Finanzen

Staatliche Digitalwährungen auf dem Vormarsch

Digitales Zentralbankgeld wird immer wichtiger. Allen voran die BRICS-Staaten treiben die Entwicklung zu bargeldlosen Gesellschaften mit Digitalwährungen voran. Was sind die Konsequenzen?
10.09.2023 09:07
Aktualisiert: 10.09.2023 09:07
Lesezeit: 4 min
Staatliche Digitalwährungen auf dem Vormarsch
Eines Tages könnte digitales Zentralbankgeld die heutigen Währungen komplett ersetzen. (Foto: iStock.com/H_Galenko) Foto: H_Galenko

Immer mehr Staaten bringen digitales Zentralbankgeld („Central Bank Digital Currencies“, kurz „CBDCs“) in Umlauf. Rund um den Globus haben bereits zwölf Länder Digitalversionen ihrer Währungen eingeführt und laut Reuters arbeiten über 130 Staaten aktuell daran. Das führende internationale Zahlungssystem SWIFT berichtete jüngst von einem erfolgreichen Test von digitalen Zentralbankwährungen für grenzüberschreitende Zahlungen. Am großen Feldversuch hatten unter anderem die Hongkonger Großbank HSBC, die UBS sowie die Bundesbank teilgenommen.

Die neueste Schlagzeile: In Thailand plant die Regierung ein Geldgeschenk in Höhe von rund 300 Dollar je Bürger – in Form von rein digitalem Zentralbankgeld und verknüpft mit einem digitalen Identitätsnachweis. Das Helikoptergeld soll so programmiert sein, dass es nur in einem bestimmten Umkreis des Wohnsitzes ausgegeben werden kann. Außerdem wird es nur für ein halbes Jahr gültig sein. Durch diese Eigenschaften soll die Wirtschaft angekurbelt werden.

Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), die vor allem die Arbeit der westlichen Zentralbanken an digitalen Zentralbankwährungen koordiniert, hat jüngst in einem Spezialbericht die Programmierbarkeit von Digitalgeld befürwortet. Eine Programmierbarkeit des staatlichen Zentralbankgeldes ist die Voraussetzung dafür, dass Steuerungs- und Kontrollfunktionen eingebaut werden können. Beispiele sind etwa Ablaufdaten, kontinuierlicher Wertverlust im Zeitablauf, eine Nachverfolgung des ökologischen Fußabdrucks aller Einkäufe und Obergrenzen. Aber auch ein Verbot von Zahlungen für bestimmte Zwecke oder einzelne Produkte und im Extremfall eine Sperrung des Zentralbankkontos wären denkbar.

EZB und EU-Kommissionen haben vorerst ausgeschlossen, dass der ins Auge gefasste digitale Euro direkt programmierbar wäre. „Für uns wäre die Ausgabe einer digitalen Währung, die Zentralbankgeld wäre, nicht programmierbar […] Diejenigen, die die Verwendung einer digitalen Währung mit der Programmierbarkeit in Verbindung bringen können, wären die Intermediäre – die Geschäftsbanken“, so Lagarde im März auf dem BIZ-Innovationsgipfel.

Den Intermediären könnte man entsprechende Vorschriften machen, sodass die Programmierung dann doch von staatlichen Institutionen ausginge. Ohnehin war von Seiten des EZB-Personals (allen voran Fabio Panetta) im Vorfeld des Gesetzesentwurfs so oft im Detail von „Obergrenzen“ und allgemeiner von „Kontrolle“ die Rede, dass die Versprechungen bezüglich der Nichtprogrammierbarkeit stark anzuzweifeln sind.

CBDCs ermöglichen dystopische Kontrollmechanismen

Die EU-Kommission hat im Juni einen Gesetzesvorschlag für die Einführung des digitalen Euros veröffentlicht. Der Entwurf sieht vor, dass der digitale Euro den Status eines elektronischen gesetzlichen Zahlungsmittels haben wird, womit es obligatorisch sein würde, ihn als Zahlungsmittel zu akzeptieren. Im Herbst will die EZB über die nächsten Schritte entscheiden. Dann endet die vor rund zwei Jahren eingeleitete Untersuchungs- und Testphase. Bis zur tatsächlichen Einführung würden dann wohl noch einmal rund drei Jahre vergehen.

Das digitale Zentralbankgeld ist längst keine Verschwörungstheorie mehr. Aber die Prozesse in Europa sind langsamer als in Asien, was die meisten EU-Bürger in diesem Fall vermutlich begrüßen dürften. Seitdem die ersten Ideen der CBDCs („Central Bank Digital Currencies“) aufkamen, hat es aus der Mitte der Gesellschaft eigentlich nur Kritik gehagelt. Es geht in erster Linie um die dystopischen Kontrollmöglichkeiten einer solchen Zentralbankwährung, bei der alle Zahlungen problemlos nachverfolgbar wären.

Lesen Sie dazu: DWN Exklusiv-Interview: „CBDCs wären die Vollendung der Planwirtschaft“

Die vermeintlichen Vorteile von staatlichen Digitalwährungen, namentlich Geldwäschebekämpfung und eine Verringerung des ökologischen Fußabdrucks, sind häufig nur ein vorgeschobener Grund für mehr Kontrolle der gesetzestreuen Bürger. Vermeintliche Effizienzgewinne gibt es auch kaum. In Zeiten von weltweit akzeptieren Kredit- und Debitkarten, Echtzeitüberweisungen sowie unzähligen Zahlungs-Apps (von Paypal und GooglePay bis zu Angeboten kleiner Fintechs) braucht wirklich niemand ein direktes Verrechnungskonto bei der Zentralbank, um Zahlungen zu beschleunigen.

Besonders pikant ist die Tatsache, dass digitale Zentralbankwährungen, ausgestattet mit dem Status des gesetzlichen Zahlungsmittels, es überhaupt erst ermöglichen würden, das Bargeld offiziell abzuschaffen. Der Trend zur bargeldlosen Gesellschaft ist derweil insbesondere in Europa längst auf dem Vormarsch. In Deutschland werden laut Bundesbank nur noch rund 58 Prozent aller Zahlungen mit Banknoten und Münzen getätigt.

Die in Thailand geplante Beschränkung der Nutzbarkeit auf einen engen Radius um den Wohnort wäre auch geeignet, um die sogenannten 15-Minuten-Städte zu fördern. Dieses für manche utopische, für andere eher dystopisch anmutende Konzept sieht vor, dass Einwohner alles nötige in 15 Minuten zu Fuß oder mit dem Fahrrad in ihrem Stadtteil erreichen können. Um CO2-Emissionen zu minimieren, ginge das einher mit weitreichenden Mobilitätseinschränkungen. China richtet die gesamte Planung einer neuen Megastadt namens „Xiongan City“ am 15-Minuten-Konzept aus. Hierzulande ist Hamburg eifrig dabei, die Idee mittelfristig zu verwirklichen.

BRICS-Staaten führend im Aufbau des Digitalgeldes

Aktuell wird heftig über die Formierung des von China angeführten erweiterten BRICS-Blocks als Gegenpol zu den USA und dem Westen diskutiert. Dabei steht auch im Raum, dass das Staatenbündnis ein neue - womöglich goldgedeckte - BRICS-Handelswährung ins Leben rufen könnte.

Bei CBDCs arbeiten jedoch alle großen Zentralbanken mit supra-staatlichen Organisationen wie dem internationalen Währungsfonds (IWF), der Weltbank, der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) und dem Weltwirtschaftsforum (WEF) zusammen. Wir nehmen das mit Interesse zur Kenntnis.

Einige BRICS-Staaten treiben die Entwicklung besonders stark voran. In Brasilien und Südafrika befinden sich die Digitalwährungen noch in der Pilotphase. Russlands Zentralbank hat den Digital-Rubel offiziell im August eingeführt und führt nun erste reale Tests durch, unter anderem in der Moskauer U-Bahn.

Sehr viel weiter fortgeschritten sind die Tests in China und Indien. Die Stadt Changshu in der ostchinesischen Provinz Jiangsu bezahlt etwa seit Mai den Beamten ihre vollen Gehälter in E-Yuan. Peking animiert alle Zahlungsanbieter und Betreiber von Finanz-Apps dazu, so schnell wie möglich Schnittstellen für den digitalen Yuan aufzubauen. Im Nachbarland Indien ist die E-Rupie schon länger für spezielle Finanzmarkt-Transaktionen einsetzbar. Nun unterstützt mit der YES-Bank das erste Finanzinstitut die heimische Digitalwährung im landesweit führenden Zahlungssystem.

Unter Umständen ist das globale Vorantreiben der Digitalwährungen ein bedeutenderes Ereignis als die geopolitische Stärkung des globalen Südens. Vielleicht laufen die beiden Entwicklungen auch zusammen. Die eigene BRICS-Währung könnte eine reine Digitalwährung sein.

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Jakob Schmidt ist studierter Volkswirt und schreibt vor allem über Wirtschaft, Finanzen, Geldanlage und Edelmetalle.

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