Wirtschaft

Diesel wird knapp und teuer

Die Dieselpreise sind in den letzten Monaten in die Höhe geschossen. Hintergrund ist das knappe Angebot. Und Analysten zufolge könnte es im Winter noch schlimmer kommen.
Autor
17.09.2023 17:22
Aktualisiert: 17.09.2023 17:22
Lesezeit: 3 min

Die Ölraffinerien der Welt produzieren nicht genügend Diesel. In der Folge gehen die Preise durch die Decke. An den Rohstoffmärkten in den USA kostete Diesel am Donnerstag über 140 Dollar. Das ist der höchste Stand seit Januar und mehr als jemals zuvor zu dieser Jahreszeit. In Europa sind die Preise seit dem Sommer um 60 Prozent gestiegen. Dies macht sich auch längst auch an den Tankstelle bemerkbar, wo der Kraftstoff seit Mai etwa 30 Cent teurer geworden ist.

Und es könnte noch schlimmer kommen. Denn Saudi-Arabien und Russland haben die Produktion von jenen Rohölsorten gedrosselt, die mehr Diesel enthalten. Am 5. September kündigten die beiden führenden Mitglieder des OPEC+-Bündnisses an, dass sie diese Drosselung der Ölproduktion bis zum Jahresende verlängern wollen, obwohl normalerweise gerade in diesem Zeitraum die Nachfrage nach Diesel anzieht.

"Es besteht die Gefahr, dass der Markt, insbesondere für Destillate, in den Wintermonaten weiterhin angespannt bleibt", zitiert Bloomberg Toril Bosoni, den Leiter der Ölmarktabteilung bei der Internationalen Energieagentur (IEA), und bezog sich dabei auf die Kraftstoffkategorie, zu der auch Diesel gehört. "Die Raffinerien haben Mühe, damit Schritt zu halten."

Die Raffinerien produzieren seit Monaten weniger Diesel als üblich, sodass nun kaum Lagerbestände vorhanden sind. Wegen der Hitze auf der Nordhalbkugel im Sommer arbeiteten viele Anlagen langsamer als normal. Laut Callum Bruce, einem Analysten von Goldman Sachs, gab es für die Anlagen zudem den Anreiz, statt Diesel andere Produkte wie Kerosin oder Benzin herzustellen, wo die Nachfrage stark gestiegen ist.

"Die Gewinnspannen der Raffinerien erreichten im August ein Achtmonatshoch, da die Raffinerien Mühe hatten, mit dem Wachstum der Ölnachfrage Schritt zu halten, insbesondere bei Mitteldestillaten", schreibt die IEA in ihrem September-Bericht. Zu den Mitteldestillaten zählen Diesel, leichtes Heizöl und Kerosin. Die Agentur verweist auf nicht geplante Unterbrechungen, Qualitätsprobleme bei den Rohstoffen, Engpässe in der Lieferkette und niedrige Lagerbestände.

Es gibt aber auch Argumente dafür, dass sich die Dieselkrise wieder entspannen könnte. So nehmen mit dem Herannahen der kühleren Wintermonate auf der Nordhalbkugel die witterungsbedingten Einschränkungen für die Raffinerien insgesamt ab. "Wir sind der Meinung, dass die Gewinnspannen im Moment zu hoch sind", sagt auch Goldman-Analyst Bruce und verweist unter anderem auf die vorübergehende Natur einiger Raffineriestörungen.

Knappes Angebot bei wichtigen Diesel-Exportländern

Die aktuelle Angebotslücke im Dieselmarkt ist auch eine Spätfolge der Corona-Pandemie. Damals wurden weniger effiziente Anlagen stillgelegt, weil die globale Nachfrage stark einbrach. Jetzt, da der Verbrauch wieder an steigt, fehlen sie. Russland, das trotz der westlichen Sanktionen nach wie vor ein wichtiger Diesel-Exporteur ist, hat angedeutet, dass es die Menge des Kraftstoffs, den es auf die Weltmärkte liefert, einschränken will.

China hat vor kurzem eine neue Quote für den Treibstoffexport festgelegt, aber Händler und Analysten in Asien sind der Meinung, dass die derzeit geplante Menge nicht ausreichen wird, um eine Marktverknappung bis zum Ende des Jahres zu verhindern. Die chinesischen Exporte bewegen sich den Großteil des Jahres 2023 in der Nähe des saisonalen Fünfjahrestiefs.

Die geringeren verfügbaren Diesel-Mengen machen sich längst an den wichtigsten globalen Lagerstandorten bemerkbar. Die beobachtbaren Lagerbestände in den USA und Singapur liegen derzeit alle unter dem Niveau, das zu dieser Jahreszeit normal wäre. Die Vorräte in den OECD-Ländern sind niedriger als noch vor einem halben Jahrzehnt, berichtet Bloomberg.

Fehlender Diesel belastet die Konjunktur

Der Anstieg der US-Terminkontrakte ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass Lkw-Fahrer den Kraftstoff aufkaufen. "Diesel ist der Kraftstoff für 18-Rad-LKW, die Produkte von der Fabrik zum Markt transportieren. Wenn die Preise also in die Höhe schießen, werden die höheren Transportkosten an Unternehmen und Verbraucher weitergegeben", sagt Clay Seigle, Direktor des Global Oil Service bei der Rapidan Energy Group.

Während die Hoffnung wächst, dass die US-Wirtschaft eine Rezession vermeiden kann, "könnte ein Anstieg der Energiepreise - ob bei Benzin oder Diesel - einen Großteil dieser Fortschritte untergraben", fügt er hinzu. Steigende Dieselpreise könnten auch Raffinerien dazu veranlassen, dem Kraftstoff auf Kosten der Benzinproduktion Vorrang einzuräumen, sagt er.

Dass die Diesel-Knappheit nicht noch schlimmer war, ist darauf zurückzuführen, dass der Verbrauch nicht so robust war wie bei anderen Erdölproduklten. Im September-Bericht der IEA wurde für dieses Jahr ein Verbrauchswachstum von etwa 100.000 Barrel pro Tag erwartet. Dem stehen fast 500.000 Barrel pro Tag für Benzin und sogar mehr als 1 Million Barrel pro Tag für Flugzeugtreibstoff und Kerosin gegenüber.

"Im Grunde handelt es sich um ein Versorgungsproblem", zitiert Bloomberg Eugene Lindell, den Leiter des Bereichs Raffinerieprodukte beim Beratungsunternehmen FGE. "Die europäischen Raffinerien waren auch nicht in der Lage, ihre Vorräte während des Sommers aufzustocken, weil es zu weit verbreiteten ungeplanten Ausfällen kam, sodass die Lagerbestände vor dem Winter knapp sind."

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Schluss mit Shein und Temu? Europa zieht die Notbremse gegen Billigimporte aus China
17.11.2025

Die EU will die Billigimporte aus China schneller als geplant stoppen. Eine neue Zwei-Euro-Abgabe soll schon 2026 kommen. Plattformen wie...

DWN
Politik
Politik Teilzeit steuerfrei aufstocken? Teilzeitaufstockungsprämie ab 2026 für mehr Arbeitsstunden geplant
17.11.2025

Neben der Aktivrente und Überstundenzuschläge plant die Bundesregierung den Arbeitsmarkt ab 2026 auch für Teilzeitkräfte attraktiver zu...

DWN
Finanzen
Finanzen US-Börsen: Buffett kauft Google, Bitcoin stürzt ab - beginnt jetzt der große Marktumbruch?
17.11.2025

Die Märkte taumeln und die Nvidia-Aktie wird in wenigen Tagen zum Brennpunkt der globalen Finanzwelt. Kleinanleger überraschen die Wall...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Kurs aktuell: Absturz unter 93.500 Dollar verunsichert Anleger – geht der Krypto-Crash weiter?
17.11.2025

Der Bitcoin erlebt turbulente Tage: Kursabstürze, Liquiditätsstress und widersprüchliche Analystenstimmen prägen die Lage. Während...

DWN
Panorama
Panorama Globale Anti-Tabak-Strategien unter Druck: WHO-Konferenz warnt vor Rückschritten
17.11.2025

Eine weltweite Initiative zur Eindämmung von Tabak- und Nikotinprodukten steht vor Herausforderungen: Trotz internationaler Abkommen setzt...

DWN
Finanzen
Finanzen Wachstum unter EU-Durchschnitt: Deutsche Wirtschaft 2026 mit vorsichtiger Erholung
17.11.2025

Die deutsche Wirtschaft startet 2026 voraussichtlich wieder durch, bleibt aber hinter dem europäischen Durchschnitt zurück. Laut der...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Reiche besucht Golfstaaten: Investitionen, Erdgas und Partnerschaften im Fokus
17.11.2025

Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche reist mit einer Wirtschaftsdelegation in die Golfregion, um die bilaterale Zusammenarbeit zu...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB-Vize warnt: KI-Hype könnte Börsenkorrektur auslösen
17.11.2025

EZB-Vizepräsident Luis de Guindos schlägt Alarm: Der aktuelle Boom rund um Künstliche Intelligenz und hoch bewertete US-Tech-Aktien...