Wirtschaft

Weltmarkt für Reis steuert auf eine Knappheit zu

Der wichtigste Reis-Produzent schränkt seine Exporte ein – und denkt über weitere Maßnahmen nach. Für rund drei Milliarden Menschen sind dies keine guten Nachrichten.
23.08.2023 16:53
Aktualisiert: 23.08.2023 16:53
Lesezeit: 3 min
Weltmarkt für Reis steuert auf eine Knappheit zu
Auf dem Weltmarkt für Reis deutet sich eine Knappheit an. (Foto: istockphoto.com/Muralinath) Foto: Muralinath

Indien hat Ende Juli den Export von Reis eingeschränkt. Weißer Reis, bei dem es sich nicht um Basmati-Reis handelt, dürfe ab sofort nicht mehr exportiert werden, teilte das Ministerium für Verbraucherangelegenheiten am 21. Juli in Neu Delhi mit. Diese Sorten repräsentieren rund ein Viertel des gesamten Reisexports des Subkontinents.

Mit dieser Maßnahme sollen die gestiegenen Reispreise für Konsumenten in Indien gesenkt werden, hieß es. Beim restlichen Reis gebe es keine Änderungen in den Exportrichtlinien, berichtete die dpa damals.

Exportbeschränkungen in Indien könnten zu deutlichen Preissteigerungen führen und die Lebensmittelunsicherheit für rund drei Milliarden Menschen verstärken, welche sich primär auf Reis als Grundnahrungsmittel und Nahrungsquelle für Kohlenhydrate stützen.

Indien war im vergangenen Jahr mit einem Weltmarktanteil beim Reishandel von rund 40 Prozent der mit weitem Abstand wichtigste Produzent, gefolgt von Thailand und Vietnam mit rund 15 beziehungsweise 13,5 Prozent.

Weitere bedeutende Exporteure waren Pakistan (rund 6 Prozent Welthandelsanteil), gefolgt von den Vereinigten Staaten, Myanmar und China.

Nicht die erste Export-Beschränkung

Das Ministerium in Neu Delhi betonte, der Reisexport aus Indien habe zuletzt deutlich zugenommen - trotz eines bereits im vergangenen September erlassenen Ausfuhrzolls von 20 Prozent auf weißen Reis. Der Exportanstieg hänge unter anderem mit der unsicheren geopolitischen Gemengelage und extremen klimatischen Bedingungen wie dem Wetterphänomen El Nino in Reis produzierenden Ländern zusammen, hieß es.

Indien hatte im vergangenen Herbst außerdem den Export von Bruchreis – also Reis, der bei der Verarbeitung beschädigt wird oder zerbricht – komplett untersagt, berichtet das Wirtschaftsmagazin Capital. Indien, das mit mehr als 1,4 Milliarden Einwohnern inzwischen vor China als bevölkerungsreichstes Land der Welt gilt und dessen Bevölkerung weiter wächst, hat zudem auch den Export von Weizen und Zucker eingeschränkt, um den heimischen Bedarf zu decken.

Neben der großen Bevölkerung waren es Wetterphänomene, welche die Regierung zum Einschreiten veranlasst hatten. Nach einem sehr heißen Frühling und nachfolgender Trockenheit gingen rund 13 Prozent der Ernte verloren. Im Herbst zerstörte zudem ein heftiger Monsun Teile der Reisbestände.

Indien erwägt neue Exportzölle

Wie Bloomberg berichtet, erwägt die Regierung in Neu Delhi inzwischen, den Export weiterer Reissorten zu erschweren. Demnach könnten bald Ausfuhrzölle auf halb gekochten Reis erhoben werden, um die Versorgung der eigenen Bevölkerung zu sichern und einen weiteren Anstieg der Preise im Inland zu verhindern.

Ob andere große Produzenten und Exportnationen den Ausfall indischen Reises wettmachen können, gilt als unsicher. So ist China zwar noch vor Indien der größte Reis-Produzent der Welt, ein überragender Anteil der Ernte wird aber aus strategischen Gründen der Nahrungsmittelsicherheit im Land belassen und nicht verkauft.

Zudem wurde auch China in den vergangenen Monaten von heftigen Wetterphänomenen heimgesucht, etwa Überschwemmungen und Rekord-Temperaturen. „Die optimale Temperatur für den Reis liegt zwischen 25 und 35 Grad. Temperaturen, die darunter, aber auch darüber liegen, wirken sich negativ auf die Physiologie und den Ertrag der Pflanzen aus. Die Wurzeln wachsen schwächer, Triebe und Pollen bilden sich nicht richtig aus“, zitiert Capital einen Agrarökonomen des Leibniz-Instituts.

Problematisch sei vor allem das Wetterphänomen El Nino, welches in diesem Sommer zum ersten Mal seit sieben Jahren wieder die Länder des westlichen Pazifiks betrifft, so der von Capital zitierte Agrarökonom des Leibniz-Instituts. „Das ist eine Hauptgefahr des Klimawandels, dass es in verschiedenen Hauptanbauregionen eines bestimmten Grundnahrungsmittels gleichzeitig zu Wetterschocks kommt und es dadurch zu massivem Rückgang der globalen Erntemenge kommt. Und dann könnten natürlich die Preise substantieller steigen, als wenn jetzt nur Indien seine Reisexporte einschränkt.“

Mit China, den Philippinen, Indonesien, Vietnam, Malaysia und Thailand befinden sich gleich mehrere wichtige Produzenten im Einflussbereich El Ninos. Die Auswirkungen von gleichzeitig stattfindenden Ernteeinbußen würden nicht nur die Menschen in Asien betreffen, sondern auch zahlreiche Länder auf anderen Kontinenten, die zur Deckung ihrer Nachfrage auf Importe angewiesen sind, etwa westafrikanische Staaten.

Zwiebeln im Fokus

Überlegungen zur Nahrungsmittelsicherheit sind auch der Grund, warum Indien auch einen Ausfuhrzoll von 40 Prozent auf Zwiebeln erheben will, der bis zum 31. Dezember gültig sein soll. Damit solle die inländische Verfügbarkeit des Gemüses verbessert werden, teilte das Finanzministerium am vergangenen Samstag mit. „Der Ausfuhrzoll wird indische Zwiebeln teurer machen als die aus Pakistan, China und Ägypten. Das wird natürlich zu geringeren Exporten führen und zur Senkung der lokalen Preise beitragen“, zitiert die Nachrichtenagentur Reuters Ajit Shah, einen Exporteur mit Sitz in Mumbai.

Der durchschnittliche Großhandelspreis für Zwiebeln auf den wichtigsten Märkten war von Juli bis August um fast 20 Prozent auf 2.400 Rupien (28,87 Dollar) pro 100 Kilogramm gestiegen, da befürchtet wird, dass vom Wetterphänomen El Nino ausgelöste unregelmäßige Regenfälle zu geringeren Erträgen führen könnten.

Die indischen Zwiebelexporte sind in der ersten Jahreshälfte 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 63 Prozent auf 1,46 Millionen Tonnen gestiegen. Länder wie Bangladesch, Nepal, Malaysia, die Vereinigten Arabischen Emirate und Sri Lanka sind von den indischen Lieferungen abhängig. Zwiebeln werden in ganz Asien als Grundlage für traditionelle Gerichte verwendet.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Umfrage: Deutsche gegen militärische Führungsrolle in Europa
25.11.2025

Rente, Bürgergeld, Wehrdienst – bei solchen Themen ist die Stimmung der Bürger gut erforscht. Für die Außenpolitik gilt das hingegen...

DWN
Politik
Politik Lawrow zu Europa: "Ihr hattet eure Chancen, Leute"
25.11.2025

Haben sich die Ukraine und die USA geeinigt? Europa jedenfalls habe seine Chance verspielt, den Ukrainekonflikt politisch zu entschärfen,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Biotech-Unternehmen wandern aus: Europa verliert 13 Mrd. Euro an die USA
25.11.2025

Europas Biotech-Branche steht an einem Wendepunkt, weil zentrale Finanzierungsquellen immer seltener im eigenen Markt zu finden sind....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Arbeitsmarkt 2030: Diese Fachkräfte werden in fünf Jahren gebraucht
25.11.2025

Automatisierung, KI und Klimawandel verändern den globalen Arbeitsmarkt rasant. Bis 2030 entstehen Millionen neuer Jobs, doch viele...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft KI-Blase: Experten warnen vor wachsenden Risiken am Markt
25.11.2025

Die Finanzmärkte stehen unter spürbarer Spannung, während Anleger die Dynamik rund um künstliche Intelligenz bewerten. Doch weist die...

DWN
Finanzen
Finanzen Doppelbesteuerung Rente: Ob Sie betroffen sind und was Sie tun können!
25.11.2025

In Deutschland müssen auch Rentner ihre Rente versteuern, weil Renten als Einkünfte gewertet werden, obwohl Arbeitnehmer bereits im...

DWN
Politik
Politik Georgiens Krise: Welche Machtverschiebung Europa jetzt alarmieren sollte
25.11.2025

Ein Land am Schwarzen Meer verliert seine demokratischen Sicherungen, während die Regierung Kritiker verfolgt und neue Allianzen mit...

DWN
Politik
Politik Insa-Umfrage aktuell: AfD bleibt in Sonntagsfrage vor Union
25.11.2025

Die aktuelle Insa-Umfrage zeigt eine AfD auf Rekordkurs - und eine Union, die langsam näher rückt. Gleichzeitig bröckelt das Tabu-Image...