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So will Deutschland seine Bürokratie abbauen

In einem 17-seitigen Papier, das den Deutschen Wirtschaftsnachrichten (DWN) exklusiv vorliegt, hat eine Arbeitsgruppe aus Bund und Ländern Strategien für schnellere Genehmigungsverfahren und damit einen entscheidenden Schritt zum Abbau der überbordenden Bürokratie beschlossen.
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02.10.2023 15:45
Aktualisiert: 02.10.2023 15:45
Lesezeit: 2 min
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In dem Papier „Pakt für Planungs- Genehmigungs und Umsetzungsbeschleunigung“ heißt es in der Einleitung, dass eine „durchgreifende Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren“ eine zentrale Voraussetzung sei, um die notwendigen Transformationsprozesse in Deutschland umzusetzen. Hierzu bedürfe es „einer nationalen Kraftanstrengung“.

Als eine wesentliche Stellschraube zur Beschleunigung der Genehmigungsverfahren betrachtet die Arbeitsgruppe die bisher unzureichende Dokumentierung von Verfahren und den Ergebnissen von Öffentlichkeitsbeteiligungen. Bisher wurden diese Dokumente ungenügend gesichert, was zur Folge hatte, dass mit jedem neuen Projekt die Verfahren neu begonnen wurden, obwohl es bereits ähnliche oder gar identische Projekte gibt. Zudem sollen, so das gemeinsame Papier, Ergebnisse aus einer Öffentlichkeitsbeteiligung einheitlich standardisiert und maschinenlesbar dokumentiert werden.

Parallele Genehmigungen

Einen weiteren Hebel sieht die Arbeitsgruppe in der Erteilung paralleler Genehmigungen. Das heißt, dass bei Großprojekten die Behörden einzelne Bauabschnitte parallel genehmigen können. Dieser Schritt wird von der Wirtschaft nachdrücklich begrüßt. In einem Gespräch mit den DWN verweist ein hochrangiger Vertreter eines großen Wirtschaftsverbanders auf die aus seiner Sicht positiven Erfahrungen, die man mit der Ansiedlung von Tesla gemacht habe. Von der Verkündung des Firmengründers Elon Musk, in Brandenburg ein Werk bauen zu wollen, bis zu dem Zeitpunkt, and dem der erste Tesla vom Band rollte, waren gerade einmal 861 Tage vergangen. Dies soll, so der Verband, die „künftige Benchmark für andere Großprojekte in Deutschlands werden“.

Ähnlich positiv sieht die Wirtschaft die Einführung einer sogenannten Stichtagsregelung. Eine solche Regel sieht vor, dass der Verwaltung bei Planungs- und Genehmigungsverfahren eine Frist gesetzt wird, bis wann eine Entscheidung zu fällen. Dabei wird der Bund von den Ländern aufgefordert, insbesondere beim Mobilfunkausbau, eine „gesetzliche Genehmigungsfiktion“ einzuführen. Diese besagt, dass eine Zustimmung erfolgt ist, wenn die Frist abgelaufen ist. Gleichzeitig haben sich in der Arbeitsgruppe die Bundesländer darauf verständigt, diese Fristverkürzungsregelungen in ihren jeweiligen Ländergesetze einzuführen.

Einsatz von KI

Auch bei Planungen und Genehmigungen im Bereich von Natur-, Wasser, Arten oder Vogelschutz will Deutschland an Tempo zulegen. So soll ein einheitliches Umweltdatenkataster und eine bundesweit einheitliche Gutachtendatenbank erstellt werden, auf die bei allen folgenden Verfahren zurückgegriffen werden kann. Das Kataster und die Datenbank soll darüber hinaus auch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) ermöglichen und dadurch die Planungs- und Genehmigungszeiten noch weiter verkürzen.

Großen Handlungsbedarf sieht allerdings die Wirtschaft in der Angleichung der unterschiedlichen Landesbauordnungen. Dabei solle mit Nachdruck, so die Forderung, dass das „Open BIM“ schnellstmöglich bundesweiter Standard werden soll. Das BIM (Building Information Modeling), auf Deutsch hat es den sperrigen Begriff „Bauwerksdatenmodellierung“, beschreibt eine Methode der vernetzten Planung, bei der alle relevanten Bauwerksdaten digital modelliert und erfasst werden. Der Vorteil von BIM liegt dabei zum einen in einer deutlich höheren Qualität der Daten, da diese stets auf den neuesten Stand gehalten und immer abrufbar sind. Damit erhöht sich der Informationsaustausch für alle Planungsbeteiligten erheblich. Dies könne aber, so die Autoren des Papiers, „ohne eine flächendeckende und einheitliche Nutzung leistungsfähiger IT-Standards“ nicht erreicht werden.

Ein vages Versprechen

Das Papier, das auf Seiten des Bundes durch den Bundeskanzler und auf Seiten der Länder wesentlich von den Ministerpräsidenten Weil (Niedersachsen) und Wüst (Nordrhein-Westfalen) verhandelt wurde, hat aber nach Meinung der Wirtschaft einen nicht unwesentlichen Schwachpunkt: Am Schluss des Papiers gehen die Autoren auf das Problem ein, dass es ohne ausreichendes qualifiziertes Personal in den Verwaltungen nicht gelingen werde, die vielen Planungs- und Genehmigungsprozesse zu steuern. Sorgen mache auch der Umstand, dass ein signifikanter Anteil der hierzu qualifizierten Beschäftigten in den nächsten zehn Jahren in den Ruhestand geht. Eine angemessene personelle Ausstattung sei aber eine „unabdingbare Voraussetzung für zügige Verfahren“.

Da aber, so die Kritik, bleibe das Papier „reichlich vage“. Da die meisten Planungs- und Genehmigungsverfahren in die Zuständigkeit der Länder und Kommunen fallen, müssten diese ihre Personalausstattung stärken. Zwar verspricht der Bund den Ländern, sie bei dieser Aufgabe zu unterstützen, doch nach Ansicht der Wirtschaft sei dieses Versprechen noch zu unkonkret.

Die in diesem Beschleunigungspakt getroffenen Vereinbarungen sollen möglichst „unmittelbar angegangen“ werden. Hierzu soll zwischen dem Bundeskanzleramt und den Senats- und Staatskanzleien der Länder ein dauerhafter Austausch über die Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen organisiert werden. Erste Ergebnisse sollen bis Anfang nächsten Jahres vorgelegt werden.

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