Politik

Jusos wütend auf Scholz, weil er vom Abschieben sprach

Die Jusos wollen die SPD wieder auf links drehen. Sie sind wütend auf Kanzler Scholz, der in einem Interview vom „Abschieben im großen Stil“ gesprochen hatte.
18.11.2023 16:15
Aktualisiert: 18.11.2023 16:15
Lesezeit: 2 min

Berlin - Olaf Scholz ist zwar selbst nicht da, doch er blickt vom «Spiegel»-Cover auf den Juso-Bundeskongress in Braunschweig. Delegierte vorne im Saal halten das Titelblatt am Samstag anklagend in die Luft. Darauf das Zitat des Kanzlers: «Wir müssen endlich im großen Stil abschieben.» Das Wort «abschieben» haben sie durchgestrichen und durch Forderungen wie «den Klimawandel bekämpfen» und «neue Wohnungen bauen» ersetzt.

Die Aktion zeigt, was sich bereits mit der Wahl des neuen Vorsitzenden Philipp Türmer ankündigte: Die SPD-Jugend geht wieder auf Konfrontationskurs. Die Jusos sind wütend - auf den Kanzler, die Regierung, ihre eigene Partei.

Diesen Frust bekommt Parteichefin Saskia Esken zu spüren. In ihrer Rede verteidigt sie Scholz' Migrationspolitik. Das «Spiegel»-Cover habe sie auch erschreckt, sagt Esken. «Aber wenn man das ganze Interview des Kanzlers liest, dann kann man den ganzheitlichen Ansatz der Migrationspolitik der Ampel schon erkennen. Die Sprache, die Sprache ist unser Problem.»

Die Jusos in Braunschweig sehen das anders. «Nein, nicht die Worte, sondern die Politik sind das Problem, Saskia», ruft einer. Die SPD spreche Schutzsuchenden durch ihre Abschiebungspolitik das Recht auf Asyl ab, entrüstet sich eine Delegierte aus NRW. Einer droht: «Wir sind bereit, weiter mit euch zu kämpfen, aber nur, wenn ihr euch an eure Versprechen haltet.» Wie es sich anfühlt, die Jusos gegen sich zu haben, weiß der Kanzler schon von der «No GroKo»-Kampagne nach der Bundestagswahl 2017.

Nicht wenige Jusos sehnen sich nach dieser Zeit zurück, als ihr damaliger Chef Kevin Kühnert seine Partei in zwei Lager spaltete und die Top-Politiker kräftig unter Druck setzte. Der neue Juso-Chef Philipp Türmer hat sich vorgenommen, in diese Fußstapfen zu treten. Unter der Bundestagsabgeordneten Jessica Rosenthal waren die Jusos zwischenzeitlich leise geworden, in den vergangenen zwei Jahren gab es kaum Kritik an Scholz und der Parteispitze. Doch zur Halbzeit der Koalition soll es vorbei sein mit dem Füße-Stillhalten.

Als Esken 2019 von den Jusos unterstützt zur Parteichefin gewählt wurde, da habe er so etwas wie Aufbruch gespürt, sagt der 27 Jahre alte Türmer. Doch jetzt? «Ich sehe nicht, wo da ein Ruck durch diese Partei geht.» Deutschland habe zwar einen sozialdemokratischen Kanzler - doch das scheine Scholz selbst zu vergessen.

«Ändere deinen Kurs», hatte Türmer Scholz in seiner Bewerbungsrede am Freitag aufgefordert. Jetzt bekommen Esken und der in Braunschweig fehlende Parteichef Lars Klingbeil den Frust ab. «Im Moment habe ich das Gefühl, die SPD ist ganz häufig - und leider auch ihr beide als Parteivorsitzende - nur ein ganz kleiner Stachel im Fleisch des Bundeskanzleramts. Und meistens merken sie anscheinend nicht besonders viel davon.»

Ihren eigenen Stachel wollen die Jusos jetzt wieder tiefer bohren. Esken reagiert zunächst gelassen: Kritische Solidarität sei eine gute Sache, sagt sie. «Wir müssen uns immer wieder auch auseinandersetzen, auch aneinander reiben. Daraus entstehen neue kreative Ideen und draus entsteht auch neue Stärke.»

Scholz dagegen stellte sich der Auseinandersetzung zunächst nicht. Zum zweiten Mal in Folge lehnte er die Einladung der Jusos ab - aus terminlichen Gründen. Am Freitag hatte Scholz den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan empfangen - ein politischer Drahtseilakt ganz anderen Kalibers.

Doch dafür dürfte es beim Bundesparteitag Anfang Dezember in Berlin spannend werden. Die SPD-Jugend will einen Antrag zur Migrationspolitik einbringen und den Kanzler stellen. SPD-Influencerin Lilly Blaudszun kündigte nach Türmers Wahl bereits an: «Die Jusos sind wieder da!» (dpa)

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Arbeitsmarkt ohne Erholung im Juni: Warten auf den Aufschwung
01.07.2025

Die erhoffte Belebung des Arbeitsmarkts bleibt auch im Sommer aus: Im Juni ist die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland nur minimal um...

DWN
Politik
Politik Schlachtfeld der Zukunft: Die Ukraine schickt ihre Kampfroboter ins Gefecht
01.07.2025

Die Ukraine setzt erstmals schwere Kampfroboter an der Front ein. Während Kiew auf automatisierte Kriegsführung setzt, treiben auch...

DWN
Immobilien
Immobilien Wohnen bleibt Luxus: Immobilienpreise steigen weiter deutlich
01.07.2025

Die Preise für Wohnimmobilien in Deutschland sind erneut gestiegen. Laut dem Statistischen Bundesamt lagen die Kaufpreise für Häuser und...

DWN
Politik
Politik Trump und Musk im Schlagabtausch: Streit um Steuerpläne und neue Partei eskaliert
01.07.2025

Die Auseinandersetzung zwischen US-Präsident Donald Trump und dem Tech-Milliardär Elon Musk geht in die nächste Runde. Am Montag und in...

DWN
Politik
Politik Dänemark übernimmt EU-Ratsvorsitz – Aufrüstung dominiert Agenda
01.07.2025

Dänemark hat den alle sechs Monate rotierenden Vorsitz im Rat der EU übernommen. Deutschlands Nachbar im Norden tritt damit turnusmäßig...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Technik streikt: Zählt Ausfallzeit zur Arbeitszeit?
01.07.2025

Wenn im Büro plötzlich die Technik versagt, stellt sich schnell eine Frage: Muss weitergearbeitet werden – oder zählt die Zeit...

DWN
Politik
Politik NATO ohne Substanz: Europa fehlen Waffen für den Ernstfall
01.07.2025

Europa will mehr für die Verteidigung tun, doch der Mangel an Waffen, Munition und Strategie bleibt eklatant. Experten warnen vor fatalen...

DWN
Finanzen
Finanzen Trumps Krypto-Coup: Milliarden für die Familienkasse
30.06.2025

Donald Trump lässt seine Kritiker verstummen – mit einer beispiellosen Krypto-Strategie. Während er Präsident ist, verdient seine...