China dominiert die kritischen Metalle der Energiewende. Das Reich der Mitte hat derzeit zwar große Probleme in seinem Bau- und Immobiliensektor, verfügt aber langfristig über starke Trumpfkarten im Spiel der globalen Transformation zu einer energetisch nachhaltigeren Wirtschaft.
China repräsentiert laut Zahlen der Internationalen Energieagentur (IEA) einen Anteil von grob 80 Prozent im Herstellungsprozess von Solarzellen und rund 60 Prozent bei Windturbinen. In der gesamten Lieferkette beim Bau von Elektroautos machen chinesische Konzerne über 70 Prozent aus.
Chinas Marktmacht bei kritischen Metallen
Wie sieht das im Detail aus? Zum Beispiel dominiert China die Herstellungsketten bei Kobalt und Lithium. Die Industriemetalle werden auch in herkömmlichen Akkus verwendet, aber mengenmäßig relevanter sind Batterien für Elektroautos, wo Lithium und Kobalt in der Größenordnung von je 10 Kilogramm pro Fahrzeug verbaut werden. An dieser Stelle sei erwähnt, dass Innovationen wie die LFMP-Batterien der chinesischen Batteriefirma Gotion ohne Kobalt auskommen und neuartige Salz-Batterien (etwa von CATL) auch kein Lithium mehr brauchen.
China sitzt dabei gar nicht so sehr auf den Rohstoffen selbst, denn im Land befinden sich fast keine Kobalt-Reserven und Lithium wird noch viel mehr in Australien und Chile gefördert. Die Dominanz basiert auf den nachgelagerten Verarbeitungsstufen. IEA-Daten zufolge befinden sich rund 60 bis 70 Prozent der weltweiten Produktionskapazitäten für die Veredelung von Lithium und Kobalt in China. Ähnliches gilt für Nickel und das in sämtlichen erneuerbaren Energieformen benötigte Kupfer. Der Verfeinerungsprozess konzentriert sich im Reich der Mitte.
Bei Graphit, welches das Hauptmaterial in den Anoden der allermeisten EV-Batterien darstellt, kontrolliert man sogar die ganze Wertschöpfungskette. Circa 80 Prozent des natürlich und synthetisch gewonnenen Graphits kommt aus China und 25 Prozent der globalen Reserven lagern dort. Nicht zu vergessen ist Aluminium, das unter anderem in Windkraft- und Photovoltaik-Anlagen gebraucht wird: China steht für mehr als 50 Prozent der Produktion und Veredelung eines der am meisten verwendeten Industriemetalle. Auch das eher unbekannte Metall Indium wird vorwiegend in China abgebaut – „grüne“ Verwendung findet es in Solarzellen.
Seit Jahren diskutiert ist die starke Abhängigkeit von China im Bereich der Seltenen Erden (REE). So wird eine Gruppe von seltenen Metallen - zum Beispiel „Scandium“, „Neodym“ und „Cerium“ - bezeichnet, die unter anderem in Elektrobatterien, Mikrochips und Windrädern verbaut werden. Mit einer jährlichen Fördermenge von 210.000 Tonnen ist China mit großem Abstand Marktführer, wie Zahlen des „US Geological Survey“ belegen. Erst weit dahinter kommen die USA (43.000 Tonnen) und Australien (18.000). Langfristige Konkurrenz könnte der südliche Nachbarn Vietnam (4.000 Tonnen) darstellen. Dort lagern mit rund 22 Millionen Tonnen hinter China (40 Millionen Tonnen) die zweitmeisten Reserven an seltenen Metallen weltweit. Chinas Dominanz in den Lieferketten für grüne Technologien ist so groß, dass man auch die relativ geringen Mengen seltener Erden aus anderen Ländern zu großen Teilen zur Weiterverarbeitung importiert.
Rohstoffmacht „noch stärker als es scheint“
China ist bei weitem der kostengünstigste und größte Lieferant von vielen der wichtigsten Materialien und Bauteile, die für saubere Technologien benötigt werden. Das dürfte vorerst auch so bleiben. China ist ein rohstoffreiches Land, das wie verrückt in neue Minen investiert, nicht zuletzt auch aus strategischen Motiven. Solarzellen gibt es nirgendwo sonst auf der Welt in vergleichbarer Qualität zu Chinas Niedrigpreisen. Im Batteriebereich sind die Chinesischen inzwischen Technologieführer und haben einen gewaltigen Entwicklungsvorsprung aufgebaut.
Nikhil Bhandari, Co-Leiter des Forschungsteams für natürliche Ressourcen und saubere Technologien im asiatisch-pazifischen Raum bei Goldman Sachs, sagte gegenüber der Financial Times, Chinas Rohstoffmacht sei sogar „noch stärker als es scheint“. Das liege an den Kapitalbeteiligungen chinesischer Unternehmen an ausländischen Bergbaufirmen. Als prominente Beispiele nennt der Analyst den Metallkonzern Huayou Cobalt, den Autohersteller BYD und dem Batteriegiganten CATL.
In der ersten Jahreshälfte wurden in Übersee Investitionen und neue Verträge im Bergbau- und Metallsektor in Höhe von umgerechnet mehr als 10 Milliarden Dollar getätigt, so ein Bericht des „Green Finance & Development Center“ der Fudan Universität in Shanghai. Diese Zahl ist höher als die Gesamtsumme für das Jahr 2022 und am Ende des Jahres 2023 dürfte die Rekordsumme von 2018 (17 Milliarden Dollar) geknackt werden.
Gallium: China hat de facto ein Monopol auf das seltene Hightech-Metall
US-Behörden haben China als führenden Produzenten von mindestens einer Stufe der Lieferkette bei 35 der 50 mineralischen Rohstoffe identifiziert, deren Versorgung die Vereinigten Staaten für ihre nationale Sicherheit und Hightech-Produktion als kritisch eingestuft haben. Bei einigen Materialien, die in Batterien und anderen Nischenprodukten verwendet werden, ist China ohne jegliche Konkurrenz. Hier ist besonders Gallium zu nennen – ein seltenes silbriges Metall, das vor allem als Nebenerzeugnis bei der Aluminiumverarbeitung aus Bauxit anfällt.
Es wird zum Beispiel in E-Autos, Mikrochips, Satelliten- und Radarsystemen verwendet. Zu den Anwendungen in der Leistungselektronik schreibt der britische Telegraph: „Die Galliumtechnologie macht es viel billiger, von Gleichstrom auf Wechselstrom umzuschalten, was weitreichende Auswirkungen auf die Effizienz von Elektrofahrzeugen, Solarzellen, Datenzentren oder intelligenten Stromnetzen hat.“ Galliumnitrid-Chips operieren deutlich effektiver als etwa solche aus Siliziumkarbid. Konkrete Anwendungen finden sich deshalb auch für neueste Mobilfunkstandards (5G, 6G) und in modernsten militärischen Waffensystemen.
Laut dem Washingtoner „Center for Strategic and International Studies“ (CSIS) produziert China 98 Prozent des weltweiten Angebots an Rohgallium. Bei gereinigtem Gallium, das erst in dieser Form in der Industrie verwendet werden kann, sinkt der Anteil auf 80 Prozent, aber ohne Zugang zum Rohmaterial gibt es keine Versorgung mit industriellem Gallium.
Chinas Kontrolle über den (grünen) Technologiesektor macht den Rest der Welt zunehmend nervös. Die USA haben mittlerweile weitreichende Beschränkungen für den Verkauf von Computerchips an chinesische Unternehmen beschlossen. Im Juli reagierte Peking mit Beschränkungen für die Ausfuhr von Gallium und Germanium.
Gallium wird in den USA militärisch eingesetzt, unter anderem in der nächsten Generation von Raketenabwehr- und Radarsystemen. „Galliumnitrid ist die Grundlage für fast alle von uns produzierten Spitzentechnologien im Verteidigungsbereich“, erklärt Colin Whelan, Leiter der Abteilung für fortschrittliche Militärprojekte beim US-Rüstungskonzern Raytheon, gegenüber dem Telegraph.
CSIS zufolge ist Chinas dominante Marktstellung in der Gallium-Produktion kein rein marktwirtschaftliches, sondern auch ein strategisches Phänomen. Demnach zwang die Regierung heimische Aluminiumhütten dazu, Galiumraffinerie-Kapazitäten aufzubauen. Von 2005 bis 2015 stieg die chinesische Produktion des silbrigen Metalls um das 20-fache, auch dank indirekter Subventionierung über Staatsbanken. Dadurch wurde der Weltmarkt überschwemmt und die Konkurrenz verdrängt. China hat inzwischen nahezu ein Monopol über die Lieferkette und verarbeitende Industrie von Gallium erlangt.
Pikanterweise hat das Pentagon im Zuge der neuen chinesischen Handelsbeschränkungen zugegeben, dass es über keine Gallium-Reserven verfügt. Das US-Verteidigungsministerium verfüge nur über eine strategische Reserve beim Schwestermetall Germanium. Auch hier ist China übrigens (vor Russland) unangefochtener Marktführer. Das leitet sich aus einer dominanten Position im Markt für Zink ab, wo rund ein Drittel der globalen Förderung in China passiert. Germanium wird vorwiegend als Nebenprodukt bei der Zink-Förderung gewonnen. Zink wiederum ist ein wichtiger Baustein für Windräder und kann auch in Solaranlagen zum Einsatz kommen.