Weltwirtschaft

„Derisking“: Westen unterstützt Vietnam bei der Förderung Seltener Erden

Lesezeit: 4 min
08.10.2023 10:14
Vietnam will zur größten Fördernation Seltener Erden werden. Dadurch würde Chinas Vorherrschaft bei den für die Energiewende so bedeutenden seltenen Metallen infrage gestellt. Kein Wunder, dass der Westen dabei jetzt mithelfen will.

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Vietnam plant, seine größte Mine für Seltene Erden im nächsten Jahr wieder in Betrieb zu nehmen – mit Unterstützung von westlichen Firmen und Geldgebern. Mehrere Blöcke der Dong-Pao-Mine sollen noch vor Jahresende vergeben werden, berichtet Reuters unter Bezugnahme auf „Vietnam Rare Earth JSC“, den wichtigsten Veredler des Landes, und bislang unbestätigte Informationen des vietnamesischen Ministeriums für natürliche Ressourcen und Umwelt.

Die Wiederinbetriebnahme der größten Mine ist ein wichtiger Schritt für das südostasiatische Land, das sich zu einem Zentrum für Seltene Erden entwickeln will. Als solche werden eine Gruppe von seltenen Metallen (zum Beispiel „Scandium“, „Neodym“ undCerium“) bezeichnet, die unter anderem in Elektrobatterien, Mikrochips und Windrädern verbaut werden. Eine ausreichende Verfügbarkeit an Seltenen Erden ist entscheidend für Digitalindustrie und Energiewende.

Mehrere westliche Länder wollen mit der vietnamesischen Regierung und privaten Unternehmen kooperieren, um eine integrierte Lieferkette für Seltene Erden aufzubauen. Ende 2022 beschlossen etwa Vietnam und Südkorea ein Abkommen über die Zusammenarbeit bei der Erkundung und Erschließung von wichtigen Mineralien einschließlich Seltener Erden. Bei seinem jüngsten Vietnam-Besuch im September unterzeichnete US-Präsident Joe Biden eine Vereinbarung, die es dem Land zukünftig erleichtern soll, amerikanische Investoren für die Erschließung der Seltenen-Erd-Vorkommen zu gewinnen.

„Vietnam Rare Earth“ hat vor einigen Monaten eine Vereinbarung über die Lieferung von 100 Tonnen Seltenen Erden an „Australian Strategic Materials“ abgeschlossen. Als Partner in dem Minen-Projekt ist die ebenfalls australische „Blackstone Minerals“ mit an Bord, die sich darüber hinaus auf einige der neu ausgeschriebene Konzessionen im Dong-Pao-Komplex bewerben will. Aus Führungskreisen von Blackstone heißt es, dass das Unternehmen jetzt mit potenziellen Kunden, darunter den Elektroautoherstellern VinFast und Rivian, über mögliche Verträge zur Lieferung Seltener Erden zu Fixpreisen spreche, um die Lieferanten vor Preisschwankungen zu schützen und den Käufern eine sichere Lieferkette zu garantieren.

Umgekehrt investiert auch Vietnam selbst im unmittelbaren Ausland. Die Rohstofffirma „CAVICO Vietnam“ betreibt in der Provinz Bolikhamxay in Laos eine große Bergbau- und Verarbeitungsanlage, in der unter anderem seltene Metalle gefördert werden.

„Derisking“: Unternehmen setzen auf Vietnam

Der geplante Neustart der Dong-Pao-Mine kommt zu einem Zeitpunkt, an dem sich viele Länder Gedanken über anfällige Versorgungsketten durch Chinas dominante Marktstellung bei strategischen Mineralien und den andauernden Handels-Streitigkeiten mit den USA machen. Im Sommer hatte Peking Exportbeschränkungen für Gallium und Germanium beschlossen. Es wird befürchtet, dass weitere solcher Maßnahmen folgen. Unterdessen erwägt die EU zurzeit Strafzölle auf chinesische Elektroautos.

Lesen Sie dazu: Wie China die kritischen Rohstoffe der Energiewende dominiert

Das Stichwort der Stunde lautet „Derisking“ und Vietnam zählt zu den Profiteuren dieses Trends. Der südliche Nachbar Chinas wird zunehmend zu einem attraktiven Asien-Standort für Unternehmen, die auf die Handelsspannungen zwischen den USA und China reagieren und ihre Lieferketten robuster machen wollen. Auch deutsche Unternehmen eröffnen Produktionsstätten vor Ort.

Im Bereich Seltener Erden hat Vietnam Großes vor. Das Land verfügt mit rund 22 Millionen Tonnen hinter China (40 Millionen Tonnen) über die zweitmeisten bekannten Reserven weltweit. Der Gegenwert des Rohstoffschatzes wird auf insgesamt 3.000 Milliarden Dollar geschätzt. Eine effektive Ausbeutung des Dong-Pao-Komplex würde mit den größten chinesischen Minen konkurrieren können und Vietnam zu einem weltweit führenden Seltene-Erden-Produzenten machen, meint ein Beamter der staatlich kontrollierten Bergbaufirma Lavreco.

Der Sektor ist noch weitgehend unerschlossen, aber wächst schon jetzt rasant. Daten des „US Geological Survey“ zufolge wurden in Vietnam 2022 4.300 Tonnen an seltenen Metallen aus dem Boden geholt, nach nur 400 Tonnen im Vorjahr. In der globalen Rangliste steht man damit aktuell auf Rang 6 hinter Thailand (7.100 Tonnen), Myanmar (12.000), Australien (18.000) und USA (43.000). Mit weitem Abstand Marktführer ist China mit 210.000 Tonnen jährlicher Fördermenge.

Vietnam will das Reich der Mitte auf lange Sicht überholen und zum wichtigsten Lieferanten Seltener Erden werden. Regierungspläne sehen vor, die Fördermenge bis 2030 auf 2 Millionen Tonnen pro Jahr zu steigern. Mit dem zehnfachen des aktuellen chinesischen Outputs ist das ein äußerst ambitioniertes Ziel, insbesondere wenn man bedenkt, dass Chinas Kampfpreise die Weltmarktpreise drücken und Investitionen in den Bergbau dämpfen. Zu einer massiv höheren Produktion soll die Erschließung von neun Minen im nördlichen Landesteil beitragen, wie aus dem Regierungsplan hervorgeht.

Seltene Erden: China beherrscht die Lieferketten

In China konzentriert sich auch die Veredelung Seltener Erden. Man kann bei rund 90 Prozent Marktanteil durchaus von einem Beinahe-Monopol sprechen. Chinas Vormachtstellung in den Lieferketten ist so groß, dass es sogar die Minen-Erzeugnisse aus anderen Ländern zur Weiterverarbeitung importiert. Selbst die USA exportieren einen Großteil ihrer Seltenen Erden in das Reich der Mitte, da es an eigenen Raffinations-Anlagen mangelt.

Chinesische Firmen dominieren den Sektor seit vielen Jahren und haben sich gewaltige Kostenvorteile verschafft. Trotz aller Derisking-Bemühungen sei unklar, ob Kunden bereit wären, einen Aufschlag für Seltene Erden aus Vietnam zu zahlen, erklärt Dylan Kelly von der Investmentfirma Terra Capital gegenüber Reuters und merkt an, dass der Markt im Allgemeinen undurchsichtig sei.

Abbau- und Metallisierungsprozess werden derzeit unangefochten von China kontrolliert. Wenn Vietnam ein vergleichbares Zentrum für Seltene Erden werden will, muss sich nicht nur die Minen-Produktion in relativ kurzer Zeit verzwanzigfachen, sondern auch eine heimische Veredelungs-Industrie hochgezogen werden. Ganz von null auf startet man aber nicht. Die hier schon mehrfach erwähnte Metallfirma Vietnam Rare Earth unterhält bereits spezielle Fabriken zur Aufbereitung Seltener-Erd-Erze.

Nicht unerwähnt bleiben sollte die Tatsache, dass sich ein Großteil der vietnamesischen Reserven an der nördlichen Grenze zu China befindet, was eines Tages für geopolitischen Zündstoff sorgen könnte (siehe Taiwan-Konflikt).

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Jakob Schmidt ist studierter Volkswirt und schreibt vor allem über Wirtschaft, Finanzen, Geldanlage und Edelmetalle.


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