Deutschland

Abschaffung des Bargeldes: Lindner fordert rasche Einführung des digitalen Euro

Finanzminister Lindner wirbt offensiv für digitale Zentralbankwährungen (CBDC). Die Einführung des digitalen Euro sollte als „großer Innovationsschub“ genutzt werden. Scharfe Kritik an Lindners Vorstoß kommt aus Wirtschaft und Wissenschaft.
Autor
08.11.2022 14:00
Lesezeit: 3 min

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) veröffentliche am Montag eine Stellungnahme auf Twitter, in der er in ungewöhnlich offensiver Art für die Einführung digitaler Zentralbankwährungen (CBDC) warb. Europa müsse dabei eine Vorreiterrolle einnehmen und den digitalen Euro schnell einführen, so Lindner.

Lindner fordert schnelle Einführung des digitalen Euro

„Die Einführung eines digitalen Euro sollten wir für einen großen Innovationssprung nutzen: Digitales Bargeld kann unseren Alltag leichter machen & ein Wachstumsmotor für die Wirtschaft sein. Ein Selbstläufer ist das aber nicht, wie ich eben in Brüssel deutlich gemacht habe“, so Lindner in einer Stellungnahme auf Twitter.

Als größte Hürde für die Einführung des digitalen Euro sieht Lindner die Akzeptanz in der Bevölkerung. Damit diese das digitale Zentralbankgeld als gleichwertigen Ersatz für Scheine und Münzen akzeptiere, müsse die Privatsphäre der Bürger dabei geschützt bleiben. „Personen- und Transaktionsdaten bei alltäglichen Transaktionen dürfen also nicht gespeichert werden. Die Bekämpfung von Geldwäsche sollte risikoorientiert erfolgen, aber nicht mit Generalverdacht in der Breite“, so der FDP-Politiker weiter.

Danach pries der Finanzminister den digitalen Euro als Innovationsschub für Europa. „Digitales Bargeld [kann] dann Fortschritt bringen, wenn es programmierbar ist und mit innovativen Anwendungen privater Anbieter verbunden wird“, so Lindner weiter. „Wenn der digitale Euro also eine Art Plattform darstellt, wird es zum Beispiel viel Startups geben, die zusätzlichen Nutzwert entwickeln, den wir heute noch gar nicht bedenken können. Es muss dafür gelingen, dass Europa einmal technologisch ‚cutting edge‘ ist.“

Scharfe Kritik aus Wirtschaft und Wissenschaft

Die Reaktionen auf Lindner Forderung fielen fast ausschließlich negativ aus. Viele Twitter-Nutzer wiesen den Finanzminister immer wieder auf den Widerspruch „digitales Bargeld“ hin. Andere machten darauf aufmerksam, dass ein Großteil des Bezahlverkehrs schon jetzt bargeldlos abläuft und fragten sich daher, worin der Mehrwert einer digitalen Zentralbankwährung liegen solle.

Deutliche Kritik kam von Peter Bofinger. Bofinger ist Ökonom und VWL-Professor an der Uni Würzburg. Zwischen 2004 und 2019 war außerdem als „Wirtschaftsweise“ im Sachverständigenrat zu Wirtschaftsfragen der Bundesregierung. Als direkte Reaktion auf Lindners Stellungnahme schrieb Bofinger auf Twitter:

„Der digitale Euro wird ein Flop. Digitales Bargeld ist so unattraktiv wie alkoholfreier Wein. Bargeld wird geschätzt, weil es physisch ist. Wein wird geschätzt, weil er Alkohol enthält. Europa braucht eine Alternative zu PayPal, keinen digitalen Euro.“ Der Ökonom verwies zudem auf eine von ihm mitverfasste Studie, in der der Mehrwert digitaler Zentralbankwährungen in Frage gestellt wird.

Scharfe Kritik an Lindners Vorstoß kam aus der Wirtschaft. Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) – Kernklientel von Lindners FDP – griff die Idee digitaler Zentralbankwährungen direkt an. „CBDC sind das Ende bürgerlicher Freiheit und das monetäre Fundament des Schnüffelstaats – der Traum aller Etatisten und Freiheitsfeinde“ so Landespressesprecher Thomas Kolbe auf Twitter.

„Wir Bürger werden alle Kräfte mobilisieren müssen, um diesen Angriff auf unsere Souveränität abzuwehren. Der Staat wird zunehmend übergriffig, dreist in seinem Kontrollwahn und absurd in der Absicht, alles steuern zu können“, so Kolbe weiter. „Historisch sind sozialistische Gebilde immer gestürzt.“

Lindner rudert nach heftigen Reaktionen zurück

Auf Nachfrage der DWN beim Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) sagte Landespressesprecher Thomas Kolbe: „Die CBDC bergen ein fundamentales Problem, da sie dem Staat die Option einräumen, auf einfachste Weise zu inflationieren. Außerdem stellen sie die Unternehmen vor ein großes Problem, denn sie verlieren die Kalkulationsbasis ihrer Wirtschaftsrechnung.“

Die überwiegend negativen Reaktionen veranlassten den Finanzminister zu einer weiteren Stellungnahme. „Es ist keine Rede davon, das Bargeld abzuschaffen. Im Gegenteil, wir arbeiten daran, dass der geplante digitale Euro in Sachen Privatheit dieselben Eigenschaften hat wie der gedruckte und geprägte Euro.“ Doch auch hier fielen die Reaktionen überwiegend negativ aus. Viele Bürger zeigten sich besonders enttäuscht darüber, dass der Vorstoß ausgerechnet von einem FDP-Politiker ausging.

Weltweit arbeiten viele Regierungen an der Einführung digitaler Zentralbankwährungen (CBDC) – darunter Australien, Japan, China, die EU und die USA. Die geplante Einführung stößt immer wieder auf Kritik, sowohl von Bürgern als auch aus der Finanzindustrie selbst. Die Finanzindustrie fürchtet, digitales Zentralbankgeld könne künftig Bankruns erleichtern, da Bankkunden ihre Ersparnisse in Krisenzeiten bei Privatbanken abziehen und in das vermeintlich sichere Zentralbankgeld anlegen.

Datenschutzverbände und Bürgerinitiativen fürchten dagegen eine Abschaffung der Anonymität durch die Abschaffung von Bargeld. Der Staat hätte dann vollen Zugriff auf die Finanzaktivitäten eines jeden Bürgers. Das würde staatlichem Machtmissbrauch Tür und Tor öffnen. Sie fürchten darüber hinaus, der Staat könne systemkritische Bürger mittels CBDC vom Zugang zu Finanzdienstleistungen abschneiden.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Mithilfe des GENIUS Act und grüner Energie ermöglichen wir ein neues, konformes, sicheres und umweltfreundliches digitales Vermögenserlebnis.

Sind Sie es leid, jeden Tag den Markt zu beobachten? Erfahrene Anleger nutzen die IOTA Miner-App, um jeden Tag ganz einfach ein passives...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Höhere Steuern für Superreiche? Erbschaftssteuer und Vermögenssteuer sollen steigen
04.08.2025

Bund, Länder, Kommunen und der Finanzminister stehen unter Druck: In der Haushaltskasse klafft bis 2029 eine Finanzlücke von rund 172...

DWN
Finanzen
Finanzen Aktien Frankfurt: DAX-Kurs steigt nach Rückschlag – Erholung oder Teil einer ausgewachsenen Korrektur?
04.08.2025

Der DAX-Kurs startet mit einer leichten Erholung in die Woche – doch wie belastbar ist diese Bewegung? Trotz positiver Impulse bleiben...

DWN
Politik
Politik Bürgergeld: Milliardenkosten durch ukrainische Geflüchtete?
04.08.2025

Die Ausgaben für das Bürgergeld steigen – und mit ihnen die politische Debatte um Gerechtigkeit und Sanktionen. SPD und Union verlangen...

DWN
Politik
Politik Wirtschaftsministerin Reiche über Gaskraftwerke: Keine Benachteiligung im Osten
04.08.2025

Ostdeutschland befürchtet Nachteile beim Bau neuer Gaskraftwerke – doch Wirtschaftsministerin Reiche sieht keinen Grund zur Sorge. Trotz...

DWN
Finanzen
Finanzen Europas Autobranche taumelt: Margen brechen ein, Verluste steigen, Auto-Aktien im Minus – was das für Anleger bedeutet
04.08.2025

Europas Autokonzerne geraten unter Druck: Margen schrumpfen, Zölle beißen, Elektromodelle floppen – und selbst Branchenriesen wie...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis profitiert von schwächelndem Aktienmarkt: Nächstes Ziel 4.000 US-Dollar?
04.08.2025

Der Goldpreis bleibt stabil auf hohem Niveau, während Aktienmärkte wanken, Zinsen fallen und Trump erneut für Chaos sorgt. Anleger...

DWN
Politik
Politik ESG-Bericht: EU-Leitlinien zur freiwilligen Nachhaltigkeitsberichterstattung für KMU
04.08.2025

Die EU verspricht Vereinfachung, doch ihre neue ESG-Empfehlung für KMU entpuppt sich als handfeste Berichtspflicht: 72 Seiten Vorgaben,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Eurozone: Sentix-Konjunkturindex überrascht mit Rückgang
04.08.2025

Die wirtschaftliche Stimmung in der Eurozone trübt sich wider Erwarten ein – ein überraschender Rückgang beim Sentix-Konjunkturindex...