Unternehmen

Ifo-Institut meldet Entspannung, doch Verbände warnen: Die Lage bleibt ernst

Lesezeit: 2 min
12.09.2023 15:32  Aktualisiert: 12.09.2023 15:32
Das angesehene Ifo-Institut meldet eine spürbare Entspannung bei den Lieferengpässen. Doch was auf den ersten Blick wie eine tröstliche Nachricht aussieht, könnte der Vorbote einer größeren Krise sein.
Ifo-Institut meldet Entspannung, doch Verbände warnen: Die Lage bleibt ernst
Trotz erster hoffnungsvoller Meldungen ist die Rezession noch nicht vorbei (Foto: dpa)

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Das Ergebnis der Umfrage für den August bei den Unternehmen in Deutschland des in München ansässigen Institut für Wirtschaftsforschung Ifo verspricht Tröstliches: Abermals entspanne sich die Lage bei den Lieferengpässen, die Unternehmen in Deutschland leiden nun spürbar weniger unter dem Materialmangel, der sie zuvor so belastet hatte.

So meldet das Ifo-Institut im August, dass nur noch 24,4 Prozent der befragten Unternehmen unter Materialmangel litten, das sind 5,1 Prozent weniger als noch im Juli. Besonders hoffnungsvoll stimme es, dass erstmals seit zwei Jahren der Wert in allen Branchen unter 50 Prozent liege, erklärt der Autor der Ifo-Studie, Klaus Wohlrabe.

Demnach sei noch am verbreitetsten der Mangel in der Autoindustrie mit gut 49 Prozent der Firmen, gefolgt vom Maschinenbau mit 40. Bei Datenverarbeitungsgeräten waren es 39 und bei elektrischen Ausrüstungen 31 Prozent. Die niedrigsten Werte stellte das Ifo im Papiergewerbe mit zwei, der Herstellung von Holz-, Flecht-, Korb- und Korkwaren mit drei und der Metallerzeugung und -bearbeitung mit vier Prozent fest. Die Chemische Industrie ist mit gut sieben Prozent auch nur noch leicht betroffen.

Trügerische Entspannung

Doch, was auf den ersten Blick so hoffnungsvoll stimmt, könnte bei genauerer Betrachtung der Ausdruck einer anderen krisenhaften Entwicklung sein. Matthias Bianchi vom Deutschen Mittelstands-Bund gibt gegenüber den Deutschen Wirtschaftsnachrichten zu bedenken, dass die Meldung des Ifo-Instituts „nur sehr bedingt ein Grund zum Jubeln“ sei. Vielmehr gehe diese nicht in erster Linie auf robustere und bessere Lieferketten zurück, sondern gehe „simpel mit einer Abschwächung der Nachfrage“ einher.

Diese Einschätzung wird gestützt durch eine Untersuchung des Bundeswirtschaftsministeriums: Das Ministerium kommt in der Einschätzung der konjunkturellen Lage in Deutschland zu dem Ergebnis, dass sich Deutschland immer noch in einer „technischen Rezession“ befinde. So wirkten die „Belastungen aus den Energiepreissteigerungen, der weltwirtschaftlichen Schwäche und den ungünstigeren Finanzierungsbedingungen“ immer noch nach. Zudem befinde sich immer noch das Konsumklima auf einem niedrigen Niveau, weil die hohe Inflation den Konsum belaste. Letztlich sei, so das Bundeswirtschaftsministerium in seiner aktuellen Einschätzung, auch kurzfristig nicht mit einer Besserung der Lage zu rechnen. Jüngste Erhebungen des Geschäftsklima-Index deuten auf eine weniger positive Entwicklung hin: „Die konjunkturelle Erholung in Deutschland scheint sich weiter zu verzögern“, so der Befund des Ministeriums.

Verfrühte Entwarnung

Auch die Vereinigung der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg hält eine Entwarnung noch für verfrüht. Ihr Sprecher Carsten Brönstrup, erklärt gegenüber den Deutschen Wirtschaftsnachrichten, dass sich zwar die Verfügbarkeit von Material insgesamt etwas verbessert habe, jedoch ausgerechnet die Branchen, die aufgrund ihrer hohen Wertschöpfung für die deutsche Volkswirtschaft von besonderer Bedeutung seien, immer noch unter einem akuten Materialmangel litten. Besonders betroffen sei vor allem die Automobilindustrie in Deutschland. Die Automobilindustrie beschäftigt in Deutschland unmittelbar und mittelbar rund drei Millionen Menschen und erwirtschaftet einen Jahresumsatz von mehr als 400 Milliarden Euro. „Für Entwarnung ist es aus unserer Sicht noch zu früh“, so Brönstrup gegenüber den DWN.

Auch das Institut der Deutschen Wirtschaft sieht die Lage derzeit noch sehr kritisch. In einer Untersuchung kommen die Ökonomen des arbeitgebernahen Instituts zu der Diagnose, dass die Unternehmen zwar inzwischen weniger durch Materialengpässe als vielmehr durch Strom, Gas- und Lohnkosten belastet sehen. Der Autor der Studie des Instituts, Michael Grömling, kommt zu dem Schluss, dass sich die Deutsche Industrie mit historisch schlechten Rahmenbedingungen konfrontiert sehe, es sei deshalb vor diesem Hintergrund wenig verwunderlich, dass rund 40 Prozent der Unternehmen mit einem Produktionsrückgang rechnen, so Grömling.

 


Mehr zum Thema:  

 

DWN
Politik
Politik DWN-Interview mit Ex-Militärberater Jörg Barandat: Die Welt ist im Wasserkampf
20.05.2024

Jörg Barandat war unter anderem militärischer Berater im Auswärtigen Amt sowie Dozent für Sicherheitspolitik an der Führungsakademie...

DWN
Politik
Politik DWN-Interview mit Ex-Militärberater Jörg Barandat: „Wasser und Energie sind untrennbar miteinander verbunden.“
19.05.2024

Wasser sollte nicht getrennt von anderen Faktoren wie Energie und Klima betrachtet werden, sagt Jörg Barandat, langjähriger Berater...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Im Sog der Krise: Chinas Immobilienbranche unter Druck
19.05.2024

Seit einigen Jahren belastet die Immobilienkrise China und beeinträchtigt das wirtschaftliche Wachstum. Die Geduld vieler Gläubiger...

DWN
Politik
Politik Absturz des Präsidentenhubschraubers im Iran: „Alle Insassen sind tot“
19.05.2024

Ein Hubschrauber mit Irans Präsident Raisi und Außenminister Amir-Abdollahian ist abgestürzt. Die Insassen sind tot. Es wirft Fragen zur...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft EU-Kommission unterstützt Lausitz: Auf dem Weg zum "Netto-Null-Valley"
19.05.2024

Wie kann man ohne die Freisetzung von Treibhausgasen produzieren? Das Kohlerevier in der Lausitz strebt danach, als Modellregion in Europa...

DWN
Politik
Politik 75 Jahre Europarat: Ein Jubiläum in turbulenten Zeiten
19.05.2024

Der einst stolze Europarat feiert sein 75-jähriges Bestehen, doch das Jubiläum findet inmitten von Krisen und Unsicherheit statt,...

DWN
Finanzen
Finanzen P2P-Kredite als alternative Geldanlage: Chancen und Risiken
19.05.2024

P2P-Kredite sind eine aufstrebende Anlageklasse, die Privatpersonen ermöglicht, direkt in den Kreditbedarf anderer Privatpersonen zu...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Vom Erfolg zur Krise: Wie Adidas seine Dominanz im Sportmarkt verlor
19.05.2024

Adidas, einst ein Riese im Sportmarkt, kämpft nach katastrophalen Kooperationen und einem Börsenabsturz gegen den Aufstieg von Nike. Mit...