Der Start für NEURA Robotics dürfte kein leichter werden. Die Großmächte sind schon lange mit der Entwicklung hochleistungsfähiger Roboter beschäftigt. Darunter sind der Expedition A1 aus China, Atlas aus dem Hause Boston Dynamics sowie Elon Musks Herzensprojekt Optimus. Die Liste ließe sich aber noch lange fortsetzen, denn die potenzielle Nachfrage nach humanoiden Helfern scheint unendlich groß zu sein.
Der Gründer und CEO des Metzinger Start-ups NEURA, David Reger, sieht auch in Deutschland ein großes Potenzial für den Einsatz massentauglicher Roboter. Die Modelle der jungen Firma sind mal humanoid, mal kastenförmig oder bestehen aus einem stationären Arm. Laut firmeneigener Webseite sollen „kognitive Roboter“ für Vertrieb, Logistik, Haushalt, Kunst und in weiteren Branchen eingesetzt werden können. Es stünde eine neue Ära der Kollaboration von Mensch zu Maschine bevor.
Nicht nur zur alltäglichen Entlastung, auch für herausfordernde Tätigkeiten wie die Betreuung älterer Menschen kommen Roboter immer häufiger zum Einsatz. Wie Roboter gegen den Fachkräftemangel eingesetzt werden können, wird länderübergreifend hitzig diskutiert. Fakt ist, dass schon bald viele Tätigkeiten an automatische Helfer ausgelagert werden. Die Frage ist nur, in welchem Maßstab.
Neben 50 Millionen Euro Wagniskapital erhielt NEURA zuletzt 15 Millionen Euro von InterAlpen Partners, einer Private-Equity-Gesellschaft aus den USA. Der Gründer von InterAlpen, Stephen George, hatte früher bereits in Tesla, Twitter und SpaceX investiert und hegt nun große Hoffnungen für den Aufstieg von NEURA. Doch was macht das deutsche Unternehmen so interessant, wenn die Konkurrenz schon seit vielen Jahren ständig neue Prototypen vielseitiger Roboter präsentiert?
Der lernfähige Roboter für Fabrik und Haushalt
Die meisten humanoiden Roboter zeichnen sich durch eine Besonderheit aus. So verfügt Teslas Optimus über die Tesla Vision AI. Somit wären alle Roboter und Fahrzeuge Teslas Teil desselben neuronalen Netzwerks und könnten perfekt miteinander agieren und Informationen austauschen. Chinas Expedition A1 wird mit einem Preis von etwa 25.200 Euro äußerst preiswert angeboten, Boston Dynamics´ Atlas kann anspruchsvolle Parcours und logistische Aufgaben problemlos absolvieren. Humanoide Roboter aus Japan sollen den Geburtenrückgang ausgleichen, indem sie gezielt in Branchen mit Personalmangel eingesetzt werden. .
NEURA Robotics hingegen setzt auf das kognitive Element ihrer Roboter. Jeder automatische Arbeiter aus dem Hause NEURA soll mit speziellen Sensoren ausgestattet werden, durch die er seine Umwelt erkennen und von ihr lernen soll. Zeigt man dem Roboter etwa einen Arbeitsablauf, kann er diesen ohne weitere Umprogrammierung nachahmen und perfektionieren. Der smarte Sensor ist ebenso dafür zuständig, die Kooperation mit Menschen zu optimieren, etwa in Großküchen oder im Haushalt. Die Roboter sollen perfekt mit ihren menschlichen Auftraggebern zusammenarbeiten können.
Denn der Mensch sei ein Allrounder, sagt CEO Reger, und seine Roboter sollten es auch werden. Das bedeutet, dass für unterschiedlichste Aufgaben ein und derselbe Roboter genutzt werden kann. So soll der humanoide Roboter 4NE-1 gleichermaßen auf der Baustelle Teile schleppen, aber auch älteren Menschen im Pflegeheim assistieren können. Diese Wandelbarkeit bedeutet schon jetzt einen kompetitiven Vorteil, da Firmen enorme Kosten sparen können, wenn sie für mehrere Aufgaben nur einen universell einsetzbaren Roboter kaufen als mehrere spezialisierte Modelle. Aber auch im privaten Gebrauch kann dieser Vorteil ausgespielt werden: Schließlich möchten Kunden einen Helfer, der ihnen sowohl die Geschirrspülmaschine ausräumen, als auch beim Austragen der Post behilflich sein kann.
In Roboter investieren — aber auch in NEURA?
Der Markt für Roboter wird, so glaubt CEO Reger, bald schon größer sein als der für Autos. Tatsächlich ist der Absatz für Industrie- und Serviceroboter in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen und soll noch im Jahr 2023 die Marke von 25 Milliarden Dollar weltweit übersteigen. In Roboter investieren ist also eine durchaus sinnvolle Idee, wenn auch größere Gewinne erst in den 2030er-Jahren zu erwarten sind. Bis dahin sollen die Roboter funktional und günstig genug sein, um den Massenmarkt bedienen zu können.
Bis dahin ist es noch ein weiter Weg, so war der ETF L&G ROBO Global Robotics and Automation UCITS ETF zuletzt krachend abgestürzt. Anders als stabile Wertanlagen wie etwa Gold sind Roboter also noch ein Risikogeschäft, doch mit einem starken Aufstieg der Branche kann gerechnet werden, sobald sie markttauglich geworden ist.
Das Start-up NEURA überzeugt mit seinen smarten Sensoren und einer hohen Bedienerfreundlichkeit, Eigenschaften, die insbesondere im privaten Gebrauch von hoher Bedeutung sein werden. Dabei muss aber beachtet werden, dass hinter NEURA bislang private Investoren stehen, aber keine militärischen. Dabei gilt es lange schon als gesichert, dass technologische Innovationen von militärischen Investitionen maßgeblich profitieren — GPS und das Internet sind nur zwei der wichtigsten Beispiele. Die Bundeswehr etwa arbeitet mit den Fabrikaten von Rheinmetall, die sich auf autonome Fahrzeuge fokussieren, und versucht sich an Robotern wie dem Aufklärungssystem RABE der Wuppertaler ELP GmbH. Ferner investiert sie kleinere Beträge in Hersteller wie die ARX Landsysteme (Investition: 1,15 Millionen Euro, Stand September, 2023).
Letztlich liegt das Geld bei den Firmen, die eng mit dem Militär zusammenarbeiten: So entfalten Firmen wie Lockheed Martin Aeronautics, Qinetiq oder Rheinmetall ein enormes Potenzial, da sie durch Verteidigungsetats auf große Förderungen und Einkäufe hoffen können. Fraglich bleibt, ob ein zivil ausgerichtetes Unternehmen wie NEURA gegen Robotikunternehmen bestehen kann, die aktiv von den großen Armeen dieser Welt gefördert werden. Der Haushaltsroboter mit kognitiven Fähigkeiten könnte also ein Verkaufsschlager werden — wenn er nicht von einem Kampfroboter im Vorfeld ausgestochen wird.