Unternehmen

Rückkehr zur Büro-Präsenzpflicht in Deutschland nicht möglich

Lesezeit: 2 min
12.10.2023 19:15  Aktualisiert: 12.10.2023 19:15
Ein Trend gewinnt in den USA an Fahrt: Nach dem Ende der Pandemie bestehen dort immer mehr Unternehmen darauf, dass ihre Mitarbeiter aus dem Homeoffice wieder zurück in die Büros kommen. Doch dieser Trend scheint sich, vorerst zumindest, beim Mittelstand in Deutschland nicht durchzusetzen.
Rückkehr zur Büro-Präsenzpflicht in Deutschland nicht möglich
Eine Rückkehr zur Büro-Präsenzpflicht ist in Deutschland nicht in Sicht. (Foto: iStock.comAlexBrylov)
Foto: AlexBrylov

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Der Trend hat in den USA in Großbetrieben seinen Anfang genommen und sich dort aber in immer mehr Unternehmen quer über alle Größen und Branchen fortgesetzt. Nach fast drei Jahren lockerer Richtlinien für Home Office und Remote Work haben CEO´s amerikanischer Unternehmen damit begonnen, ihre Mitarbeiter zu verpflichten, wieder zurück ins Büro zu kommen. So hat Amazon seine Angestellten angewiesen, an mindestens drei Tagen in der Woche im Büro zu sein, ähnlich das Unternehmen Meta. Ihr Chef Mark Zuckerberg droht seinen Angestellten mit Entlassung, wenn sie nicht mindestens drei Tage in der Woche im Unternehmen sind. Und das Bankhaus Goldman Sachs drängt sogar seine Mitarbeiter zur Rückkehr in Vollzeit.

Dramatischer Rückgang

Begründet werden diese Maßnahmen mit neuen Studien, die belegen sollen, dass Mitarbeiter, die von zu Hause aus arbeiten, leichter abgelenkt seien. So hat eine Studie der University of Chicago die Daten von mehr als 10.000 qualifizierten Fachkräften eines indischen IT-Unternehmens während des Höhepunkts der Pandemie erfasst und ausgewertet. Ergebnis: Die Produktivität der Mitarbeiter im Homeoffice sank um acht bis 19 Prozent – und das, obwohl die Zahl der Arbeitsstunden zunahm. Der Autor der Studie stellte fest, dass es einen „dramatischen Produktionsrückgang“ bei dem untersuchten Unternehmen gegeben habe – und zwar „nicht nur unmittelbar nach Ausbruch der Pandemie, sondern während des gesamten Zeitraums“. Als Grund für den Rückgang gaben die Wissenschaftler der University of Chicago an, dass die „Konzentrationszeit“ der Mitarbeiter im Homeoffice erheblich kürzer als im Büro sei. Und dass, obwohl sowohl das Unternehmen als auch die Mitarbeiter hinsichtlich ihrer Fähigkeiten als auch ihrer Ausrüstung ideal für die Umstellung auf das Home Office geeignet waren. Unter „Konzentrationszeit“ wird die Zeit verstanden, die ein Mitarbeiter pro Tag ohne Unterbrechung arbeiten kann.

Jedoch lässt sich auch in diesem Bereich offensichtlich die Uhr nur sehr begrenzt zurückdrehen, wie Raj Choudhury, Professor an der Harvard University, feststellt: „Den Arbeitnehmern ist Flexibilität wirklich sehr wichtig, sodass eine Rückkehr ins Büro als von oben verordnet und unsensibel erscheint.“ Ein Unternehmen, das keine flexiblen Arbeitszeiten anbietet, werde es schwer haben, Talente anzuziehen.

Vorbehalte des Mittelstands

Diese Einschätzung wird auch in Deutschland geteilt. Der Chefvolkswirt des Bundesverbands Mittelständische Wirtschaft (BVMW), Hans-Jürgen Völz, erklärt gegenüber den Deutschen Wirtschaftsnachrichten (DWN), dass sein Verband nicht beobachten könne, dass Firmen in großer Zahl darauf bestehen würden, dass ihre Mitarbeiter nun alle ins Büro zurück müssten. Seiner Meinung nach wäre dies auch in den allermeisten Fällen auch gar nicht durchsetzbar. Denn inzwischen würden nicht wenige Mitarbeiter auf die Möglichkeit des Homeoffice bestehen. Angesichts des allgemeinen Fachkräftemangels und der verzweifelten Suche nach Talenten wäre es nach seiner Beobachtung eher kontraproduktiv, auf eine Rückkehr zur Präsenzpflicht im Büro zu bestehen.

Sehr kritisch sieht Völz hingegen die Diskussion über eine mögliche gesetzliche Regelung über Homeoffice. Er verweist darauf, dass die Kommission „Arbeit und Soziales“ seines Verbandes dieses Thema mehrfach erörtert habe und zu dem Schluss gekommen sei, dass die Vereinbarung über Büropräsenz und Homeoffice zwischen Arbeitgeber und -nehmer individuell getroffen werden müsse. „Das Letzte, was die Wirtschaft in Deutschland jetzt braucht“, so Völz, „sind noch mehr Gesetze und damit zwangsläufig noch mehr Bürokratielasten für die Unternehmer.“

 


Mehr zum Thema:  

DWN
Politik
Politik Streit ums liebe Geld: UN-Klimagipfel geht in die Verlängerung
22.11.2024

Milliarden für den Klimaschutz – doch wie weit sind die Staaten wirklich bereit zu gehen? Auf der UN-Klimakonferenz in Baku entbrannte...

DWN
Politik
Politik Netanjahu Haftbefehl: Deutschland und die rechtliche Zwickmühle
22.11.2024

Der Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu erschüttert die internationale Bühne. Deutschland sieht sich in einem schwierigen Spagat:...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Bosch kürzt 5.550 Stellen - 3.800 davon in Deutschland
22.11.2024

Bosch steht vor massiven Einschnitten: Bis zu 5.550 Stellen sollen wegfallen, davon allein 3.800 in Deutschland. Die Krise in der...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis-Prognose 2025: Nach Kurskorrektur steigt der Goldpreis aktuell - wohin geht die Reise?
22.11.2024

Der Goldpreis steht derzeit im Fokus von Anlegern und Edelmetallexperten. Gerade in unsicheren Zeiten wollen viele Investoren Gold kaufen,...

DWN
Politik
Politik Iranisches Atomprogramm: Teheran will mehr Uran anreichern
22.11.2024

Droht der Iran dem Westen mit neuen Atomwaffen? Die IAEA warnt, Teheran wehrt sich – und eskaliert die Urananreicherung. Jetzt könnten...

DWN
Politik
Politik Dauerbaustelle Autobahn: Sie stehen hier im Stau, weil sich Verkehrsminister Volker Wissing verrechnet hat
22.11.2024

Wenn man im Sommer entspannt durch Frankreich oder Italien über die Autobahnen gleitet, fragt man sich jedesmal aufs Neue: Warum müssen...

DWN
Politik
Politik Krankenhausreform kommt: Lauterbachs Reform passiert den Bundesrat
22.11.2024

Karl Lauterbach freut sich: Der Bundesrat hat das sogenannte "Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz" gebilligt, das Herzensprojekt des...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Rezession droht im Winter, Euro ist im Sinkflug: Was sind die Gründe?
22.11.2024

Stagnation der deutschen Wirtschaft, ein schwächelnder Euro, miese Stimmung in den Unternehmen: Ökonomen befürchten eine...