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DWN Exklusiv-Interview Teil 2: „CBDCs wären die Vollendung der Planwirtschaft“

Im zweiten Teils unseres DWN-Interviews mit BVMW-Sprecher Thomas Kolbe geht es um digitales Zentralbankgeld. Darin sieht Kolbe eine nie dagewesene Machtfülle der Zentralbanken und eine Gefahr für Wirtschaft und Gesellschaft.
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11.12.2022 09:00
Lesezeit: 4 min
DWN Exklusiv-Interview Teil 2: „CBDCs wären die Vollendung der Planwirtschaft“
Thomas Kolbe ist Sprecher für Nordrhein-Westfalen des Bundesverbands Mittelständische Wirtschaft. (Foto: BVMW)

Teil 1 des Interviews lesen Sie hier.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Finanzminister Lindner hat sich kürzlich öffentlich dafür stark gemacht, den digitalen Euro schnellstmöglich einzuführen. Sie haben sich diesbezüglich kritisch gegenüber CBDCs (central bank digital currencies, digitale Zentralbankwährungen) positioniert. Können Sie das näher erläutern?

Thomas Kolbe: Ich versuche mal, das zunächst aus makroökonomischer Sicht zu sehen. Bei CBDCs handelt es sich um den Versuch, die Geldpolitik im Monopol belassen, denn es gibt ja mit Kryptowährungen bereits Absetztendenzen. Es ist der Versuch, den zu Ende gehenden Kreditzyklus durch neue Liquidität wieder ins Laufen zu bringen. Neues Geld entsteht ja in der Regel durch den Kreditvergabeprozess der Geschäftsbanken und nicht durch die Zentralbanken. Diese monetarisieren zwar die neuen Schulden der Staaten, aber in erster Linie ist es der Bankensektor, der neues Geld schafft.

DWN: … die Giralgeldschöpfung …

Kolbe: Exakt. Und dieser Prozess ist zum Erliegen gekommen. Sie sehen das an den steigenden Zinsen. Das ist immer ein Zeichen für massive Liquiditätsengpässe. Alle Assetklassen haben monatelang abverkauft. Der Immobilienmarkt vollzieht das jetzt auch nach. Die Vertreter der CBDCs sehen darin die Lösung. Das wäre technisch so aufgebaut, das jedes Unternehmen sein digitales Konto bei der Notenbank führen könnte. Damit könnte man dann Liquidität tatsächlich digital schaffen. Man könnte so den ganzen Kreditprozess zentralisieren und den alten Mechanismus ersetzen.

Wer sich mit dem Thema Geld auch nur im Entferntesten befasst hat, ahnt schon, welche Machtfülle das in sich birgt. Eine Institution, die nicht demokratisch kontrollierbar ist, verfügt dann darüber, wer was haben kann. Dazu kommen noch die Einkommen, die dann ja auch in derselben Wallet bei der Notenbank landen würden – komplett transparent, kontrollierbar und sanktionierbar. Das hätte also immense gesellschaftliche Folgen. Die Macht würde in großen Teilen vom Bürger abwandern und hin zur Notenbank. Sie hätten dann eine nie dagewesene Machtkonzentration in den Händen von Notenbankern. Damit wären meiner Meinung nach auch die – ohnehin schon geschwächten – Staatsregierungen dann ohnmächtig.

DWN: Wie erklären Sie sich dann, dass der amtierende Finanzminister den eigenen Machtabbau vorantreibt?

Kolbe: Da gibt es bestimmt die Hoffnung des Staates, dass er auch Zugriff auf die Finanzen der eigenen Bürger bekommt. Außerdem ließe sich mit dem politisch unliebsamen Thema Inflation anders umgehen. Ich glaube, dass die Politik davon ausgeht, man könnte diesen Prozess dann direkter steuern und kontrollieren. Das wäre dann die technische Vollendung der Planwirtschaft.

DWN: Was denken Sie ist die Motivation für die Einführung der CBDCs?

Kolbe: Ich denke, man muss das aus der Perspektive der Bürokratie heraus betrachten. Jede Institution will wachsen und ihre Macht ausdehnen. Aus der Logik der Institut Zentralbank heraus sind CBDCs das ideale Mittel, schnell an eine unglaubliche Machtfülle zu geraten. Und sie haben exzellente Verkäufer. Sie verkaufen das Prinzip der Blockchain und des digitalen Zentralbankgeldes im Grunde als Evolution des Geldes. Dabei ist es gerade die Devolution des Geldes und unserer Gesellschaft, also die Rückentwicklung.

DWN: Ziehen die Länder und Zentralbanken der Welt dabei an einem Strang?

Kolbe: Nein, da gibt es bereits die ersten Absetzbewegungen. Dänemark hat eindeutig dagegen votiert. Außerdem sollte man sehr genau schauen, was die Vertreter der Federal Reserve dazu sagen. Sie führen zwar jetzt für die einzelnen Fed-Eigentümerbanken eine CBDC ein. Aber dabei handelt es sich im Prinzip um einen reinen Verrechnungsposten. Der Interbankenmarkt wird dadurch in Echtzeit geregelt. Da sehe ich ehrlich gesagt kein Problem. Denn keiner der Fed-Präsidenten hat bisher klar gesagt, das ist die Technologie, die wir anstelle des Dollars einführen wollen. Denn die Eigentümerbanken der Fed – also u.a. Citigroup, JP Morgan, ect. – unterstützen die CBDC-Einführung nicht. Sie sehen eine Spaltung zwischen dem Fed-Bankensektor und dem europäischen Bankensektor.

DWN: Sie meinen also, es gibt beim Thema CBDCs eine Rivalität zwischen US- und EU-Banken?

Kolbe: Ja. Der amerikanische Bankensektor hat bereits vor einem Jahr damit begonnen, amerikanisches Bankenkapital aus der City of London abzuziehen. Der Grund war der Zinsspread zwischen den USA und Europa. Aus Sicht der Amerikaner, haben sie indirekt mit vielen Milliarden das europäische Bankensystem subventioniert. Sie sehen den Konflikt auch am Euro-Dollar-Markt. Die Fed trocknet systematisch den gesamten Dollar-dominierten Kreditmarkt außerhalb der USA aus. Es macht keinen Sinn, in so einer Lage die Zinsen auf fünf oder sechs Prozent hochtreiben zu wollen. Durch den Referenzzins schieben sie die Refinanzierungskosten für Staaten, Unternehmen und Haushalte immer weiter nach oben.

DWN: Einige Geschäftsbanken befürchten, dass beispielsweise im Krisenfall alle Bürger ihr Geld auf das Zentralbankkonto packen und damit Bankruns bei Geschäftsbanken auslösen. Wie sehen Sie diese Kritik?

Kolbe: Bei einem digitalen Euro würde uns die EZB ein Konto anbieten. Die Geschäftsbanken würden einen großen Teil ihrer Geschäftsgrundlage verlieren. Die Amerikaner haben das verstanden, deshalb unterstützen die Eigentümerbanken der Fed dieses Projekt auch nicht. Deswegen stellen sie sich gegen die CBDCs. Jamie Dimon, Chef von JP Morgan, sagte beispielsweise kürzlich erst, das CBDCs für seine Bank nicht interessant seien. Auch Fed-Chef Jerome Powell hat gegenüber EZB-Chefin Lagarde signalisiert, dass die Fed bei dem Projekt nicht mitzieht. Das amerikanische Bankenkartell stellt sich also klar gegen das europäische Bankenkartell. Jede der beiden Gruppen betreibt ihr eigenes rent-seeking-Modell, eine Art Ponzi-Schema. Sie verleihen Geld aus dem Nichts bei einer Einlagenreserve von rund 3 Prozent. Sie hebeln das, was sie an Einlagen haben, mit dem Faktor 33. Wenn sie dann als Anker noch die Notenbank im Rücken haben, ist das natürlich ein tolles Geschäft für diese Banken. […] Das hat mit Kapitalismus, Marktwirtschaft und ordentlichem Kaufmannsverhalten nichts mehr zu tun.

DWN: Sie meinten als Kommentar auf Lindners Forderung nach dem digitalen Euro, dadurch würde für Unternehmen die Berechnungsgrundlage zerstört. Können Sie das genauer erklären?

Kolbe: Die CBDCs wären ein Beschleuniger von Inflation. Es gäbe kein Regulativ mehr, das die Geldmenge in irgendeiner Form stabil hielte. Das Regulativ war bisher der Kapitalmarkt, der vor der Einführung der Eurozone dafür gesorgt hat, das Kapital dort abgezogen wurde, wo es schlecht verwaltet wurde. Mit der Einführung des digitalen Euro würde auch der letzte Anreiz – der Scheinvertrag von Maastricht [die sogenannten Maastricht-Kriterien für eine nachhaltige Fiskalpolitik der EU-Mitgliedsstaaten, Anm. d. Red.] – wird fallen gelassen. Die Politik wird immer Anlässe finden, die Geldmenge auszudehnen, z.B. bei anstehenden Wahlen. Der Prozess der Monetarisierung von Schulden wird sich weiter beschleunigen. Seit sechs Jahren werden neue Bonds aus Südeuropa nur noch von der EZB gekauft. Dadurch käme mehr Geld ohne produktiven Hintergrund in die Märkte, aber weniger Güter und Dienstleistungen. Das ist hochinflationär. Der Mittelstand, der knappe Margen kalkulieren muss, würde dadurch die Berechnungsgrundlage verlieren für Zeiträume, die über das Quartal hinausreichen.

Zur Person: Thomas Kolbe ist Pressesprecher für Nordrhein-Westfalen des Bundesverbands Mittelständische Wirtschaft (BVMW). Darüber hinaus ist er selbst als Unternehmer tätig und führt eine Medienagentur. Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft – Unternehmerverband Deutschlands e. V. (BVMW) ist ein Spitzenverband der mittelständischen Wirtschaft mit Sitz in Berlin und vertritt berufs- und branchenübergreifend sowie parteipolitisch unabhängig die Interessen der mittelständischen Wirtschaft in Deutschland.

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