Politik

Linke vor der Spaltung: SPD wirbt um Abgeordnete

Lesezeit: 2 min
22.10.2023 19:26  Aktualisiert: 22.10.2023 19:26
Sahra Wagenknecht macht ernst: Schon lange ist die einstige Frontfrau der Linken mit ihrer Partei zerstritten. Nun stellt sie ein neues Bündnis vor - mit wohl desaströsen Folgen für die Linken.
Linke vor der Spaltung: SPD wirbt um Abgeordnete
Sahra Wagenknecht und der jetzige Fraktionschef der Linken Dietmar Bartsch im Jahr 2019. Die einstige Frontfrau wird ihrer zukünftigen Ex-Partei einen veritablen Schaden zufügen. (Foto: dpa)
Foto: Carsten Koall

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Spaltung bei den Linken: An diesem Montag will die frühere Fraktionschefin Sahra Wagenknecht ihr neues Bündnis vorstellen. Erwartet wird eine Abspaltung von den Linken und ein Ende ihrer Fraktion im Bundestag. Der Co-Parteivorsitzende Martin Schirdewan kündigte bereits am Sonntag Konsequenzen für Linken-Mitglieder an, die sich dem „Bündnis Sahra Wagenknecht“ anschließen. Die SPD heißt mögliche Parteiwechsler bei sich willkommen. Einer neuen Umfrage zufolge könnte sich fast jeder Dritte in Deutschland vorstellen, eine neue Partei von Wagenknecht zu wählen.

Wagenknecht will in Berlin ihren Verein „Bündnis Sahra Wagenknecht – Für Vernunft und Gerechtigkeit“ vorstellen. Der seit einigen Wochen registrierte Verein gilt als Vorstufe zur Gründung einer eigenen Partei. Mit dabei sein sollen am Montag unter anderem die noch amtierende Co-Vorsitzende der Linksfraktion Amira Mohamed Ali und der Abgeordnete Christian Leye. Wenn die Bundestagsfraktion der Linken mindestens zwei ihrer 38 Abgeordneten verliert, verliert sie infolge der Geschäftsordnung des Parlaments auch ihren Fraktionsstatus.

Schirdewan sagte, es sei klar, dass diejenigen, die die sich an der Bildung einer Konkurrenzpartei beteiligten, in der Partei nichts mehr zu suchen hätten und rausflögen. Gegen Wagenknecht selbst laufe schon ein Parteiausschlussverfahren, sagte er laut vorab verbreiteten Zitaten in der ZDF-Sendung „Berlin direkt“. „Aber natürlich bietet uns das Parteiengesetz in dem Moment, wo Menschen ankündigen, ein konkurrierendes Parteiprojekt aufzubauen, auch andere Möglichkeiten.“ Eine solche Möglichkeit sei der Entzug der Mitgliedsrechte, „dass man also die Mitgliedschaft aufhebt, dass man den Ausschluss erklärt“.

Parteiausschlussverfahren droht

Das ARD-Hauptstadtstudie berichtete am Sonntag unter Berufung auf ein Beschlusspapier, dass der Linken-Vorstand gegen alle Beteiligten des Vereins ein Parteiausschlussverfahren anstrengen will. Außerdem solle gemeinsam mit den zuständigen Gliederungen geprüft werden, wie die Mitgliedsrechte entzogen werden können. Der Parteivorstand will ferner Abgeordneten, die sich an dem Wagenknecht-Verein beteiligen, auffordern, „ihre durch die Linke errungenen Mandate niederzulegen“. Das Papier soll laut ARD am Montag vom Geschäftsführenden Parteivorstand beschlossen werden.

Fraktionschef Dietmar Bartsch geht bereits davon aus, „dass wir den Fraktionsstatus im Januar verlieren werden, wenn die neue Partei real gegründet wird“, wie er dem „Tagesspiegel“ sagte. Die Jobs von 108 bisherigen Fraktionsmitarbeiterinnen und -mitarbeitern wären dann bedroht.

Die SPD zeigte sich bereit, Mitglieder der Linken, die ihrer Partei den Rücken kehren wollen, unter bestimmten Bedingungen aufzunehmen. „Wer sich für Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität einsetzt und in unserem Land etwas bewegen will, ist in der SPD willkommen. Unsere Türen stehen offen“, sagte SPD-Chef Lars Klingbeil der „Welt am Sonntag“.

Hohe Umfragewerte für Wagenknecht-Partei

Wie eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa für die „Bild am Sonntag“ ergab, könnten sich 27 Prozent der Menschen in Deutschland vorstellen, eine neue Wagenknecht-Partei zu wählen. 55 Prozent der Befragten gaben an, eine solche Partei nicht wählen zu wollen, 18 Prozent machten keine Angaben.

Bisher ist nicht völlig klar, wofür die erwartete Partei stehen soll. Wagenknecht hat sich als scharfe Kritikerin der Ukraine-Politik der Bundesregierung und der Energiesanktionen gegen Russland positioniert. Sie ist für den Import von billigem Erdgas und gegen allzu strikte Klimaschutzpolitik. Zudem plädiert sie für eine Begrenzung der Migration. Die neue Partei dürfte damit auch der AfD Konkurrenz machen, die zuletzt bei Wahlen und in Umfragen deutlich zugelegt hatte. Wagenknecht hatte wiederholt die Grünen als die gefährlichste Partei bezeichnet.

Mit ihrem Projekt will Wagenknecht nach eigenen Worten eine politische Leerstelle füllen. „Ich spüre, dass es ganz viele gibt, die sich eigentlich von keiner Partei mehr vertreten fühlen“, sagte sie vor wenigen Tagen bei einer Lesung in Halle/Saale. Es sei daher an der Zeit, Neues zu schaffen. (dpa)


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Die Edelmetallmärkte

Wegen der unkontrollierten Staats- und Unternehmensfinanzierung durch die Zentralbanken im Schatten der Corona-Krise sind derzeitig...

DWN
Finanzen
Finanzen Reich werden an der Börse: Ist das realistisch?
27.04.2024

Viele Anleger wollen an der Börse vermögend werden. Doch ist das wahrscheinlich - oder wie wird man tatsächlich reich?

DWN
Politik
Politik DWN-Kommentar: Deutsche müssen über Abschiebungen diskutieren - mit aller Vorsicht
26.04.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Politik
Politik Tourismus-Branche: „In Hotellerie und Gastgewerbe ist noch nichts wieder in Ordnung“
26.04.2024

Die deutsche Tourismus-Branche, also Hotellerie und Gastronomie, firmiert neuerdings unter dem neuen Sammelbegriff „Gastwelt“ - auch um...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Bürokratieabbau: Ministerin fordert mehr Widerstandsfähigkeit und Effizienz
26.04.2024

Rheinland-Pfalz ist ein mittelständisch geprägtes Land. Gerade kleinere Betriebe hadern mit zu viel bürokratischem Aufwand.

DWN
Politik
Politik Hybride Bedrohungen: Drohnen-Flüge und psychologische Kriegsführung
26.04.2024

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hat eindringlich vor hybriden Bedrohungen in Deutschland gewarnt. Gegen den Einsatz von...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Gallup-Studie: Globale Führungsbewertung 2024 - wie Deutschland unter Großmächten abschneidet
26.04.2024

Die Gallup-Studie 2024 zeigt die Stabilität und Herausforderungen in der globalen Führungsbewertung für Länder wie USA, Deutschland,...

DWN
Politik
Politik Habeck kontert Kritiker: „Energiekrise gemeistert und Strompreise gesenkt“
26.04.2024

Nach Kritik an Atomausstieg: Habeck und Lemke bestätigen, die Energieversorgung sei gesichert und nukleare Sicherheit gewährleistet.

DWN
Technologie
Technologie Künstliche Intelligenz: Wie sich Deutschland im internationalen Rennen positioniert
26.04.2024

Die Deutsche Industrie macht Tempo bei der KI-Entwicklung. Das geht aus einer kürzlich veröffentlichten Analyse des Deutschen Patent- und...