Politik

Große Mehrheit in EU will Zahlungen an Palästinenser fortsetzen

Lesezeit: 2 min
11.10.2023 10:06  Aktualisiert: 11.10.2023 10:06
Stellt die EU ihre Zahlungen an die Palästinenser vorläufig ein? Um diese Frage gab es seit Montag heftige Debatten in Brüssel. Nun kommt eine klare Ansage.
Große Mehrheit in EU will Zahlungen an Palästinenser fortsetzen
Laut EU-Chefdiplomat Josep Borrell lehnt eine überwältigende Mehrheit der EU-Staaten ein Einfrieren von Zahlungen an die Palästinensische Autonomiebehörde ab. (Foto: dpa)
Foto: Philipp von Ditfurth

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Eine überwältigende Mehrheit der EU-Staaten lehnt nach Angaben von EU-Chefdiplomat Josep Borrell ein vorläufiges Einfrieren von Zahlungen an die Palästinensische Autonomiebehörde ab. Es gebe lediglich zwei oder drei Länder, die dies anders sähen, erklärte Borrell am Dienstagabend nach informellen Beratungen der EU-Außenminister zu dem Angriff der islamistischen Terrororganisation Hamas auf Israel. Es soll demnach nur eine Überprüfung und vorerst kein Aussetzen von Zahlungen geben.

Die Unterstützung für die Palästinensische Autonomiebehörde einzustellen, wäre das beste Geschenk, das man der Hamas machen könnte, und es würde die Interessen und die Partnerschaft mit der arabischen Welt gefährden, argumentierte Borrell. Auch das palästinensische Volk leide derzeit.

Welche zwei, drei Länder für einen Zahlungsstopp sind, sagte Borrell nicht. Als sicher gilt, dass Ungarn dazu zählt.

Um die EU-Entwicklungshilfezahlungen für die Palästinenser hatte es vor dem Ministertreffen erhebliche Aufregung gegeben. Der zuständige EU-Kommissar Oliver Varhelyi hatte zunächst am Montag mitgeteilt, alle Zahlungen würden angesichts des Hamas-Angriffs auf Israel sofort ausgesetzt. Ein Sprecher der Behörde hatte dies auch zuerst bestätigt. In einer am Montagabend verbreiteten Pressemitteilung der Brüsseler Behörde hieß es aber dann, da momentan keine Zahlungen vorgesehen seien, werde es vorerst auch nicht zu einer Zahlungsaussetzung kommen. Zuvor hatten nach Angaben aus EU-Kreisen mehrere Hauptstädte gefordert, die Ankündigung zurückzunehmen.

Mit der EU-Hilfe für die Palästinenser werden nach Kommissionsangaben derzeit vor allem die Finanzierung wichtiger Unterstützungsleistungen für die palästinensische Bevölkerung sowie die der Autonomiebehörde gefördert. Als konkrete Beispiele nennt die Behörde den Gesundheitssektor, Sozialhilfeleistungen für arme Familien sowie Entwicklungsprojekte in Bereichen wie demokratische Regierungsführung, Rechtsstaatlichkeit, Wasser, Energie und wirtschaftliche Entwicklung. Zudem wird auch das Hilfswerk der Vereinten Nationen für palästinensische Flüchtlinge im Nahen Osten unterstützt.

Nach Kommissionsangaben vom Dienstagabend könnten von den bis Ende 2023 für die Palästinenser eingeplanten Mitteln theoretisch noch etwa 400 Millionen Euro einfroren werden. 463 Millionen Euro wurden demnach seit Anfang der derzeitigen Planungsperiode im Jahr 2021 bereits ausgezahlt.

Zu den EU-Staaten, die bislang einen vorübergehenden Zahlungsstopp von bilateralen Finanzhilfen für die Zusammenarbeit mit den palästinensischen Gebieten angekündigt haben, zählt Deutschland. Das Entwicklungsministerium prüft nach dem Großangriff der Hamas auf Israel zudem auch seine Zahlungen an das UN-Hilfswerk für die Palästinenser (UNRWA). «Wir werden bei der Überprüfung aber nach Prioritäten vorgehen und schnell entscheiden, sobald in diesem Bereich Zahlungen notwendig werden. Denn wir wollen nicht riskieren, dass sich die Lage vor Ort für vulnerable Gruppen wie Frauen, Kinder oder Flüchtlinge noch weiter verschlimmert», sagte ein Sprecher des Ministeriums der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

Die EU-Beratungen wurden am Randes eines internationalen Treffens im Golfstaat Oman organisiert. Ein Teil der Minister nahm persönlich teil, ein anderer per Videoschalte.

Borrell betonte am Dienstagabend, dass sich die Minister auch hinter eine Erklärung gestellt hätten, die vor den EU-Beratungen mit Vertretern der sechs Mitgliedstaaten des Golfkooperationsrats ausgehandelt wurde. In dieser wird angesichts der Entwicklungen in Israel und im Gazastreifen unter anderem zum Schutz von Zivilisten aufgerufen.

Man erinnere an die Verpflichtungen im Rahmen des humanitären Völkerrechts, heißt es in dem Text. Zudem fordere man Zurückhaltung, die Freilassung von Geiseln und den Zugang zu Nahrungsmitteln, Wasser und Medikamenten zu gewährleisten. Um zu verhindern, dass sich der Teufelskreis der Gewalt in Zukunft wiederhole, brauche es eine politische Lösung der Krise. Beide Seiten stünden weiter hinter der Idee für eine Zwei-Staaten-Lösung.

Borrell bezog die Mahnung am Abend auch konkret auf Israel und warf der Regierung vor, mit Maßnahmen wie der Unterbrechung der Wasserversorgung, der Stromversorgung und der Nahrungsmittelversorgung für den Gazastreifen gegen das Völkerrecht zu verstoßen. Auch nach dem barbarischen Angriff der Hamas müsse man sich daran erinnern, dass das Recht auf Verteidigung im Rahmen des Völkerrechts ausgeübt werden müsse, betonte Borrell mit Verweis darauf, dass die Maßnahmen auch eine große Zahl von Zivilisten treffen. «Israel hat das Recht, sich zu verteidigen, aber dies muss im Einklang mit dem (...) humanitären Völkerrecht geschehen.» (dpa)


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Zu Weihnachten Zukunft schenken

Gerade zu Weihnachten wünschen sich viele Menschen, etwas von ihrem Glück zu teilen und sich für diejenigen zu engagieren, die es nicht...

DWN
Technologie
Technologie Webasto-Geschäftsführung: „Der Einsatz von KI ist eine strategische Notwendigkeit“
22.12.2024

Angesichts des wachsenden Drucks durch die Transformation hin zur Elektromobilität und steigender Kosten in der Branche sprechen Markus...

DWN
Panorama
Panorama Vollgas in die Hölle: Arzt gab sich als Islamkritiker und Musk-Fan - wirr, widersprüchlich!
21.12.2024

Er galt bei den Behörden nicht als Islamist, präsentierte sich als scharfer Kritiker des Islams. Er kämpfte für Frauenrechte und...

DWN
Panorama
Panorama Magdeburg: Anschlag auf Weihnachtsmarkt - fünf Tote, 200 Verletzte - Verdächtiger ist verwirrter Islam-Gegner
21.12.2024

Einen Tag nach der tödlichen Attacke auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg sitzt der Schock tief. Erste Details zum Tatverdächtigen werden...

DWN
Immobilien
Immobilien Grundsteuer 2025: Alles rund um die Neuerung
21.12.2024

Ab Januar 2025 kommt die neue Grundsteuer in Deutschland zum Einsatz. Viele Hausbesitzer und künftige Käufer sind besorgt. Und das...

DWN
Immobilien
Immobilien Förderung jetzt auch für Kauf denkmalgeschützter Häuser
21.12.2024

Wer ein altes Haus kauft und klimafreundlich saniert, bekommt oft Hilfe vom Staat. Das gilt künftig auch für Denkmäler.

DWN
Politik
Politik So wollen die Schweiz und die EU enger zusammenarbeiten
21.12.2024

Die Schweiz ist nicht in der EU, aber es gibt etliche Abkommen. Doch die sind teils veraltet. Das soll sich nun ändern. Was bedeutet das...

DWN
Finanzen
Finanzen US-Börsen: Eine Erinnerung an ausreichend Risikokontrolle
21.12.2024

Die vergangene Woche brachte einen deutlichen Ausverkauf an den Aktienmärkten, der von Experten als gesunde Entwicklung gewertet wird....

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Kampf gegen Monopole: Europas Schlüsselrolle im Kampf gegen Big Tech und für den Klimaschutz
21.12.2024

Teresa Ribera steht vor einer gewaltigen Herausforderung. Die sozialistische Vizepremierministerin Spaniens wurde im September von der...