Unternehmen

Unverbindliches aus dem Hause Habeck

Lang war sie erwartet worden: die neue Industrie-Strategie des Bundeswirtschaftsministers Robert Habeck. Doch wer Klarheit über den wirtschaftspolitischen Kurs der Bundesregierung erwartet hatte, wurde enttäuscht. Habecks Papier ist über weite Strecken eine Liste eher unverbindlicher Absichtserklärungen und wolkiger Zukunftsvisionen. Und dort, wo es verbindlich wird, schütteln Ökonomen den Kopf.
Autor
24.10.2023 17:18
Aktualisiert: 24.10.2023 17:18
Lesezeit: 3 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Unter dem Titel „Industriepolitik in der Zeitenwende: Industriestandort sichern, Wohlstand erneuern, Wirtschaftssicherheit stärken“ hat das Bundeswirtschaftsministerium in Berlin seine neue Strategie dargelegt. In der Begründung einer neuen Strategie heißt es in dem Papier, dass in „herausfordernden und unsicheren Zeiten“ von der Politik verlangt werde, „Orientierung zu geben und ihr Handeln zu begründen“. Darin verpflichtet sich Habeck, Deutschland als „starken Industriestandort in seiner ganzen Vielfalt erhalten“ zu wollen – und zwar „vom Weltkonzern über die mittelständischen Hidden Champions bis zum Kleinbetrieb“. Dabei stellt das Ministerium fest, dass die Bedeutung der Industrie für das Land weit über das Ökonomische herausgehe: „Sie trägt entscheidend zum sozialen Zusammenhalt unserer Gesellschaft und auch zu ihrer demokratischen Stabilität bei.“

„Transformative Angebotspolitk“

Doch jenseits der Beschreibung der Bedeutung der Industrie für Deutschland verliert sich das Papier über weite Strecken in einer eher allgemeinen Beschreibung der Probleme. Die Rede ist von einer „geopolitischen Zeitenwende“, die es zu bewältigen gelte, von einer notwendigen „Transformation hin zur Klimaneutralität“, von ausgebliebenen Reformen der Vergangenheit.

Die Antwort auf diese Probleme sieht Habeck in einer „transformativen Angebotspolitk“. Hinter dieser Chiffre verbirgt sich aber letztlich nichts anderes, als das Vorhaben, jene Industrien und Unternehmen zu fördern, die den klimapolitischen Vorstellungen Habecks entsprechen. Tatsächlich läuft die Strategie der „transformativen Angebotspolitik“ auf eine Wirtschaftslenkung hinaus, vergleichbar der Wirtschaftspolitik in Frankreich, wo der Staat die industriepolitischen Ziele definiert.

In einer ersten Stellungnahme hat der Bundesverband der Industrie (BDI) das Bekenntnis Habecks zur Bedeutung der Industrie begrüßt, in gleichem Atemzug aber nun konkrete Schritte zur Überwindung der Krise angemahnt.

Kritik der Ökonomen

Da allerdings verwickelt sich das Haus Habeck in Widersprüche, wie der Wirtschaftsforscher Clemens Fuest feststellt. Der Chef des renommierten Ifo-Instituts erklärt, dass nach seiner Meinung, „eine überzeugende Strategie zur Überwindung der Probleme“ fehle. So beklage zwar Habeck „zu Recht die hohe Bürokratiebelastung der Unternehmen“, so Fuest, gleichzeitig begrüße der Minister in seinem Papier das Energieeffizienzgesetz, das aber die Bürokratielast der Unternehmen erhöhe.

Auch auf die Frage der Unternehmenssteuern geht Fuest in seiner Kritik ein: Habeck verweise zu Recht in seinem Papier auf die hohe Steuerlast für Unternehmen hin, jedoch enthalte sein Papier keine Ideen, wie diese zu mindern sei. Auch die in dem Strategiepapier wiederholte Forderung von Habeck nach Einführung einer Industriestrompreisbremse, lehnt Fuest rundweg ab: Es wäre besser, die strukturellen Probleme Deutschlands anzugehen, als weitere Staatssubventionen bereit zu stellen. Diese Kritik wird auch vom Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer, geteilt: „Statt Subventionen für einzelne, brauchen wir mehr Strom für alle", sagte Krämer. Auch fehlen in dem Papier seiner Meinung nach Vorschläge, wie die zu hohen Unternehmenssteuern gesenkt werden könnten.

Mehr Subventionen

Auch andere Forderungen Habecks laufen auf eine Erhöhung der Ausgaben für Staatssubventionen hinaus. So heißt es in dem 57-seitigen Papier, dass die aufgelegten Förderprogramme auch „langfristig durchgehalten“ müssten, um volle Wirkung zu entfalten: „Das ruft Finanzierungsfragen auf“, stellt Habeck fest, um dann, wenige Sätze später anzukündigen, dass die Regeln der Finanzverfassung, damit meint er die Einhaltung der Schuldenbremse, „spätestens in der nächsten Legislaturperiode an die neuen Realitäten angepasst werden können“. Mit dieser Forderung nach einem Wegfall der grundgesetzlich verankerten Schuldengrenze geht Habeck klar auf Konfrontationskurs mit Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), der bislang energisch auf die Einhaltung der Schuldengrenze besteht.

Etwas Licht sieht die Wirtschaft in dem Bemühen Habecks die inländischen Potenziale auf dem Arbeitsmarkt besser zu heben. So stellt Habeck in seinem Strategiepapier zwei Möglichkeiten vor, wie ältere Menschen dem Arbeitsmarkt auch nach ihren Renteneintritt zur Verfügung stehen könnten. Zum einen wäre es denkbar, die Auszahlung des Arbeitgeberbeitrags zur gesetzlichen Arbeitslosen- und Rentenversicherung nach der Regelaltersgrenze direkt an den Arbeitnehmer auszuzahlen. Die andere Möglichkeit wäre, so Habeck, ein steuerlicher Freibetrag für sozialversicherungspflichtige Beschäftigte oberhalb der Regelaltersgrenze. Beide Möglichkeiten findet Matthias Bianchi vom Deutschen Mittelstandsbund (DMB) interessant. Gegenüber den Deutschen Wirtschaftsnachrichten (DWN) erklärte er, dass sein Verband beide Modelle im Einzelnen noch prüfen werde. Es sei aber letztlich zu begrüßen, dass Bundeswirtschaftsminister Habeck sich der Aufgabe stellen wolle, die Potenziale älterer Arbeitnehmer für die Wirtschaft zu heben.

Insgesamt aber sei das Strategiepapier Habecks aus Sicht des Mittelstands vielfach unbefriedigend, wie Bianchi gegenüber den DWN erklärte: Das Dokument beschreibe den Status Quo. Viele Ideen seien aber schon aus früheren Vorschlägen aus dem Hause Habecks bekannt, andere wiederum wenig konkret. „Ein großer Wurf ist Habecks Strategiepapier sicher nicht“, so Bianchi.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen

 

 

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Elektromobilität stärken: Bundesregierung plant Verlängerung der Steuerbefreiung für Elektrofahrzeuge
08.10.2025

Die deutsche Automobilindustrie steht vor einem tiefgreifenden Wandel. Steigende Anforderungen an Klimaschutz, die Transformation hin zur...

DWN
Politik
Politik Von der Leyen wirft Russland hybriden Krieg gegen EU vor
08.10.2025

Plant Russland einen Angriff auf die EU? Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sieht schon jetzt Zeichen für einen Krieg – und...

DWN
Politik
Politik Kranken- und Rentenversicherung wird für Gutverdiener teurer
08.10.2025

Erwerbstätige mit höheren Einkommen müssen sich darauf einstellen, im kommenden Jahr mehr für die Renten- und Krankenversicherung zu...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutsche Industrieproduktion sinkt erneut deutlich - Einbruch in der Autobranche
08.10.2025

Die deutschen Unternehmen drosseln ihre Produktion stärker als erwartet. Vor allem eine Branche verbucht ein sattes Minus. Hat das...

DWN
Panorama
Panorama Deutschlandticket: Boom vorbei - weniger Fahrgäste im Nahverkehr als vor Corona
08.10.2025

Das Deutschlandticket hat viele in Busse und Bahnen gelockt, doch der Boom ist vorbei. Fahrgastverbände und Verbraucherschützer...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Vom Pflichttermin zum Strategiewerkzeug: Jahresgespräche im Wandel
08.10.2025

Was lange als lästige Pflicht galt, entwickelt sich zum strategischen Machtfaktor: Jahresgespräche sollen nicht mehr nur Protokoll...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft EU kämpft mit Umweltabgaben und Wettbewerbsdruck in der Düngemittelindustrie
08.10.2025

Die europäische Düngemittelindustrie steht unter erheblichem Druck. Hohe Produktionskosten, steigende Emissionsabgaben und der wachsende...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis klettert über 3.450 Euro: Zahl neuer Goldkäufer in Deutschland vervierfacht sich
08.10.2025

Der Goldpreis erreicht ein Rekordhoch nach dem anderen, auch in Euro, trotz ruhiger Märkte. Auch immer mehr Anleger in Deutschland...