Während die politischen Einordnungen der tragischen Vorfälle des vergangenen Wochenendes, die Israel mit bis dato beispielloser Härte getroffen haben, den entsprechenden Experten überlassen bleiben (sollte), spiegeln die internationalen Finanz- und Rohstoffmärkte die damit in Zusammenhang stehenden Erwartungen auf wirtschaftlicher Ebene unmittelbar wider.
Erdöl zieht an
Rohöl der Sorte Brent wurde im Morgenhandel in Asien mit 89 USD pro Barrel gehandelt, WTI wechselte bei Preisen über 87 USD den Besitzer, beides entspricht einem Anstieg von mehr als 5 % gegenüber den Schlusskursen vom Freitag. Damit haben die Ölpreise erwartungsgemäß schnell auf die Verschlechterung der Sicherheitslage im Nahen Osten reagiert und werden wahrscheinlich auch in Zukunft starken Schwankungen ausgesetzt sein, je nachdem, wie sich die Situation entwickelt. Nicht nur, dass die jüngsten Ereignisse die Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und Saudi-Arabien verzögern dürfte, an der beide Länder mit bislang erfolgversprechenden Verhandlungsergebnissen arbeiten. Darüber hinaus scheint die Beteiligung Irans an dem Hamas-Anschlag sicher, was die Zukunftsaussichten für die iranische Ölversorgung verschlechtert. Sollte sich der nun manifestierende Konflikt unter Einbeziehung des Iran ausweiten, würde dies eine massive Gefährdung der in der Region verlaufenden Rohöl-Lieferketten bedeuten. Hoffnungsvolles findet sich In der historischen Betrachtung, denn in der Regel hatten die Ausbrüche des Konflikts zwischen Israel und den Palästinensern in diesem Jahrhundert nur minimale Auswirkungen auf den Ölpreis und keine der israelischen Gegenmaßnahmen ging über Israel und seine unmittelbaren Nachbarn hinaus.
Es ist ziemlich klar, dass die Unterstützer der Hamas-Offensive hoffen, dies zu ändern, aber bislang gibt keinen besonderen Grund zu der Annahme, dass diese Zeit irgendeine signifikante Auswirkung auf den Ölpreis haben wird - es sei denn, Israel entscheidet, dass es seine Sicherheitsgrenze viel weiter ziehen muss als aktuell. Zum jetzigen Zeitpunkt ist eine israelische Reaktion im Gazastreifen unvermeidlich, und ein weiterer Konflikt im Libanon ist sehr wahrscheinlich. Das würde viele Menschenleben kosten, hätte aber kaum Auswirkungen auf die Politik oder die Finanzen anderer Länder. Sollte sich Israel dafür entscheiden, den Iran einzubeziehen, wäre das jedoch etwas gänzlich anderes. Vorerst erwartbar ist, dass die Ölpreise etwas ansteigen, um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass sich das Risiko einer größeren (kriegsbedingten) Unterbrechung der Versorgung soeben erhöht hat. Angesichts des am Ölmarkt vorangegangenen kräftigen Ausverkaufs wirken die Preissteigerungen zum Wochenstart jedoch sehr moderat.
„Sichere Häfen“ sind wieder gefragt
Neben den Preisanstiegen bei Erdöl und – zynischerweise - denen von Aktien aus dem Rüstungssektor, sorgt eine solche Ungewissheit zuverlässig für Nachfrage nach Staatsanleihen und Edelmetallen als sogenannte sichere Häfen. Insbesondere, wenn diese so günstig erscheinen, wie die vollkommen heruntergeprügelten US-Staatsanleihen und das stark eingebrochene Gold. Zwar waren die US-Anleihemärkte am montäglichen Columbus-Day feiertagsbedingt geschlossen und trugen über die dünn gehandelten, und erwartungsgemäß leicht anziehenden, Treasury-Futures nur wenig zum Geschehen bei. Stattdessen übernahm der nach den überraschend starken US-Arbeitsmarktdaten der vergangenen Woche kräftig unter die Räder gekommene Dollar die Gradmesserfunktion.
Angesichts der Suche nach krisenfesten Anlageoptionen setzt dieser seinen Mitte Juli begonnenen und in der vergangenen Woche schon beendet geglaubten Aufwärtstrend nun wieder fort – auch trotz massiver Dollarverkäufe Israels, welches damit die auf Grund des Kriegsbeginns unter Druck geratenden Schekels zu stützen versucht. Dass sich der mit dem US-Dollar stark negativ korrelierende Edelmetallsektor von dessen Stärke nicht beeindrucken lässt, zeigt ebenfalls den Drang der Investoren in die sogenannten Krisen-Assets. Der Konflikt im Nahen Osten hat den Goldpreis am Montag stark ansteigen lassen und damit an die Erholung vom Freitag nach der Veröffentlichung der US-Arbeitsmarktdaten angeknüpft.
Inflationsgefahr steigt
So war der Arbeitsmarktbericht vom Freitag auf der einen Seite „heiß“, denn mit 336.000 neugeschaffenen Arbeitsplätze außerhalb der Landwirtschaft lag er weit über den Erwartungen der Ökonomen, zudem fügten Revisionen weitere 119.000 Stellen zu den zwei vorangegangenen Monaten hinzu. Andererseits war er kühl in dem Sinne, dass die Stundenlöhne gegenüber dem Vormonat mit lediglich 0,2 % unter den Erwartungen angestiegen sind. Damit scheint die Wirtschaft in der Lage zu sein, bei nachlassender Inflation abzukühlen ohne dass es zu einem Rückgang der Beschäftigung kommt, was die angestrebte sanfte Landung bedeuten würde. Mit dem jüngsten Schwarzen Schwan im Nahen Osten drohen jedoch bereits wieder ernste Herausforderungen für die Zentralbanken dieser Welt, und verschiedene Notenbanker bekräftigen bereits wieder ihre Ansicht, dass die Zinsen weiter steigen müssen. Auch ohne einen neuen Konflikt in der Region dieser Erde, die ein Drittel des weltweiten Rohöls produziert und dessen Transportrouten kontrolliert, sind es weiterhin die Energiepreise, die einige der in den letzten Monaten erzielten Fortschritte bezüglich der Inflationsentwicklung wieder zunichtemachen könnten.
Unabhängig davon hat die OPEC ihre Prognosen für die weltweite Ölnachfrage bis zur Mitte des Jahrhunderts angehoben, trotz sich verschärfender Klimakrise. Demnach soll der Verbrauch bis 2045 um 16 % auf 116 Mio. Barrel pro Tag ansteigen, das sind etwa 6 Mio. Barrel pro Tag mehr als bisher prognostiziert. Und die Militäraktionen in Israel hat nun neue geopolitische Risiken in einen Markt gebracht, der bereits durch Angebotskürzungen und sinkende Lagerbestände in Aufruhr geraten ist. Dem am Donnerstag anstehenden US-Inflationsbericht wird abermals große Bedeutung zukommen. Erwartet wird eine im Monatsvergleich zum zweitem Mal in Folge angestiegene Kerninflationsrate um 0,3 %, was die Botschaft der Zentralbanker bestätigen würde, dass die Zinssätze für längere Zeit höher bleiben müssen. Auf Jahresbasis wird sich der Kernverbraucherpreisindex voraussichtlich abkühlen, was jedoch auf Basiseffekte zurückzuführen ist: der Index war im September letzten Jahres so stark gestiegen wie seit 1982 nicht mehr.
Zentralbanken kaufen wieder Gold
Derweil treiben die Zentralbanken ihre entdollarisierungsbemühungen weiter voran. Im August erwarben die Zentralbanken zusammen genommen 77 Tonnen Gold. Dies war der dritte Monat in Folge mit Nettokäufen, die sich insgesamt auf 219 Tonnen beliefen. Dabei war die People's Bank of China mit 28,9 Tonnen der größte Käufer im August - China kaufte damit bereits den zehnten Monat in Folge zu, und viele glauben, dass China mehr Gold besitzt als offiziell angegeben. Auch die Türkei, die zwischen März und Mai auf Grund ihrer ganz eigenen Marktdynamik mit 160 Tonnen als großer Goldverkäufer auftrat und mit ihren Verkäufen die gesamte Goldhandelsbilanz der Zentralbankgruppe ins Minus drückte, steht seit Juni wieder auf der Käuferseite. Der von einigen befürchtete Strategiewechsel dürfte sich damit nicht vollzogen haben.
Trotz der großen Verkäufe der Türkei zu Beginn des Jahres beliefen sich die Nettogoldkäufe der Zentralbanken in der ersten Jahreshälfte auf insgesamt 387 Tonnen. Dies war der höchste Wert für das erste Halbjahr, seit das World Gold Council (WGC) im Jahr 2000 mit der Erstellung dieser Daten begann. Damit setzte sich der im letzten Jahr beobachtete Trend zu steigenden Goldreserven fort. Laut der kürzlich vom WGC veröffentlichten Umfrage zu den Goldreserven der Zentralbanken für 2023 planen 24 % von ihnen, ihre Goldreserven in den nächsten 12 Monaten weiter aufzustocken. 71 % der befragten Zentralbanken gehen davon aus, dass das Gesamtniveau der weltweiten Reserven in den nächsten 12 Monaten steigen wird. Das ist ein Anstieg um 10 Prozentpunkte gegenüber dem letzten Jahr.