Technologie

Solar-Boom: Wenn die Äcker strahlen und nicht mehr blühen

Lesezeit: 2 min
23.11.2023 11:34  Aktualisiert: 23.11.2023 11:34
Für Photovoltaik-Anlagen entlang der öden Autobahnen hatten Deutschlands Bauern ja zumeist noch Verständnis. Warum aber immer wertvolles Ackerland an Betreiber neuer Solarparks verpachtet werden, finden sie geradezu skandalös. Während die Energiewirtschaft 2023 elf Gigawatt Ausbauleistung erwartet, sind Landwirte und Naturschützer alles andere als begeistert.
Solar-Boom: Wenn die Äcker strahlen und nicht mehr blühen
Ein Projektleiter überprüft vor der Eröffnung eines neuen Solarparks auf einem ehemaligen Schießplatz in Stern Buchholz bei Schwerin (Mecklenburg-Vorpommern) die letzten Solarpanele. (Foto: dpa)
Foto: Jens Büttner

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

In Berlin haben sich Experten unlängst im Deutschen Bundestag zu einer Anhörung zum so genannten Solarpaket getroffen. Es wurde vor drei Monaten von der Ampel-Regierung auf den Weg gebracht. Es geht darum, den PV-Ausbau auf Freiflächen zu liberalisieren und zusammen mit Panel-Installation auf den Dächern überall im Lande zu beschleunigen. „Ein großer Hebel ist die geplante bundesweite Öffnung benachteiligter Gebiete für PV-Freiflächenanlagen auf nur wenig ertragreichen Böden“, sagte Kerstin Andreae, Vorsitzende des Bundesverbandes für Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), „dafür haben wir lange geworben.“ Aktuell seien gut 50 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche als solche ausgewiesen – in allen Bundesländern, selbst in Bayern. Dort ist der Widerstand der Bauern und ländlichen Bevölkerung gegen die Pläne am größten.

Ganz vorne beim Geschäft dabei ist zum Beispiel die Düsseldorfer Naturstrom AG. Sie versorgt bereits jetzt rund 300.000 Haushalte und Unternehmen mit Ökostrom und nachhaltiger Wärme. Sie begrüßt das Vorhaben der Regierungskoalition ausdrücklich, noch weitere Flächen bereit zu stellen für EEG-geförderte Solarparks und die damit einhergehende Duldungspflicht. Thomas Banning, der Geschäftsführer der Erzeuger-Gesellschaft NaturEnergy, nennt dies als „sinnvolle Weichenstellung“ und verspricht einen regen Wettbewerb bei den neuen Projekten. Das Geld für weitere Investitionen ist da. „Schon 2023 waren die Ausschreibungen überzeichnet“, sagte Banning. Das sollten Anleger und Investoren nutzen, während der Aufholprozess bei Windkraftanlagen weiterhin stockt.

„Enteignung von Eigentümern“

Verfassungsrechtliche Bedenken trugen die Vertreter des Deutschen Bauernverbandes gegen die beabsichtigte Duldungsplicht bei den Anschlussleitungen vor. Der Gesetzgeber ermögliche damit de facto „die entschädigungslose Enteignung von Pächtern und Eigentümern“. Der Bauernverband prophezeit unzählige Rechtsstreitigkeiten und eine überdies sinkende Akzeptanz für das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) im ländlichen Raum. Gut 80.000 Hektar Ackerflächen gingen im Land verloren.

Als positiv am Gesetzentwurf empfinden Landwirte die Chance, eigene Gebäude auf Höfen und Betrieben mit PV-Anlagen ausstatten zu können. Auch bei Solarparks auf Konversionsflächen sei nichts zu beanstanden. Im Sinne der Biodiversität wünschen sich Bauern breitere Abstände von 3,50 Metern zwischen den Solar-Reihen im Felde. Die Befugnis, die 500 Meter breiten Streifen entlang der Autobahnen nutzen zu dürfen, solle indessen unbedingt aus der EEG-Förderung gestrichen werden, finden sie. Die müssten nicht auch noch bezuschusst werden.

Die Stimmung der Vertreter der Energiewirtschaft ist insgesamt aufgehellt. Es bewegt sich was im Lande, so habe man das Ziel von neun Gigawatt ja bereits übertroffen in diesem Jahr. Der Energieverband schätzt allerdings, dass täglich 43 Fußballfelder bebaut werden müssten, auf Freiflächen, Dächern und geeigneten Anlagen. Sonst liege der angestrebte mittelfristige Ausbau auf 22 Gigawatt ab 2027 noch sehr fern. Beachtlich ist, wie die PV-Flächen die Windräder in Geschwindigkeit überholt haben in den letzten Jahren.

Dass die Betreiber der Solarparks kaum Probleme haben, von den Grundbesitzern Flächen vertraglich für zumeist 20 Jahre in Pacht zu übernehmen, dürfte auch mit dem geforderten Pachtzins zusammenhängen. Forderungen von 2000 bis 3000 Euro pro Hektar seien bereits am Markt bezahlt worden, hört man aus der Branche.

Entsprechend gibt es zum Beispiel in Brandenburg laut Landwirtschaftsministerium bereits 28,000 Solar-Standorte, anfangs nur Brachen oder ehemalige Militärflächen, mittlerweile inmitten etablierter Landwirtschaftsbetriebe. So berichtete der Rundfunk Berlin-Brandenburg unlängst über einen 2500 Hektar großen Ackerbaubetrieb, der nun auf 286 Hektar Sonnenlicht ernten möchte. Für den Eigentümer „eine Existenzfrage“ angesichts der langen Trockenheitsphasen in den vergangenen Sommern“. Der Klimawandel hat ökonomisch klar mehrere Seiten, es gibt auch Gewinner.

                                                                            ***

Peter Schubert ist stellv. Chefredakteur und schreibt seit November 2023 bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Immobilienthemen. Er hat in Berlin Publizistik, Amerikanistik und Rechtswissenschaften an der Freien Universität studiert, war lange Jahre im Axel-Springer-Verlag bei „Berliner Morgenpost“, „Die Welt“, „Welt am Sonntag“ sowie „Welt Kompakt“ tätig. 

Als Autor mit dem Konrad-Adenauer-Journalistenpreis ausgezeichnet und von der Bundes-Architektenkammer für seine Berichterstattung über den Hauptstadtbau prämiert, ist er als Mitbegründer des Netzwerks Recherche und der Gesellschaft Hackesche Höfe (und Herausgeber von Architekturbüchern) hervorgetreten. In den zurückliegenden Jahren berichtete er als USA-Korrespondent aus Los Angeles in Kalifornien und war in der Schweiz als Projektentwickler tätig.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Zu Weihnachten Zukunft schenken

Gerade zu Weihnachten wünschen sich viele Menschen, etwas von ihrem Glück zu teilen und sich für diejenigen zu engagieren, die es nicht...

DWN
Finanzen
Finanzen Kindergeld beantragen: Tipps und wichtige Infos für 2025
22.12.2024

Wussten Sie, dass Sie Kindergeld bis zu sechs Monate rückwirkend erhalten können? Dies gilt sowohl für Ihr erstes Kind als auch für...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Märchen vorbei? Steht Deutschlands Automobilindustrie vor dem Aus?
22.12.2024

Volkswagen in der Krise, Mercedes, BMW & Co. unter Druck – und hunderttausende Jobs stehen auf dem Spiel. Wie kann der Kampf um...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Credit Suisse-Debakel: Ausschuss sieht Schuld bei Bank
22.12.2024

Die Nervosität an den Finanzmärkten war im Frühjahr 2023 groß - drohte eine internationale Bankenkrise? Für den Schweizer...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Der Volkswagen-Deal: Worauf sich VW und die IG Metall geeinigt haben
22.12.2024

Stellenabbau ja, Werksschließungen nein: Mehr als 70 Stunden lang stritten Volkswagen und die IG Metall um die Sparmaßnahmen des...

DWN
Technologie
Technologie Webasto-Geschäftsführung: „Der Einsatz von KI ist eine strategische Notwendigkeit“
22.12.2024

Angesichts des wachsenden Drucks durch die Transformation hin zur Elektromobilität und steigender Kosten in der Branche sprechen Markus...

DWN
Panorama
Panorama Vollgas in die Hölle: Arzt gab sich als Islamkritiker und Musk-Fan - wirr, widersprüchlich!
21.12.2024

Er galt bei den Behörden nicht als Islamist, präsentierte sich als scharfer Kritiker des Islams. Er kämpfte für Frauenrechte und...

DWN
Panorama
Panorama Magdeburg: Anschlag auf Weihnachtsmarkt - fünf Tote, 200 Verletzte - Verdächtiger ist verwirrter Islam-Gegner
21.12.2024

Einen Tag nach der tödlichen Attacke auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg sitzt der Schock tief. Erste Details zum Tatverdächtigen werden...

DWN
Immobilien
Immobilien Grundsteuer 2025: Alles rund um die Neuerung
21.12.2024

Ab Januar 2025 kommt die neue Grundsteuer in Deutschland zum Einsatz. Viele Hausbesitzer und künftige Käufer sind besorgt. Und das...