Die EU-Kommission hat eine Überprüfung der Importe chinesischer Elektroautos in die Europäische Union angeordnet. Beobachtern zufolge besteht die Möglichkeit, dass Brüssel daran anschließend Einfuhrzölle verhängen wird.
Schon jetzt gibt es Importzölle
Begründet wird die Untersuchung mit dem Verdacht, die Pekinger Regierung gewähre den heimischen Autobauern hohe Subventionen, welche wiederum den Weltmarkt für E-Autos verzerren würden.
„Der Preis dieser Autos wird durch riesige staatliche Subventionen künstlich gedrückt - das verzerrt unseren Markt“, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am 13. September im Europaparlament in Straßburg. Das sei nicht akzeptabel. Die Weltmärkte würden von billigeren chinesischen Elektroautos „überschwemmt“, behauptete von der Leyen.
Konkrete Beispiele, mit welchen Maßnahmen China aus Sicht der Kommission den Wettbewerb verzerrt, nannte eine Sprecherin auf Nachfrage der dpa nicht, da dies vertraulich sei. „Solange wir nicht den vollen Überblick haben, können wir uns nicht wirklich zu konkreten Beispielen äußern“, sagte sie. Zuvor betonte die Sprecherin, die Kommission habe unter anderem Datenbanken und Marktstudien untersucht.
Die EU-Kommission hatte in jüngerer Zeit in vergleichbaren Fällen Strafzölle in Höhe von 10 bis 20 Prozent verhängt. Bemerkenswert ist, dass chinesische Auto-Produzenten schon jetzt Einfuhrzöllen in Höhe von 10 Prozent bezahlen müssen, wenn sie den gemeinsamen Markt der EU beliefern wollen.
Warnung aus Peking
Peking hat mit deutlicher Kritik auf die angekündigte Untersuchung reagiert. China sei besorgt und unzufrieden mit dieser Sache, erklärte ein Sprecher des Handelsministeriums am 14. September in Peking. China gehe davon aus, dass die Untersuchungen der Europäer in Wahrheit dem Schutz der europäischen Industrie vor Konkurrenz dienten und damit eine Art Konjunkturprogramm darstellten.
Dies, so der Sprecher, stelle ein „unverhohlenes protektionistisches Verhalten“ dar, das die Lieferketten der globalen Autoindustrie ernsthaft stören und verzerren werde und sich negativ auf die chinesisch-europäischen Wirtschafts- und Handelsbeziehungen auswirken werde.
Das chinesische Handelsministerium betonte die langjährigen Beziehungen zwischen Europa und China im Automobilbereich.
Chinas Autoindustrie habe sich schnell entwickelt und sei wettbewerbsfähiger geworden, hieß es. Das sei das Ergebnis ständiger technologischer Innovation und der Errichtung einer kompletten industriellen Lieferkette. Autofirmen aus dem EU-Raum hätten in China über viele Jahre investiert und der chinesische Markt sei der größte Markt für diese Unternehmen geworden. China halte immer an einer offenen und kooperativen Haltung fest und heißt EU-Firmen aus dem Automotiv-Bereich willkommen, in China weiter zu investieren und zu expandieren. Dies gelte auch für E-Autos.
E-Autos: Chinas Marktanteil in Europa steigt
Zuletzt konnten chinesische Hersteller ihre Marktanteile bei E-Autos in Europa von einem geringen Niveau aus deutlich steigern. Branchenexperten erwarten, dass diese Entwicklung anhält und chinesische Elektroautos in den kommenden Jahren Marktanteile um 20 Prozent erreichen können.
Zwei Gründe spielen für den Erfolg der Chinesen eine entscheidende Rolle:
Zum Einen sind chinesische E-Autos aufgrund geringerer Lohnkosten und anderer Standortvorteile deutlich günstiger als vergleichbare Modelle aus Europa. Die hohen Preise europäischer und amerikanischer Fabrikate spielen übrigens auch eine wichtige Rolle bei dem Umstand, dass die Elektromobilität in Europa nicht wie von der Politik gewünscht rasch vorankommt.
Die Beratungsgesellschaft Deloitte verfasste vor einigen Wochen eine Untersuchung, die auf dieses Problem Bezug nimmt. Demnach kosten hierzulande Elektroautos im Schnitt rund 11.000 Euro mehr als vergleichbare Verbrenner, obwohl erstere sogar noch staatliche Fördergelder erhalten.
Das Ziel der Bundesregierung, bis zum Jahr 2030 15 Millionen E-Autos auf deutsche Straßen zu bringen, könne eigentlich nur durch die günstigeren und damit massentauglichen chinesischen Modelle erreicht werden, urteilt die Gesellschaft.
Der zweite Erfolgsfaktor: Chinesische Autobauer haben – im Gegensatz zu ihren europäischen, amerikanischen und japanischen Konkurrenten – in den vergangenen Jahren integrierte Lieferketten aufgebaut, die ihnen jetzt Vorteile bei Kosten und der Sicherung des Bezugs von Rohstoffen und Vorprodukten bieten.
So ist es nicht ungewöhnlich, dass Hersteller aus dem Reich der Mitte in den der Produktion vorgelagerten Wertschöpfungsbereichen selbst aktiv sind – etwa im Abbau der für die Antriebsbatterien wichtigen Rohstoffe oder in der Transport- und Energieinfrastruktur.
„Der Marktanteil chinesischer Autos – Verbrenner und E-Modelle zusammengenommen – ist in Europa bereits von 0,1 Prozent im Jahr 2019 auf 2,3 Prozent von Januar bis Juli 2023 gestiegen. Bei Elektroautos allein hat er in der EU laut Angaben der Kommission bereits 8 Prozent erreicht und dürfte, wenn kein Eingriff in den Markt erfolgt, schon in zwei Jahren in einen Bereich von 15 Prozent hineinwachsen, dies mit weiterhin zunehmender Tendenz“, schreibt German Foreign Policy.
Experte: Zölle wären „Bumerang“
Der Automobilexperte Gabriel Felbermayr vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) warnt in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vor den Folgen, die eine Verhängung von Strafzöllen durch die EU insbesondere für deutsche Autobauer haben könnte.
So fördere die EU die heimische Elektroauto-Branche nicht nur im Rahmen ihres „Important Project of Common European Interest“ genannten Finanzvehikels selbst mit mehr als drei Milliarden Euro – sondern auch etwaige Gegenmaßnahmen aus China könnten die hiesige Industrie empfindlich treffen.
Reagierten die Chinesen auf die Brüsseler Maßnahmen beispielsweise mit der Verhängung eigener Importzölle, gerieten insbesondere deutsche Autobauer zwischen die Stühle: Einerseits verkaufen diese nämlich in Deutschland gefertigte Wagen in großem Umfang in China, andererseits bauen sie auch in China Fahrzeuge, um sie in der EU zu verkaufen.
Hersteller wie BMW, der Volkswagen-Konzern oder Mercedes wären demnach in zweifacher Hinsicht von Importzöllen und Gegenzöllen betroffen. Felbermayr nennt als Beispiel BMW, dessen Elektroauto iX3 ausschließlich in China auch für den europäischen Markt produziert wird.
Andersherum ist China für die VW-Gruppe, BMW und Mercedes der wichtigste Absatzmarkt. Im Jahr 2021 setzten die drei deutschen Hersteller dort zwischen 37,2 Prozent (Volkswagen) und 31,7 Prozent (BMW) ihrer weltweit verkauften Autos ab.
Felbermayr warnt daher vor der „Gefahr einer Spirale“, die von europäischen Zöllen ausgelöst werden könnte und die letzten Endes für beide Seiten nachteilig wäre. Die Idee könnte für Europas Autobranche zu einem „Bumerang“ werden, weil Chinas Gewicht als Absatz- und Produktionsstandort einfach zu groß ist.
Inzwischen ist diese Erkenntnis auch in der deutschen Politik gereift. Wie Elektroauto News unter Bezugnahme auf einen Artikel in der Augsburger Allgemeinen berichtet, lehnt Verkehrsminister Volker Wissing deshalb Zölle ab.
Das Portal zitiert den Minister mit den Worten: „Ich halte grundsätzlich nicht viel davon, Marktbarrieren aufzubauen“, sagte Wissing. Den Ansatz der EU halte Wissing für gefährlich. „Wir müssen dafür sorgen, dass wir unsere Elektrofahrzeuge wettbewerbsfähig produzieren – für Deutschland und für die Weltmärkte“. Protektionistische Politik wie die mit Strafzöllen löse schnell eine Spirale aus, in der Sanktionen auf Sanktionen folgten. „Heute werden die Autos abgeschottet, morgen die Chemieprodukte, und jeder Einzelschritt für sich macht die Welt ärmer“.