinne erzielen können. Die Fortschritte der ukrainischen Armee wurden durch ausgedehnte, von Russland angelegte Minenfelder und starke Befestigungen behindert, und entlang der gesamten Frontlinie kam es zu heftigen Kämpfen. Zudem verfügt Russland über die Lufthoheit.

Die Mitgliedschaft der Ukraine in der Nato ist für die westlichen Verbündeten nach wie vor eine heikle und höchst umstrittene Frage. Während die baltischen Staaten und das Vereinigte Königreich einer ukrainischen Mitgliedschaft positiv gegenüberstehen, sind Deutschland, Frankreich und die USA besorgt wegen der dadurch drohenden Eskalation.

Im Juli trafen sich die Staats- und Regierungschefs der Nato-Länder in Vilnius, um eine Einigung zu finden. Doch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj kritisierte den Gipfel als "absurd", weil er keinen Zeitplan für die Mitgliedschaft seines Landes nannte. Jensens Äußerungen vom Dienstag deuten nun auf eine mögliche Bereitschaft der Nato hin, den Beitritt der Ukraine voranzutreiben - wenn auch um einen hohen Preis.

Ende März 2022 hatte Selenskyj angedeutet, dass er bereit wäre, die russische Kontrolle über die östlichen Regionen der Ukraine zu akzeptieren, aber seitdem hat sich seine Position verhärtet. Außenminister Dmytro Kuleba sagte Anfang des Jahres, dass "die Ukraine keine Vorschläge akzeptiert, die den Verlust ihrer Territorien oder das Einfrieren des Konflikts beinhalten würden".

Entsprechend dieser Linie wies die Ukraine Jenssens Vorschlag vom Dienstag scharf zurück. "Territorium gegen einen NATO-Schirm tauschen? Das ist lächerlich", schrieb Selenskyjs Berater Mykhailo Podolyak auf X. "Das bedeutet, sich bewusst für die Niederlage der Demokratie zu entscheiden, einen globalen Verbrecher zu ermutigen, das russische Regime zu bewahren, das Völkerrecht zu zerstören und den Krieg an andere Generationen weiterzugeben."

Weiter sagte Podoljak, der Krieg könne erst dann beendet werden, wenn der russische Präsident Wladimir Putin besiegt wird. "Wenn Putin keine vernichtende Niederlage erleidet, das politische Regime in Russland sich nicht ändert und die Kriegsverbrecher nicht bestraft werden, wird der Krieg auf jeden Fall mit Russlands Appetit auf mehr zurückkehren", sagte er.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Technologie
Technologie Erkennen Sie schnell instabile Li-Ion-Batterien

Brady Corporation bietet eine neue, kostengünstigere Lösung an, um instabile Li-Ion-Batterien im Lager schnell und einfach zu erkennen....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Ifo-Geschäftsklima im Januar: Deutsche Wirtschaft erholt sich leicht, Zukunft bleibt ungewiss
27.01.2025

Das Ifo-Geschäftsklima hat sich im Januar leicht verbessert und zeigt einen ersten Anstieg nach zwei Rückgängen. Während die aktuelle...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Kurs aktuell noch leicht im Minus - und wieder um 100.000 US-Dollar
27.01.2025

Zum Start in die neue Handelswoche zeigte sich der Kryptomarkt tiefrot, eingebrochen war am Montagmorgen auch der Bitcoin-Kurs. Aktuell...

DWN
Finanzen
Finanzen Fremdfinanzierung ohne Banken: Von Mikrokrediten bis Crowdfunding
27.01.2025

Auch abseits von klassischen Bankdarlehen gibt es Möglichkeiten für Unternehmen und Privatpersonen, sich Fremdkapital zu beschaffen und...

DWN
Finanzen
Finanzen Geldwäsche mit Kryptowährungen: Europol sprengt Ring von "Unterwelt-Bankern"
27.01.2025

Eine Bank für Kriminelle in Europa bot alle Dienstleistungen wie Geldwäsche und Transporte an. Vor allem ging es um illegale Geschäfte...

DWN
Panorama
Panorama Fünf Jahre Corona - Impfungen, Long Covid und die Zukunft der Pandemie
27.01.2025

Die Corona-Pandemie hat weltweit bleibende Spuren hinterlassen. Fünf Jahre nach dem ersten Fall in Deutschland werfen Experten einen Blick...

DWN
Politik
Politik Warum der Merz-Plan so einschlägt: Deutschland scheitert an Dublin-Rückführungen
27.01.2025

Die EU hat sich ein System zur fairen Aufnahme von Asylbewerbern ausgedacht - das Dublin-Verfahren. Die Statistik zeigt: Für Deutschland...

DWN
Politik
Politik Ungarn zieht Veto zu Russland-Sanktionen der EU zurück
27.01.2025

Dass die Russland-Sanktionen der EU alle sechs Monate einstimmig verlängert werden müssen, birgt für kritische Staaten ein erhebliches...

DWN
Finanzen
Finanzen Nvidia-Aktie: Kurs stürzt ab - DeepSeek bereitet Investoren große Sorgen
27.01.2025

Die Nvidia-Aktie befindet sich zum Start in die neue Handelswoche im freien Fall. Am Montag verzeichnete der KI-Chip-Gigant einen...