Kupfer steht durch die Energiewende vor einem neuen Superzyklus, schreibt der Metallexperte Andy Home für Reuters. Aber es kämpfe zugleich damit, den alten chinesischen Superzyklus hinter sich zu lassen.
China war womöglich der entscheidende Preistreiber für Kupfer in den letzten zwei Jahrzehnten. Große Bauvorhaben und Infrastrukturprojekte erforderten große Mengen an Kupfer. So viel, dass China den Bedarf bei weitem nicht aus dem Inland decken konnte. Dort wird zwar auch jede Menge abgebaut, aber das allermeiste Kupfer stammt aus Chile. In China konzentriert sich hingegen der Verfeinerungsprozess.
Nun ist der Boom vorerst vorbei. Der chinesische Immobiliensektor strauchelt und nicht zuletzt deshalb auch die Gesamtwirtschaft, die zu 30 Prozent vom Bausektor getragen wird. Der überschuldete private Bauträger „Country Garden“ befindet sich etwa in großen finanziellen Schwierigkeiten und die ausbleibenden Zahlungen für Anlageprodukte von „Zhongrong International Trust“ verdeutlichen die Ansteckungsgefahr für Chinas 3-Billionen-Dollar schweren Schattenbankensektor. Peking versucht, den Sektor zu stützen. Die Regierung pumpt im großen Stil Geld in den angeschlagenen Markt, senkt Steuern und Zinsen, aber der Trend nach unten scheint ungebrochen. Die Bautätigkeit ist abgekühlt, die Häuser-Nachfrage in den Großstädten bricht ein und die Immobilienpreise gehen steil nach unten.
Der Kupferpreis pendelt seit vielen Jahren in einer groben Bandbreite zwischen 2 und 4 Dollar je Pfund (ungefähr 4.400 bis 8.800 Dollar je Tonne). Zuletzt konnte sich der Preis wieder etwas stabilisieren, wohl vor allem weil China weitere Zinssenkungen und Infrastruktur-Investitionen beschlossen hat. So mancher Marktbeobachter hatte noch Ende 2021 das große Kupfer-Zeitalter ausgerufen, seitdem läuft der Preis seitwärts mit Tendenz nach unten.
„Alte und neue Preistreiber konkurrieren miteinander“, fasst es Home zusammen. Was ist dominanter: Der endende China-Bauzyklus oder der neue grüne Superzyklus? Wird der Kupferpreis letztlich nach oben oder nach unten ausbrechen? Der Metallexperte meint: Selbst die großen Fondsmanager haben keine Antwort auf diese Frage. Home verweist darauf, dass die von Investmentfonds an der Londoner Metallbörse (LME) gehaltenen Short-Kontrakte (Wetten auf oder Absicherung gegen fallende Preise) am 11. August den höchsten Wert seit Beginn der Veröffentlichung dieser Daten erreichten. Dem stand ein teilweise noch höheres Volumen an Long-Kontrakten (Setzen auf steigende Preise) der Profis gegenüber.
Ohne Kupfer keine Energiewende
Kupfer zeichnet sich durch eine exzellente Leitfähigkeit von Strom und gute Leitfähigkeit von Wärme aus und lässt sich einfach verarbeiten. Darüber hinaus ist es hitzeresistent, korrosionsbeständig und sehr langlebig. Diese Eigenschaften machen das Metall zu einem unersetzlichen Bestandteil in zahlreichen Industrien wie Maschinen- und Rohrleitungsbau, Elektrotechnik und Telekommunikation. Es kann nur geringfügig durch andere Industriemetalle wie Aluminium ersetzt werden. Viele Zukunfts-Technologien, die wir heute noch gar nicht kennen, dürften auch Kupfer benötigen.
Kupfer-Legierungen werden für die Herstellung, Speicherung und den Transport erneuerbarer Energien benötigt und sind damit ein integraler Bestandteil für die Energiewende. Allein in einem Elektroauto sind durchschnittlich bis zu 70 Kilogramm Kupfer verbaut und somit knapp dreimal so viel wie in einem herkömmlichen PKW.
Was Kupfer von anderen „grünen“ Industriemetallen unterscheidet, ist die Tatsache, dass es bei fast allen erneuerbaren Energieerzeugungs-Methoden gebraucht wird. Der Bau von Solar- und Windkraftanlagen verbraucht bis zu sechsmal mehr Kupfer als bei konventionellen Kraftwerken. In Wärmepumpen wird häufig Kupfer verbaut. Es wird auch in Wasserkraftwerken und Geothermie-Anlagen eingesetzt. Sogar im Wasserstoff-Bereich existieren neuartige Anwendungen; Forscher experimentieren in Brennstoffzellen mit Katalysatoren aus Kupfer anstelle der heutigen viel kostenintensiveren Legierungen aus Platin und Iridium.
Goldman Sachs erwartet, dass die weltweite Elektrifizierung bis 2030 zusätzliche 5,4 Millionen Tonnen an Kupfer erfordern würde – das sind rund 16 Prozent der gegenwärtigen Nachfrage. Im letzten Jahrzehnt ist jedoch im Durchschnitt pro Jahr nur ein Mehrangebot von 500.000 Tonnen auf den Markt gekommen. Bleibt das so, würde sich demnach perspektivisch ein massives Angebots-Defizit ergeben. Daraus leitet die Investmentbank ein kurzfristiges Kursziel von 10.500 Dollar je Tonne ab, langfristig prognostiziert man 15.000 Dollar.
Auch anderen Expertenmeinungen zufolge wurde in den letzten Jahren zu wenig in die Kupfer-Förderung investiert. Nach Einschätzung des Beratungsunternehmens „Wood Mackenzie“ wird die Nachfrage bereits 2026 das Angebot übersteigen. Die Internationale Kupferorganisation (ICA) rechnet derweil mit einem Kupfer-Bedarf von über 50 Millionen Tonnen bis 2050, etwa doppelt so viel wie heute.
Zudem ist das Angebot nur begrenzt flexibel und reagiert erst stark zeitverzögert auf Preisbewegungen. Eine neue Kupfermine ist ein langwieriger und kostspieliger Prozess, der bis zur Inbetriebnahme fünf bis zehn Jahre in Anspruch nimmt. Außerdem werden in Chile die Umweltvorschriften schärfer und man plant die Einführung einer Lizenzgebühr (1 Prozent vom Umsatz) und Gewinnsteuer (8 bis 26 Prozent) für Kupferproduzenten, was das Angebot zusätzlich unter Druck bringen sollte.
Mit Stanley Druckenmiller, Ex-Partner von George Soros Hedgefonds „Quantum“, ist eine absolute Investment-Legende bullish auf Kupfer. Der Investor verweist zwar darauf, dass er zum aktuellen Zeitpunkt ungerne Kupfer halten würde, weil eine harte Wirtschaftslandung bevorstehe, die das prozyklische Metall verbilligen dürfte. Aber langfristig, im Hinblick auf die Elektrifizierung des Automobilsektors und den voraussichtlich kommenden großen Infrastruktur-Ausgaben der Staaten, sei es „schwer zu glauben, dass Kupfer nicht ein großer Nutznießer sein wird“, so Druckenmiller in einem Gespräch mit der Sohn Conference Foundation.
Bergbaufirmen positionieren sich
Der Kupfer-Trend scheint unaufhaltsam zu sein. Das veranlasst große Bergbaufirmen wie Rio Tinto dazu, ihre Strategie zu überdenken. Der Metallförder-Konzern, der übrigens zu rund 50 Prozent von der Nachfrage aus China abhängt, erwirtschaftet den Löwenanteil seiner Umsätze und Gewinne mit dem Abbau von Eisenerz. Nun soll gezielt die bereits hochprofitable Kupfer-Sparte gestärkt werden.
„Ich denke, wir müssen neue Wege gehen“, meint Dominic Barton, Vorsitzender des anglo-australischen Konzerns, gegenüber der Financial Times. Rio möchte mehr in die Exploration und Verarbeitung von Kupfer zu investieren. Außerdem entwickelt das Unternehmen neue Technologien zur Gewinnung von Metallschichten, die vor Jahrzehnten entdeckt wurden, aber als zu tief oder zu riskant für den Abbau galten.
Rio Tinto ist kein kleines Licht im Rohstoffsegment, aber den Kupferabbau dominierten bisher andere Bergbau-Unternehmen – allen voran die chilenisch-staatliche Codelco, BHP und Glencore. Letztere hat sich bisher erfolglos daran versucht, den australischen Minenkonzern „Teck Resources“ (und damit auch dessen Kupfergeschäft) zu übernehmen. BHP wiederum hatte sich im April „Oz Minerals“ für 6,4 Milliarden Dollar einverleibt und damit seine Positionierung im Kupfermarkt verbessert.