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Bildungsurlaub: Was ist das und warum profitieren auch Unternehmen davon?

Bis zu 10 Tage Sonderurlaub können die meisten Arbeitnehmer für fortbildende Maßnahmen nehmen. Dieses Recht nehmen tatsächlich nur rund 2 Prozent der Berechtigten in Anspruch - das ist auch für Unternehmen schlecht. Warum, was Bildungsurlaub ist und wie er bei Personalmangel helfen kann, verraten wir im Folgenden.
24.02.2025 17:24
Aktualisiert: 24.02.2025 17:24
Lesezeit: 5 min
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Bildungsurlaub: Was ist das und warum profitieren auch Unternehmen davon?
Deutschland hat sich im Rahmen der EU-2030-Strategie das Ziel gesetzt, die Weiterbildungsbeteiligung zu steigern (Foto: dpa).

Bildungszeit und Bildungsurlaub: Ein Recht, das Arbeitnehmenden zusteht

Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg, Wirtschaftskrise - die Herausforderungen der vergangenen fünf Jahre haben ihre Spuren in der Gesellschaft und bei vielen Menschen hinterlassen. Stark überlastete Psychotherapeuten können kaum der überwältigenden Nachfrage nach Therapieplätzen gerecht werden. Teilweise müssen die Menschen bis zu zwei Jahre auf eine der begehrten Behandlungsmöglichkeiten warten.

Mittlerweile suchen Betroffene nach Alternativen, um die psychische Belastung zumindest zeitweise zu reduzieren. Bildungsurlaub kann dabei helfen. Diese Bildungszeit erweitert nicht nur den Horizont des Arbeitnehmers, mit Bildungsurlaub kann ein von Psychostress Betroffener auch "mal etwas anderes sehen" - und den Kopf frei kriegen. Das kann auch für das Unternehmen Vorteile bringen. Doch was ist Bildungsurlaub genau?

Bildungsurlaub: Was ist das? Eine Definition

In 14 von 16 Bundesländern, Ausnahme sind Bayern und Sachsen, gibt es einen gesetzlichen Anspruch auf Bildungsurlaub für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. Das bedeutet, dass Arbeitnehmer mit Bildungsurlaub Anspruch auf Freistellung von der Arbeit bei voller Gehaltszahlung haben. Dabei unterscheiden sich die Bezeichnungen: In manchen Bundesländern werden die Extra-Urlaubstage zur Weiterbildung auch "Bildungsfreistellung" oder "Bildungszeit" genannt.

Als Bildungsurlaub kann folglich der gesetzliche Anspruch von Arbeitnehmern auf eine bezahlte Freistellung durch den Arbeitgeber bezeichnet werden. Dabei geht es nicht um freie Zeit für Erholung oder Urlaub am Meer, sondern um Maßnahmen, die für den Job oder für den Mitarbeiter - und letztlich auch für den Arbeitgeber - nützlich und/oder hilfreich sind. Das kann eine Fortbildungsmaßnahme im IT-Bereich sein oder ein Sprachkurs.

Wie viel Bildungsurlaub steht mir zu?

Das Angebot von Weiterbildungsveranstaltungen ist breit gefächert. In jedem Bundesland mit Bildungsurlaubsregelung sind Seminare und Weiterbildungen mit beruflichem Bezug abgedeckt, etwa Fachweiterbildungen zu Marketing, Steuerrecht und Produktionstechniken oder eine Aufstiegsfortbildung sowie Führungskräfteseminare. Veranstaltungen zur politischen Bildung sind in der Regel ebenfalls möglich. Zu folgenden Weiterbildungsangeboten gibt es unterschiedliche Regelungen:

  • gesundheitliche Präventionskurse wie Yoga, Pilates, Rückenschule, Achtsamkeitsseminare oder Stressmanagement
  • kulturelle und persönliche Weiterentwicklung
  • Sprachkurse
  • Qualifizierungen für ehrenamtliche Tätigkeiten

Um als Bildungsurlaub gelten zu können, müssen die Kurse staatlich zertifiziert sein. Das didaktische Konzept und die Lehrpläne eines Seminars werden von den Bundesländern begutachtet. Die Länge des Bildungsurlaubs ist auch von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich geregelt. Berlin ermöglicht beispielsweise zehn Tage Bildungsurlaub in einem Zeitraum von zwei Jahren, mindestens fünf Tage pro Jahr sind es in allen teilnehmenden Bundesländern.

Bildungsurlaub: Wer zahlt und wie hoch sind die Kosten?

Der Arbeitgeber stellt den Arbeitnehmer für die Zeit seines Bildungsurlaubs frei - bei voller Bezahlung analog zu einem regulären Urlaub. Im Gegenzug müssen die Kosten für Seminare und Weiterbildungen in der Regel von den Arbeitnehmern selbst getragen werden. Dazu zählen die Kursgebühren, Ausgaben für Lehrmittel sowie die Kosten für Fahrten und Unterkunft. Arbeitnehmer müssen diese Kosten immer selbst tragen, sie können jedoch die Ausgaben des Bildungsurlaub steuerlich absetzen und in der Steuererklärung geltend machen.

Je nachdem, wo die Kurse stattfinden, variieren die Kosten. Kurse an der Volkshochschule sind oft bereits ab 100 Euro buchbar. Nach oben hin sind allerdings keine Grenzen gesetzt. Zwei Wochen Spanisch lernen und Paella kochen auf Ibiza gibt es für annähernd 800 Euro, wobei der Flug und die Unterkunft extra hinzukommen. Unternehmen, die neue Mitarbeiter einstellen, könnten eine Beteiligung der Kosten am Bildungsurlaub anbieten, um die Attraktivität für das Unternehmen zu erhöhen. Dies macht zum Beispiel Sinn, wenn der Kurs einen Bezug zur Arbeit hat. Oft bezuschussen Krankenkassen die Kurse, wenn es sich um Gesundheitsseminare handelt. Außerdem bieten Bund und Länder unterschiedliche Förderprogramme an, mit denen sie die Weiterbildungskurse fördern - je nach Zielgruppe und Ziel des Seminars.

Warum kein Bildungsurlaub in Bayern?

Für eine Sprachreise, einen Computerkurs oder die Stressbewältigung mit Yoga gibt es in Bayern keine bezahlte Extrazeit. Bayerische Beschäftigte können von einer Bildungszeit nur träumen, das "Bildungsfreistellungsgesetz" gibt es nicht in Bayern. Warum nur?

1976 hat die Bundesrepublik ein Übereinkommen der internationalen Arbeitsorganisation zum bezahlten Bildungsurlaub ratifiziert. Seitdem haben meist sozialdemokratische Landesregierungen oder die Grünen entsprechende Gesetze auf Landesebene eingeführt. In Bayern, das von der CSU regiert wird, ist eine Regelung für Bildungszeit bisher ausgeblieben. Dieses Gesetz sei überflüssig, sagte beispielsweise Bayerns Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) im April 2024 in einem Interview mit dem Bayrischen Rundfunk. Arbeitgeber sollen ihren Beschäftigten auf freiwilliger Basis Fort- und Weiterbildungen ermöglichen.

Wofür Bildungsurlaub? Wo der Nutzen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber liegt

Der Anteil der Beschäftigten, die Bildungszeit nutzen, ist tatsächlich klein. Nach Schätzungen des ifo-Instituts nehmen deutschlandweit im Durchschnitt lediglich 3,5 Prozent der Beschäftigten Bildungsurlaub. Das sollte sich ändern, gerade in Zeiten von Fachkräftemangel, steigenden Krankheitstagen aufgrund gesundheitlicher Belastungen oder Phänomenen wie "Quiet Quitting".

Durch Bildungsurlaub ergibt sich eine gute Anreizmöglichkeit für Unternehmen und Personalverantwortliche durch unterstützende Freistellung für Bildungsurlaub den Arbeitsplatz attraktiv zu bewerben. „Ganzheitliche Weiterbildung via Bildungsurlaub ist ein Erfolgsschlüssel für Unternehmen – und zwar als 360-Grad-Benefit für individuelle Mitarbeiterzufriedenheit. Bildungsurlaub unterstützt, dass Beschäftigte sich selbstverantwortlich um ihre aktuellen Bedürfnisse kümmern. So können beispielsweise Themen, wie körperliche und mentale Gesundheit im Arbeitsleben angegangen werden und das Suchen nach Lösungen wird nicht ins Privatleben verdrängt. Auf diese Weise bleiben die eigenen Beschäftigten langfristig ein leistungsstarker, motivierter und gesunder Teil des Unternehmens“, sagt Lara Körber, Co-Gründerin des Online-Portals Bildungsurlauber, das über 20.000 Kurstermine anbietet.

Weiterbildungsstipendium: Junge Talente werden zusätzlich gefördert

Es gibt viele Weiterbildungsangebote, die gefördert werden, doch der Förderdschungel bereitet Schwierigkeiten, die passenden zu finden. Für unter 25-jährige gibt es seit 2024 über 6.000 Weiterbildungsstipendien. Die Förderung umfasst Zuschüsse für die Kosten von fachlichen oder berufsübergreifenden Weiterbildungen in Höhe von 9.135 Euro innerhalb von maximal drei Jahren. Die Stipendiatinnen und Stipendiaten können davon die benötigten Mittel für die Kosten von Weiterbildungen oder eines berufsbegleitenden Studiums abrufen. Bei jeder Fördermaßnahme beträgt der Eigenanteil 10 Prozent. Im ersten Jahr der Förderung kann zusammen mit der ersten Bildungsmaßnahme ein IT-Bonus von 250 Euro für die Anschaffung eines Computers beantragt werden.

Die Weiterbildung muss grundsätzlich berufsbegleitend durchgeführt werden. Auch Kosten für berufsbegleitende Studiengänge, die auf der Ausbildung oder Berufstätigkeit aufbauen, können bezuschusst werden. Wer Interesse an einem Weiterbildungsstipendium hat, kann sich an die Stiftung Begabtenförderung berufliche Bildung (SBB) wenden. Für allgemeine Anfragen:

  • Servicenummer: 0228/62931-0 (zu allg. Geschäftszeiten)
  • E-Mail: info@sbb-stipendien.de

Nationale Weiterbildungsstrategie soll Kräftemangel abfedern

Der Staat hat ein berechtigtes Interesse an der Weiterbildung seiner Arbeitnehmer und bündelt diese in der nationalen Weiterbildungsstrategie (NWS), denn der Fachkräftemangel schreit nach neuen Lösungen. Im November 2023 fand die erste nationale Weiterbildungskonferenz in Berlin statt. Hier erfolgte der fachliche Diskurs mit Expertisen aus der Praxis und der Vernetzung. Deutschland hat sich im Rahmen der EU-2030-Strategie das Ziel gesetzt, die Weiterbildungsbeteiligung auf einen Wert von 65 Prozent zu steigern (im Frühjahr 2025 liegt diese bei rund 60 Prozent).

Doch es gibt einen Haken: „Wir brauchen mehr Bildungsurlaube mit Kinderbetreuung, denn ohne Kinderbetreuung bleibt Weiterbildung für viele Eltern und Alleinerziehende eher Theorie statt Realität und führt zu Ungerechtigkeit in Bezug auf Bildungschancen“, beschreibt Körber von bildungsurlaub.de das Problem. Auf Ihrer Plattform haben sie deshalb einen Filter etabliert, mit dem man zumindest die wenigen Seminare findet, die auch Kinderbetreuung anbieten.

Hier ist noch deutlicher Nachholbedarf auf Seiten der Anbieter. Allerdings ist auch das Thema Kinderbetreuung generell in Deutschland ein problematisches. Seit Jahren beklagen Eltern zu wenig Krippen- und Kindergärtenplätze. Der chronische Mangel an pädagogischen Fachkräften und Erziehern wird sich so schnell nicht ändern lassen. Um das Thema Bildungsurlaub ganzheitlich zum Erfolg zu führen, braucht es auch unterstützende Rahmenbedingungen von Seiten der Politik.

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Sofia Delgado

                                                                            ***

Sofia Delgado ist freie Journalistin und arbeitet seit 2021 in Stuttgart, nachdem sie viereinhalb Jahre lang in Peking gelebt hat. Sie widmet sich gesellschaftskritischen Themen und schreibt für verschiedene Auftraggeber. Persönlich priorisiert sie die Themen Umweltschutz und Nachhaltigkeit, als dringendste Herausforderung für die Menschheit.

 

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