Wirtschaft

Ölpreis-Rallye hat noch viel Luft nach oben

Der Ölpreis hat diese Woche seinen Anstieg der letzten Monate weiter fortgesetzt. Hintergrund sind weitere Förderkürzungen wichtiger Förderländer. Vieles spricht für einen Anstieg auf über 100 Dollar.
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05.08.2023 17:47
Aktualisiert: 05.08.2023 17:47
Lesezeit: 4 min
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Saudi-Arabien wird die im Juli eingeleitete Drosselung um 1 Million Barrel pro Tag um einen weiteren Monat bis September verlängern, wie die staatliche saudische Presseagentur mitteilte. Damit wird die Fördermenge bei etwa 9 Millionen Barrel pro Tag gehalten, dem niedrigsten Stand seit mehreren Jahren. Das Königreich hat zudem erklärt, die Drosselung könne noch weiter verlängert oder sogar noch verschärft werden, wie Bloomberg berichtet.

Die Ölpreise haben sich in letzter Zeit erholt und erreichten Anfang dieser Woche in London ein Dreimonatshoch von über 85 Dollar pro Barrel. Denn die jüngste Maßnahme kommt zusätzlich zu den von Saudi-Arabien bereits und den anderen Mitgliedern der OPEC+-Gruppe ergriffenen Förderkürzungen. Die OPEC+ setzt sich aus der Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) sowie Russland und einigen weiteren Produzenten zusammen.

Da die Aussichten für die Weltwirtschaft durch die schwachen Daten aus China und die Angst vor einer Rezession in den USA weiterhin getrübt sind, gibt es in Riad keine Anzeichen für eine Lockerung der bestehenden Förderkürzung. Außerdem könnte das Königreich laut Bloomberg Economics Preise von bis zu 100 Dollar pro Barrel benötigen, um die Staatsausgaben zu decken.

Die jüngste Entscheidung Saudi-Arabiens zur Verlängerung der Drosselung entsprach den Erwartungen von Händlern und Analysten, die Bloomberg letzte Woche befragt hatte. Diese befürchten, dass die steigenden Treibstoffkosten einen weiteren Inflationsschub auslösen und die Zentralbanken bei ihrem Versuch, die Zinserhöhungen zu reduzieren, behindern könnten.

OPEC-Fördermenge eingebrochen

Die Fördermenge der OPEC sank laut einer Bloomberg-Umfrage im Juli um 900.000 Barrel pro Tag auf durchschnittlich 27,79 Millionen pro Tag. Dies ist der stärkste Rückgang, seit die Gruppe und ihre Verbündeten die Lieferungen während der Covid-Pandemie im Jahr 2020 drastisch reduzierten. Die wichtigsten Mitglieder der Gruppe scheinen höhere Ölpreise zu benötigen, um ihre Staatsausgaben zu decken.

Saudi-Arabien förderte demnach im Juli 9,15 Millionen Barrel pro Tag. In Nigeria ging die Förderung um 130.000 Barrel pro Tag auf 1,26 Millionen zurück, da ein Leck im Forcados-Terminal eine Steigerung der Produktion verhinderte. Die Produktion in Libyen sank um 50.000 Barrel pro Tag auf 1,1 Millionen, da ein Protest das Sharara-Ölfeld kurzzeitig zum Stillstand brachte. Die russische Förderung lag mit knapp 3 Millionen Barrel pro Tag auf einem Siebenmonatstief.

Als Saudi-Arabien zu Beginn des Sommers die Ölförderung einseitig um eine zusätzliche Million Barrel kürzte, förderten die meisten anderen OPEC-Mitglieder bereits weniger als die ihnen zugewiesenen Ziele, und eine weitere Reduzierung der Förderung ist unwahrscheinlich. Die Verteidigung des Ölpreises belastet die saudische Wirtschaft. Der Internationale Währungsfonds senkte seine Wachstumsprognosen für das Königreich deutlich auf 1,9 Prozent.

Ein Überwachungsausschuss, der sich aus Saudi-Arabien und anderen wichtigen OPEC+-Staaten zusammensetzt, empfahl auf einer Online-Sitzung am Freitag, keine Änderungen an der Förderpolitik der Koalition vorzunehmen. Dies berichtete einer der Delegierten, der nicht namentlich genannt werden möchte, weil es sich um vertrauliche Informationen handelt, gegenüber Bloomberg.

Wichtige Verbraucherländer haben die Saudis dafür kritisiert, dass sie die Fördermenge drosseln, obwohl die Ölmärkte bereits auf dem Weg zu einer deutlichen Verknappung sind, und davor gewarnt, dass ein erneuter Inflationsschub die Verbraucher noch mehr belasten würde. Unterstützung erhält das Königreich hingegen von seinem OPEC+-Partner Russland, das endlich die Zusagen zur Drosselung seiner Exporte einhält.

Russland verlängert Exportbeschränkungen

Moskau kündigte am Donnerstag an, seine Ausfuhrbeschränkungen auch im September aufrechtzuerhalten, sie jedoch leicht auf nur noch 300.000 Barrel pro Tag zu reduzieren. Das Land pumpt derzeit 9,5 Millionen Barrel pro Tag und erfüllt damit sein Versprechen, die für Export bestimmte Produktion seit März um 500.000 Barrel pro Tag zu reduzieren, sagte der stellvertretende Ministerpräsident Alexander Novak am Freitag gegenüber dem Fernsehsender Rossiya 24.

Der globale Ölmarkt sei "ziemlich stabil" und die Preise befänden sich auf einem "akzeptablen Niveau", so Novak. Russland hatte seine Ausfuhren monatelang auf hohem Niveau aufrechterhalten, um die Öl-Einnahmen trotz aller Sanktionen zu maximieren, aber die Daten der Tankerüberwachung zeigten zuletzt, dass die Lieferungen allmählich zurückgingen.

Die derzeitigen Bemühungen, eine Verknappung des Ölangebots zu bewirken, beschränken sich weitgehend auf Saudi-Arabien und Russland. Mehrere andere Mitglieder von OPEC+ pumpen unter die ihnen zugewiesenen Quoten und wären wegen unzureichender Investitionen und politischer Instabilitäten derzeit auch gar nicht in der Lage, ihre Fördermengen weiter zu senken.

Laut der Erklärung vom Freitag unterstützt der Gemeinsame Ministerielle Überwachungsausschuss (GMMC) sowohl die jüngste Förderkürzung Saudi-Arabiens als auch jene Russlands. Am 4. Oktober will der Ausschuss wichtiger Mitgliedsstaaten von OPEC+ erneut zusammentreffen, während das gesamte 23-Staaten-Bündnis anschließend Ende November tagen soll.

Wie weit kann Saudi-Arabien gehen?

Infolge der jüngsten Ankündigungen zur fortgesetzten Drosselung der Ölföderung notierten die Rohölpreise am Freitag bei 86 Dollar pro Barrel. Dies ist der höchste Stand seit Mitte April. Die Händler scheinen endlich damit zu beginnen, die Angebotswarnungen und Nachfrageprognosen zu beachten, die von Banken und anderen Analysten seit Wochen herausgegeben werden.

Doch wie weit muss der Ölpreis steigen, bis Saudi-Arabien seine Kürzungen zu lockern beginnt. Die saudi-arabische Wirtschaft wuchs im zweiten Quartal des Jahres nur noch um 1,1 Prozent nach 3,8 Prozent im ersten Quartal, obwohl der Nicht-Öl-Sektor des Königreichs eine gesunde Wachstumsrate von 5,5 Prozent verzeichnete. Denn der Anteil des Ölgeschäfts an der Gesamtwirtschaft ist trotz der Diversifizierungsbemühungen Riads nach wie vor überwältigend.

"Das Königreich wird einen lang anhaltenden Anstieg in Richtung 90 Dollar pro Barrel und möglicherweise eine Verbesserung der chinesischen Wirtschaftsdaten erwarten, um in Erwägung zu ziehen, die [freiwillig zurückgehaltene] 1 Million Barrel pro Tag wieder auf den Markt zu bringen", sagte Tamas Varga, Analyst bei PVM Oil Associates, Ende Juli gegenüber Bloomberg.

Ölpreis 100 Dollar?

Ebenfalls Ende Juli aktualisierte Goldman Sachs seine Prognosen zur Ölnachfrage deutlich nach oben, wie Reuters berichtete. Die Bank erklärte, dass die Ölnachfrage im Juli mit 102,8 Millionen Barrel pro Tag einen Rekordwert erreicht habe und dass dies im zweiten Quartal des Jahres zu einem weltweiten Defizit von 1,8 Millionen Barrel pro Tag führen werde.

Unterdessen tat das American Petroleum Institute den Saudis einen großen Gefallen, indem es für die letzte Woche einen geschätzten Rückgang der Lagerbestände um 15,4 Millionen Barrel meldete. Diese enorme Zahl übertraf die Erwartungen der Analysten deutlich, die mit einem weitaus moderateren Rückgang der Bestände um weniger als eine Million Barrel gerechnet hatten. All dies deutet darauf hin, dass die Preise eher früher als später steigen könnten.

Allerdings wäre es unklug, ein abruptes Ende der Kürzungen anzukündigen, da ein solcher Schritt sofort zu einem Preissturz führen würde. Daher ist eine schrittweise Lockerung wahrscheinlicher. Einige Analysten, wie Anfang Juli Amrita Sen von Energy Aspects, haben prognostiziert, dass der Brent-Ölpreis noch vor Jahresende die 100-Dollar-Marke erreichen könnte, und zwar nicht nur wegen der Kürzungen, sondern auch wegen der schrumpfenden Lagerbestände.

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