Die Unternehmen in Deutschland kommen angesichts gestiegener Zinsen und mauer Konjunktur deutlich schlechter an neue Bankkredite. 29,2 Prozent der Betriebe, die gegenwärtig Verhandlungen über Darlehen führen, berichteten im September von Zurückhaltung bei den Geldhäusern, wie das Münchner Ifo-Institut am Montag zu seiner vierteljährlichen Umfrage mitteilte. Im Juni klagten nur 21,3 Prozent der Firmen darüber. Seit Beginn der Erhebung nach der aktuellen Methodik im Jahr 2017 war die Kredithürde nur einmal höher, nämlich im Dezember 2022 mit 30 Prozent.
„Die Banken erhöhen nach und nach die Kreditzinsen und gehen zurückhaltender bei der Vergabe vor“, fasste der Leiter der Ifo-Umfragen, Klaus Wohlrabe, die Ergebnisse zusammen. Der staatlichen Förderbank KfW zufolge waren zuletzt im Durchschnitt mehr als fünf Prozent für Unternehmenskredite fällig. Auch die schwache Konjunktur könnte dazu beitragen, dass die Banken genauer hinschauen. „In wirtschaftlich schwächeren Phasen müssen die Unternehmen auch mehr zur Kreditabsicherung beitragen“, fügte Wohlrabe hinzu.
Die Zahl der Firmenpleiten stieg im Juli um 37,4 Prozent zum Vorjahresmonat auf 1586, wie das Statistische Bundesamt ermittelte. Im Insolvenzfall bleiben Banken in der Regel auf Forderungen sitzen und zögern deshalb in konjunkturell schwierigen Zeiten mit der Bewilligung neuer Gelder.
Die Kredithürde wurde vor allem bei den Dienstleistern höher: Hier beklagten sich 31,5 Prozent über einen schwierigeren Zugang, nach 21,8 Prozent im Juni. In der Industrie stieg der Anteil von 20,7 auf 27,7 Prozent. Bei den Herstellern von elektrischen Ausrüstungen sind es mittlerweile sogar knapp 40 Prozent der Firmen, die von zurückhaltenden Banken berichten. Im Maschinenbau liegt der Anteil bei 31,6 Prozent.
Angesichts der schwierigen Lage im Wohnungsbau sind die Banken auch bei Unternehmen aus dem Grundstücks- und Wohnungswesen vorsichtig (31 Prozent). In der Veranstaltungsbranche liegt der Anteil bei rund 35 Prozent. Im Einzelhandel ist er merklich gestiegen, und zwar von 20,5 auf 28,2 Prozent. „Die wirtschaftliche Lage vieler Einzelhändler ist aufgrund der Kaufzurückhaltung weiterhin schwierig“, hieß es. Das spiegele sich auch in den Kreditvergabebedingungen wider. Ähnliches gilt für das Baugewerbe, wo 29,4 Prozent von einer restriktiven Kreditvergabe berichteten - nach 26,9 Prozent im Juni. Nur im Großhandel gab es einen Rückgang von 22,6 auf 20,2 Prozent.
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihren Leitzins seit dem Sommer 2022 in Rekordtempo von null auf aktuell 4,50 Prozent erhöht, um die Inflationsrate wieder in Richtung ihres Zielwertes von zwei Prozent zu drücken. Aktuell liegt sie mit 4,3 Prozent mehr als doppelt so hoch. (Reuters)