Politik

Italien: Die neue Speerspitze der USA?

Giorgia Meloni macht den USA Zugeständnisse. Die Ministerin nähert sich Washington an und wendet sich von Peking ab. Was bedeutet das für die EU?
24.08.2023 07:58
Aktualisiert: 24.08.2023 07:58
Lesezeit: 4 min
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Italien beabsichtigt, aus dem Seidenstraßenprojekt auszutreten. Damit wendet sich Mitteleuropas erste große Volkswirtschaft demonstrativ von China ab. Doch sind die USA die besseren Partner?

Giorgia Meloni traf Joe Biden Ende Juli zu einem „offenen Gespräch über viele Probleme“, bei dem es unter anderem um den Westen, China und Afrika ging. Italiens Regierungschefin, die vor ihrem Amtsantritt als äußerst konservativ, Trump- freundlich und einwanderungsfeindlich gegolten hatte, vollzieht nun auch geopolitisch eine Wende. Was bedeutet das für die geopolitische Ausrichtung der EU?

Italiens Kehrtwende: Washington statt Seidenstraße

Das Baltikum, Tschechien und schließlich auch Italien wenden sich von China ab. Infolgedessen könnte das Seidenstraßenprojekt vonseiten Roms bis Dezember dieses Jahres beendet werden, so Giorgia Meloni. Die im Jahr 2013 ausgerufene „Neue Seidenstraße“ gilt als Prestigeobjekt Pekings, das die globale Wirtschaft stärker vernetzen sollte. Autobahnen durch Montenegro, Zugstrecken in Mitteleuropa und ein Einstieg in den Hafen Piräus bei Athen sind nur einige Vorzeigeobjekte chinesischer Investitionspolitik in Europa. Italien bekannte sich als einziger G7-Staat zu dem Großprojekt. Warum sollte sich das ändern? Meloni selbst hebt hervor, dass die Handelsbeziehungen zu China nicht perfekt seien und der freie Handel ihr Land in eine Position der Schwäche manövriert habe.

Corona, die Spannungen zwischen Taiwan und dem chinesischen Festland, die Beendung der Autonomie Hongkongs beförderten allgemein die Skepsis gegenüber Peking in Europa. Auch seien mittlerweile viele afrikanische und asiatische Staaten in die Schuldenabhängigkeit Pekings gerutscht. So die weitläufige Erklärung für den Wandel.

Doch Italiens Zuwendung zu Washington könnte auch andere Ursachen haben. Einerseits ist von subtilem Druck die Rede, andererseits gibt ein Interview Melonis mit den Fox News interessante Einblicke in die Pläne, die sie mit Joe Biden für die neue Weltordnung geschmiedet hat.

Kaum Auswirkungen in China, dafür schmerzhafte Verluste in Italien

Für Peking ändert sich mit einem Austritt Italiens aus dem Seidenstraßenprojekt nicht viel. Investitionen Chinas in die EU sanken von etwa 37 Milliarden Euro im Jahr 2016 auf knapp acht Milliarden im Jahr 2022, der Trend geht dahin, dass chinesische Investoren aus dem Westen fliehen und sich stärker Russland, Ostasien und dem Globalen Süden zuwenden. Dort warten junge Fachkräfte und aufstrebende Märkte wie auch riesige Bodenschätze, die Peking zur Produktion kritischer Technologien benötigt. Chinas Einfluss auf die globale Weltordnung wird sich nicht schlichtweg eindämmen lassen, indem das Seidenstraßenprojekt marginal begrenzt wird.

Der Anstieg italienischer Exporte nach China wird hingegen durch den Austritt aus dem Seidenstraßenprojekt vermutlich zunichtegemacht werden. Allein im Februar 2023 exportierte Italien Waren im Wert von drei Milliarden Euro nach China, ein Wert, der vermutlich nicht wieder erreicht werden wird. Auch der Ausbau kritischer Infrastruktur, den Italien gut gebrauchen könnte, wird ausbleiben. Zudem dürften wirtschaftliche Konsequenzen Unternehmen wie den Reifenhersteller Pirelli treffen, dessen größter Anteilseigner Chinas Staatskonzern Sinochem ist. Wieso kommt also der Austritt?

Italien als mediterrane Speerspitze der Supermacht USA?

Die Reise Melonis in die USA wurde als Bekenntnis zum Westen gewürdigt. Doch was waren die Themen, die Biden und Meloni miteinander besprachen? Bei einem Interview bei Fox News entlockte die Moderatorin Maria Bartiromo ihrem Gast einige interessante, wenn nicht irritierende Aussagen. Es seien viele Fehler im Zuge der Globalisierung gemacht worden, die Italien und die anderen G7-Staaten nun korrigieren müssten, so Meloni. Die Idee, freier Handel würde allen nutzen und den Demokratisierungsprozess in anderen Ländern vorantreiben, habe sich als falsch erwiesen. Staaten, die keine demokratischen Grundwerte besäßen, hätten diese Chance genutzt und seien jetzt stärker geworden, zulasten der G7-Staaten, die inzwischen nicht mehr ihre Lieferketten kontrollieren könnten.

„Ich tue, was aus meiner Sicht für meine Nation am besten ist“, so Regierungsministerin Giorgia Meloni bei den Fox News.

Zudem habe man sich nicht genügend auf Afrika konzentriert. Afrika, so Meloni, sei nicht arm. Es sei ein vermögendes Land. Es verfüge über viele Ressourcen, darunter Metalle und seltene Erden. Heute sei Afrika Opfer einer Vielzahl von vielen Störfaktoren, die seine Stabilität bedrohten. Dieser Umstand könnte gegen die G7-Staaten genutzt werden. Zudem sei es in der Vergangenheit falsch gewesen, nur beratend zur Seite zu stehen, den afrikanischen Staaten aber nicht aktiv geholfen zu haben. Infolgedessen würden diese Staaten den G7-Staaten heute nicht wirklich vertrauen. Ihre Idee sei es nun, diesen Ansatz zu ändern.

Nur zu helfen, sei kein Mittel der Geopolitik. In der Geopolitik müsse man Dinge tun, die beiden Seiten helfen. Afrika sei ein enormer Produzent für Energie. Geothermie, Wasserstoff, andere grüne Energieträger — es sei alles vorhanden. Wenn man also von afrikanischen Staaten Energie bezöge, um Europa zu helfen, helfe man auch Afrika und könne gemeinsam viele Probleme miteinander lösen. Derweil müssten auch Schlepperbanden bekämpft werden, die mafiöse Strukturen errichtet hätten.

Eine Rückkehr zum Kolonialismus?

Welche Folgen Melonis Annäherung an Washington konkret haben dürfte, ist fraglich. Fakt ist jedoch, dass der Einfluss Europas in Afrika schwindet, und es scheint Meloni und Biden darum zu gehen, diesen mithilfe der USA wieder zu stärken. Dabei weiß die Ministerin, dass die afrikanische Ablehnung des Westens nicht von seinen „einfachen Beratungen“ herrührt, sondern er selbst oft genug als destabilisierender Faktor aufgetreten ist, der Afrikas Entwicklung um Jahrzehnte hemmte. Der Ausbau kritischer Infrastruktur und Sicherheitsgarantien sind deutlich populärere Argumente für viele afrikanische Staaten, die derzeit ihre ehemaligen Kolonialreiche wie Frankreich ablehnen. Auch Meloni versäumte es nicht, Frankreichs Präsidenten Macron mehrfach zu kritisieren, diese Länder auf beschämende Weise auszubeuten und damit die illegale Migration nach Europa zu befördern.

Wie allerdings eine von Rom angeführte Westallianz den Kontinent zu einer stärkeren Kooperation und der Lieferung wertvoller Bodenschätze bewegen will, erklärt Meloni nur mit einem Wort: „Investitionen“. Welche das sind und ob sie sich von der desaströsen Entwicklungshilfe vergangener Jahrzehnte unterscheiden, bleibt offen.

Meloni: Alternativlose Realpolitik statt Wahlkampfversprechen

Meloni spricht sich für die Realpolitik aus, denn die Europäer wollten derzeit Regierungsvertreter, die keinen starren ideologischen Fundamenten folgten. „Wir müssen alle gemeinsam in eine Richtung gehen“, sagte sie im Namen der G7-Staaten, sie tue überdies das, was sie für die Interessen ihrer Nation für richtig halte. Doch ihr durchaus nicht zwangsläufiger Wandel hin zu einer US-freundlichen Politik, zu mehr Einwanderung, Investitionen in Afrika und weitere stellen durchaus streitbare Punkte dar. Zumindest dürfte das Chaos innerhalb konservativen EU-Fraktionen, die sich im nächsten Jahr neuformieren werden, damit vorprogrammiert.

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Virgil Zólyom

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Virgil Zólyom, Jahrgang 1992, lebt in Meißen und arbeitet dort als freier Autor. Sein besonderes Interesse gilt geopolitischen Entwicklungen in Europa und Russland. Aber auch alltagsnahe Themen wie Existenzgründung, Sport und Weinbau fließen in seine Arbeit ein.

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