Chinas Investoren entfernen sich vom Westen. Übernahmen großer westlicher Firmen wie der Kuka AG aus Augsburg im Jahr 2016 gehören vermutlich der Vergangenheit an. Denn China will einerseits seine Partnerschaften in Südostasien, Südamerika und im Pazifik stärken, andererseits wirken immer neue Restriktionen vonseiten des Westens abschreckend. Diese Abwanderung wird nur kurzfristig zum Vorteil des Westens sein und langfristig China und den Globalen Süden stärken.
Investitionen Chinas in den Westen am Ende?
Im Jahr 2016 erreichten chinesische Investitionen in Übersee eine Gesamtsumme von fast 200 Milliarden Dollar. Dieser Wert ist auf 146,5 Milliarden Dollar im Jahr 2022 um etwa 25 Prozent gesunken. Analysten erwarten, dass sich dieser Trend fortsetzen wird, solange Xi Jinping den Kurs des Landes bestimmt. Noch vor wenigen Jahren kauften sich chinesische Geschäftsleute große Firmen wie die Kuka AG oder investierten in das Luxushotel Waldorf Astoria in New York.
Tatsächlich sind die Investitionen im Ganzen betrachtet rückläufig. Doch während chinesische Investitionen in die USA und in Europa seit 2016 dramatisch eingebrochen sind, steigen sie in Südamerika, im Mittleren und Nahen Osten, Nordafrika und Ostasien. Der Westen scheint an Attraktivität verloren zu haben. Neben hohen Standortkosten, einem ungelösten Fachkräftemangel und unberechenbaren Faktoren wie exorbitanten Strompreisen in Deutschland scheinen sich Chinas Investoren lieber zu entziehen, als Risiken einzugehen.
Zudem beruht der Rückzug auch auf einer wachsenden Sinophobie im Westen. Die USA beschränken mittels einer Durchführungsverordnung Private-Equity- und Risikokapitalinvestitionen in diverse Technologieunternehmen aus China. Als Grund wird eine wachsende Sorge vor der Erlangung militärisch relevanter Technologien durch chinesische Firmen genannt.
Der Westen zwischen Sorge und Beschwichtigung
Investitionen schaffen in der Regel neue Arbeitsplätze, geben jungen Firmen das notwendige Kapital und beflügeln die Wirtschaftsleistung ganzer Länder. Bleiben chinesische Investitionen aus, mindert das auch das Wachstum. Kurzfristig dürften kleinere Volkswirtschaften im Westen wie Australien, Kanada und Ungarn den größten Schaden vom chinesischen Rückzug nehmen. Die Verlagerung chinesischer Kapitalströme in Länder wie Indonesien und Brasilien folgt einer simplen Logik: Die Standortkosten sind niedriger, Ressourcen in größeren Mengen verfügbar und die Märkte wachsen schneller.
Diese Aussicht scheint im Westen weniger ernst genommen zu werden. Große Investitionen durch CATL oder BYD in Länder wie Ungarn galt Machthabern in Brüssel und Washington schon länger als Dorn im Auge. Auch erhoffen sich Ökonomen, dass Spekulationen wie etwa im australischen oder kanadischen Immobilienmarkt abnehmen und sich die Preise normalisieren werden. Zudem ist es das erklärte Ziel Brüssels und Washingtons, den chinesischen Einfluss im Westen zu senken und sich von Peking unabhängig zu machen. Die Bundesrepublik erreichte etwa mit enormen Subventionen die partielle Ansiedlung des taiwanesischen Chipherstellers TSCM nach Dresden, obgleich diese Ansiedlung teuer erkauft und nur bedingt mit Erfolgsaussichten verknüpft ist. Es bleibt allerdings fraglich, ob dieses Modell Schule machen wird.
Denn es wird das Kapital fehlen, das innovative Unternehmen an Standorten wie dem Silicon Valley oder hierzulande Silicon Saxony benötigen, um ihre Geschäftsmodelle in Gang zu bringen. Chinas Abkehr vom Westen wird insbesondere der europäischen Peripherie die Grundlage für wirtschaftliches Wachstum entreißen, ein Trend, der sich auch auf Länder wie Deutschland und Frankreich übertragen könnte.
Strukturiert China seine Wirtschaft gerade um?
Jüngere Meldungen über die Wirtschaftsleistung der Volksrepublik China sind verhalten. Zu langsam komme Peking wieder in Gang, Experten sprechen von einem Zustand der Lethargie, die China fest im Griff habe. Doch auch wenn die Währung schwach und das Produktionsniveau niedrig erscheint, arbeitet Chinas KP an der Zementierung seiner Dominanz in essenziellen Sektoren. Die Beispiele sind vielfältig: Derzeit investieren Chinas Unternehmen enorme Summen in Indonesien, das große Vorkommen an Nickel besitzt. Nickel ist eine der Schlüsselkomponenten für die Herstellung von Batterien elektrischer Fahrzeuge.
Bei diesen Unternehmungen geht es Peking nicht in erster Linie um wirtschaftliche, sondern zunehmend um geopolitische Gewinne. Mit den Investments in Länder wie Indonesien zementiert das Reich der Mitte seine Dominanz in Sektoren wie der Batterieherstellung für E-Fahrzeuge und Technologien für erneuerbare Energien. Peking fokussiert sich entsprechend auf Märkte mit großen Ressourcen. Allein der Autohersteller BYD plant Investitionen von etwa 600 Millionen Dollar in brasilianische Automobilfabriken.
Das Problem für den Westen liegt auf der Hand: Er hält an Technologien fest, über die Peking verfügt. Photovoltaikanlagen und Batterien für Elektroautos gelten als die Triebfedern der Energiewende, nur liegen die Rohstoffe und mittlerweile auch das Know-how zur Produktion von beiden im chinesischen Einflussbereich. Bis alternative Techniken wie die Kernfusion und Wasserstoffmotoren marktreif sind, könnte wertvolle Zeit vergehen, in der China seine Dominanz weiter verfestigt.
Der Westen treibt in die Isolation
Sehenden Auges lässt der Westen China in Länder mit essenziellen Rohstoffen investieren und diese so an sich binden. Mit Charmeoffensiven und Restriktionen können sich Washington und Brüssel eventuell Zeit verschaffen, doch es bleibt nur eine Frage der Zeit, bis der chinesische Einfluss auch vermeintliche Partner wie Brasilien oder Indonesien auf seine Seite zieht.
Zwar versuchen auch westliche Regierungen mit Subventionen und Forschungen, wichtige Partner und Unternehmen an sich zu binden und sich von China unabhängig zu machen. Doch dieser Weg ist angesichts der schnellen chinesischen Vorstöße im Globalen Süden wenig vielversprechend, und es bleibt offen, ob der Westen mit seinem Kurs in die Isolation zusätzlich auch in eine neue Abhängigkeit getrieben wird.