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Strauchelnde Windbranche gefährdet Klimaziele der EU

Lesezeit: 3 min
04.10.2023 17:53  Aktualisiert: 04.10.2023 17:53
Die Windkraft steckt in der Krise, die ambitionierten Vorgaben der EU rücken in weite Ferne.

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Lieferkettenprobleme, Konstruktionsfehler, höhere Kosten - das Windkraftgeschäft in Europa kämpft derzeit mit mehreren Hindernissen gleichzeitig. Derweil setzen sich Regierungen weltweit - vor allem aber in Europa - ehrgeizige Klimaziele, die nur mit einem raschen Ausbau der erneuerbaren Energien zu erreichen sind - einschließlich Windkraft.

Doch zahlreiche Projekte haben sich verzögert, einige kommen überhaupt nicht zustande. "Wir sehen eine große Lücke zwischen den Zielen für erneuerbare Energien und Windkraft für 2030 und dem Weg, auf dem wir uns gerade befinden. Wir wachsen zwar, aber längst nicht schnell genug", sagt Ben Backwell, Chef des Handelsverbands Global Wind Energy Council.

Der Wettlauf in der Energiewende setzt Hersteller zunehmend unter Druck, mit der steigenden Nachfrage nach sauberer Energie Schritt zu halten. Dies gilt vor allem für die EU, die bis 2030 ihren Anteil an erneuerbaren Energien auf 42,5 Prozent von aktuell 32,0 Prozent hochfahren will. Dies erfordert nach Angaben des Branchenverbands WindEurope 420 Gigawatt (GW) Windenergie, darunter 103 GW Offshore - mehr als das Doppelte der derzeitigen Kapazität von 205 GW, von denen nur 17 GW auf Offshore-Windkraftanlagen entfallen.

In diesem Jahr wurden bereits mehrere Projekte vor den Küsten Großbritanniens, Norwegens und der Niederlande aufgrund steigender Kosten und Lieferkettenprobleme verschoben oder auf Eis gelegt. Zugleich ließ sich in Großbritannien bei der jährlichen Auktion für den staatlich geförderten Ausbau erneuerbarer Energien im September kein Interessent für neue Windparks auf See finden.

Die Regierung in London hatte den Garantie-Preis für den Strom aus Windkraft im Vergleich zur letzten Auktion gesenkt, weshalb Investoren ihre Kosten ohne höhere Subventionen aus London nicht mehr decken können. "Wenn dies zu einer längeren Projektpause führt, werden zweifellos viele der für 2030 gesetzten Ziele unter Druck geraten", sagt Jon Wallace, Investmentmanager bei Jupiter Asset Management.

Grenzen der Physik

Schon bevor sich die EU in diesem Jahr auf ihr neues Vorhaben für erneuerbare Energien einigte, hatten Unternehmen wie Orsted, Shell, Equinor, der Windturbinenhersteller Siemens Gamesa und WindEurope davor gewarnt, dass die Offshore-Windindustrie nicht groß genug sei, um die hoch gesteckten Klimaziele zu erreichen.

In den vergangenen zwei Jahrzehnten konnte die schnell wachsende Branche ihre Technologiekosten so weit senken, dass sie in einigen Teilen der Welt gleichwertig oder sogar billiger als fossile Brennstoffe sind. Doch das hohe Tempo bei der Entwicklung immer größerer und effizienterer Turbinen war möglicherweise zu voreilig, sagen einige Führungskräfte und Analysten.

Die Größe der Turbinen hat sich in jedem Jahrzehnt ungefähr verdoppelt. Die größten Windräder, die 2021 und 2022 in Betrieb gingen, haben 110 Meter lange Flügel und eine Leistung von zwölf bis 15 Megawatt (MW).

Doch je größer sie sind, umso anfälliger sind sie für Störungen, sagt Analyst Rob West von der Beratungsfirma Thunder Said Energy. Das habe physikalische Gründe: Größere Flügel sind schwerer und biegen sich stärker, weshalb sie steifere und teurere Materialien benötigten.

Opfer des Erfolgs

Erste Nebenwirkungen haben bereits ihre Spuren in der Branche hinterlassen. Im Juni hatte Siemens Gamesa seine Kunden und Anleger mit weitreichenden Qualitätsproblemen bei seinen Windturbinen geschockt. Bis alle Probleme behoben sind, könnte es Jahre dauern und mehr als eine Milliarde Euro kosten. "Wir sind ein Opfer unserer Erfolge der letzten Jahre geworden", klagt Siemens-Gamesa-Chef Jochen Eickholt. Der Konzern ist mit den Problemen nicht allein: Auch der weltweit führende Turbinenhersteller Vestas kämpft damit, seine Aufträge vollständig auszuliefern.

Zugleich erhöhen Regierungen auf der ganzen Welt das Tempo bei Auktionsrunden und Ausschreibungen für Meeresbodenlizenzen. Bis Ende 2024 werden weltweit mehr als 60 GW an Offshore-Windkraftverträgen und -pachten zu vergeben sein, wie aus einer Studie von Bloomberg New Energy Finance hervorgeht.

Für viele traditionelle Energieversorger sind die Preise bei den Auktionen jedoch zu hoch geworden, um mit großen Konzernen auf der Jagd nach umweltfreundlicheren Energiequellen konkurrieren zu können. Der Ölriese BP hatte etwa den Zuschlag für zwei Offshore-Windprojekte in der deutschen Nordsee erhalten, für die sich auch der Essener Energieversorger RWE beworben hatte. BP hatte rund 6,8 Milliarden Euro geboten und damit für Aufsehen gesorgt, zumal sich für weitere Offshore-Felder der französische Versorger TotalEnergies mit Geboten in Milliardenhöhe durchsetzte.

Die Höhe der Gebote hatte in der Branche Sorgen befeuert, dass die finanziell weit überlegenen Ölkonzerne jede Auktion für sich entscheiden könnten. "Die Regierungen können und sollten dieses Problem schnell beheben, sonst könnte es zu einem großen Marktversagen kommen", fordert Experte Backwell. Dann ließen sich auch die Klima- und Wirtschaftsziele nicht erreichen.


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