Spaltung bei den Linken: An diesem Montag will die frühere Fraktionschefin Sahra Wagenknecht ihr neues Bündnis vorstellen. Erwartet wird eine Abspaltung von den Linken und ein Ende ihrer Fraktion im Bundestag. Der Co-Parteivorsitzende Martin Schirdewan kündigte bereits am Sonntag Konsequenzen für Linken-Mitglieder an, die sich dem „Bündnis Sahra Wagenknecht“ anschließen. Die SPD heißt mögliche Parteiwechsler bei sich willkommen. Einer neuen Umfrage zufolge könnte sich fast jeder Dritte in Deutschland vorstellen, eine neue Partei von Wagenknecht zu wählen.
Wagenknecht will in Berlin ihren Verein „Bündnis Sahra Wagenknecht – Für Vernunft und Gerechtigkeit“ vorstellen. Der seit einigen Wochen registrierte Verein gilt als Vorstufe zur Gründung einer eigenen Partei. Mit dabei sein sollen am Montag unter anderem die noch amtierende Co-Vorsitzende der Linksfraktion Amira Mohamed Ali und der Abgeordnete Christian Leye. Wenn die Bundestagsfraktion der Linken mindestens zwei ihrer 38 Abgeordneten verliert, verliert sie infolge der Geschäftsordnung des Parlaments auch ihren Fraktionsstatus.
Schirdewan sagte, es sei klar, dass diejenigen, die die sich an der Bildung einer Konkurrenzpartei beteiligten, in der Partei nichts mehr zu suchen hätten und rausflögen. Gegen Wagenknecht selbst laufe schon ein Parteiausschlussverfahren, sagte er laut vorab verbreiteten Zitaten in der ZDF-Sendung „Berlin direkt“. „Aber natürlich bietet uns das Parteiengesetz in dem Moment, wo Menschen ankündigen, ein konkurrierendes Parteiprojekt aufzubauen, auch andere Möglichkeiten.“ Eine solche Möglichkeit sei der Entzug der Mitgliedsrechte, „dass man also die Mitgliedschaft aufhebt, dass man den Ausschluss erklärt“.
Parteiausschlussverfahren droht
Das ARD-Hauptstadtstudie berichtete am Sonntag unter Berufung auf ein Beschlusspapier, dass der Linken-Vorstand gegen alle Beteiligten des Vereins ein Parteiausschlussverfahren anstrengen will. Außerdem solle gemeinsam mit den zuständigen Gliederungen geprüft werden, wie die Mitgliedsrechte entzogen werden können. Der Parteivorstand will ferner Abgeordneten, die sich an dem Wagenknecht-Verein beteiligen, auffordern, „ihre durch die Linke errungenen Mandate niederzulegen“. Das Papier soll laut ARD am Montag vom Geschäftsführenden Parteivorstand beschlossen werden.
Fraktionschef Dietmar Bartsch geht bereits davon aus, „dass wir den Fraktionsstatus im Januar verlieren werden, wenn die neue Partei real gegründet wird“, wie er dem „Tagesspiegel“ sagte. Die Jobs von 108 bisherigen Fraktionsmitarbeiterinnen und -mitarbeitern wären dann bedroht.
Die SPD zeigte sich bereit, Mitglieder der Linken, die ihrer Partei den Rücken kehren wollen, unter bestimmten Bedingungen aufzunehmen. „Wer sich für Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität einsetzt und in unserem Land etwas bewegen will, ist in der SPD willkommen. Unsere Türen stehen offen“, sagte SPD-Chef Lars Klingbeil der „Welt am Sonntag“.
Hohe Umfragewerte für Wagenknecht-Partei
Wie eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa für die „Bild am Sonntag“ ergab, könnten sich 27 Prozent der Menschen in Deutschland vorstellen, eine neue Wagenknecht-Partei zu wählen. 55 Prozent der Befragten gaben an, eine solche Partei nicht wählen zu wollen, 18 Prozent machten keine Angaben.
Bisher ist nicht völlig klar, wofür die erwartete Partei stehen soll. Wagenknecht hat sich als scharfe Kritikerin der Ukraine-Politik der Bundesregierung und der Energiesanktionen gegen Russland positioniert. Sie ist für den Import von billigem Erdgas und gegen allzu strikte Klimaschutzpolitik. Zudem plädiert sie für eine Begrenzung der Migration. Die neue Partei dürfte damit auch der AfD Konkurrenz machen, die zuletzt bei Wahlen und in Umfragen deutlich zugelegt hatte. Wagenknecht hatte wiederholt die Grünen als die gefährlichste Partei bezeichnet.
Mit ihrem Projekt will Wagenknecht nach eigenen Worten eine politische Leerstelle füllen. „Ich spüre, dass es ganz viele gibt, die sich eigentlich von keiner Partei mehr vertreten fühlen“, sagte sie vor wenigen Tagen bei einer Lesung in Halle/Saale. Es sei daher an der Zeit, Neues zu schaffen. (dpa)