Das Klima- und Umweltschutz nicht unbedingt ein und dasselbe sind, wird mittlerweile mehr und mehr Menschen klar. Zwar sorgt das blankpolierte Elektromobil in der heimischen Reihenhausgarage beim stolzen Besitzer erfahrungsgemäß immer noch für das gute Gefühl, „das Richtige“ zu tun und nun seit der Anschaffung des Vehikels aktiv an der Rettung der Menschheit mitzuwirken. Dabei kann es durchaus erstaunen, dass die Zielgruppe der aktuellen Modeautomobile vollkommen selbstverständlich in Umfang und Zeithorizont willkürlich gesetzte „Klimaziele“ akzeptiert und sich mit ihrem Glauben an die menschliche Fähigkeit, auf eben jenes Klima maßgeblichen Einfluss nehmen zu können, in die Nähe des Größenwahns begibt. Ebenfalls erstaunt, dass die damit in Zusammenhang stehenden Kollateralschäden nur allzu gerne vollständig ausgeblendet werden.
So bringt die fortschreitende Elektrifizierung der Welt mindestens zwei Realitäten mit sich. Während wir uns hierzulande, in den Ländern der sogenannten „Ersten Welt“, mehr und mehr geruchsneutral, geräuschlos und politisch korrekt fortbewegen (und unseren Strom erzeugen), wird die Zeche an anderer Stelle gezahlt. Glücklicherweise, für uns, lagern die für die Dekarbonisierung der Welt notwendigen Rohstoffe mehrheitlich in fernen Regionen, was das Nicht-Hinsehen sehr erleichtert. In den Fördergebieten Afrikas oder Südamerikas ist von Hochglanz jedenfalls keine Spur. Die dortigen Arbeitsbedingungen sind mit „moderner Sklaverei“ korrekt beschrieben und die Umweltschäden eklatant. Mit potenziellen Umweltschäden ist auch bei der Entsorgung von EVs sowie Solar- und Windkraftanlagen zu rechnen. Bislang spielt das Thema Recycling nur eine untergeordnete Rolle, Solarpaneele und die Flügel der Windkraftanlagen gelten als Sondermüll und werden, wie Atommüll, wohl vergraben werden müssen.
Bevölkerung begehrt auf
Insbesondere die Arbeitsbedingungen und die massiven negativen Auswirkungen auf die Umwelt sind es, die dazu führen, dass weltweit immer mehr Menschen in den betroffenen Regionen die Entwicklung neuer Minen ablehnen. Es kristallisiert sich mehr und mehr heraus, dass es nicht nur technische Herausforderungen sind, die bezüglich des Erreichens von CO2-Neutralität nicht zu Ende gedacht wurden, sondern dass auch die Bevölkerungen der Staaten, die diese Minen betreiben, damit der Rest der Welt deren Vorteile genießen kann, nicht mehr mitspielen wollen – obwohl diese Arbeitsplätze schaffen und die lokalen Kassen füllen.
In den letzten Jahren hat die Industrie die Art und Weise, wie sie mit den Menschen umgeht, die von den massiven Umwälzungen im Bergbau betroffen sind, zwar verändert. So sind sich die Unternehmen bewusst, dass sie auch eine „soziale Lizenz“ für ihre Tätigkeit benötigen und haben Anstrengungen unternommen, um über Gemeindevertreter und Politiker die Bevölkerung für sich zu gewinnen. Dennoch gelingt es ihnen oft nicht, eine breite öffentliche Unterstützung zu erhalten. So stecken derzeit einige der wichtigsten neuen Minen der Welt wegen des Widerstands der örtlichen Bevölkerung in der Bredouille, auch in Europa.
Proteste gegen riesige Kupfermine in Panama
Der kleine mittelamerikanische Staat ist nicht nur auf Grund der dortigen Verbindung von Karibik und Pazifik für die Weltwirtschaft von immenser Bedeutung, Panama ist auch reich an Kupfer. Doch im Oktober brach sich die Volkswut explosionsartig Bahn und legte den gesamten Staat in Wirtschaft und Verwaltung geradezu lahm. Der Zorn richtete sich gegen das kanadische Bergbauunternehmen Quantum Minerals Ltd., welches in den vergangenen beinahe 10 Jahren dort mehr als 10 Mrd. US-Dollar in den Ausbau einer der größten und neusten Kupferminen der Welt investiert hatte.
Die Mine Cobre Panama macht etwa 1,5 % der weltweiten Kupferproduktion aus, ist der bei weitem größte Geldbringer des Förderers und steuert etwa 4 % zum panamaischen BIP bei. Viele Panamaer sind jedoch der Meinung, dass der überarbeitete Betriebsvertrag dem kanadischen Bergbauunternehmen gegenüber zu großzügig sei und die Souveränität des Landes über seine Bodenschätze verletze.
Nach der massiven Gegenwehr der betroffenen Bevölkerung steht das Projekt nun auf der Kippe. Mehrere Anwälte haben Klagen gegen den neuen Vertrag beim Obersten Gerichtshof des Landes eingereicht und behaupten, dass er First Quantum übermäßige Rechte über panamaisches Territorium gewährt und gegen die Verfassung verstößt. Einheimische Umweltschutzorganisationen fordern, den Betrieb umfänglich auszusetzen und ein nationales Bergbaumoratorium zu verhängen, um Umweltverschmutzungen zu verhindern. Beendet werden konnten die Massenunruhen erst, nachdem die Regierung Panamas angekündigt hatte, ein Referendum über den Betrieb der Kupfermine abzuhalten.
Unmut auch in den USA und Europa
Selbst in den USA, neben der EU Vorreiter in Sachen Energietransformation, regt sich Widerstand – jedenfalls dann, wenn im eigenen Garten nach Metall gegraben werden soll. Zwar ist einer der zentralen Inhalte des im vergangenen Jahr verabschiedeten Inflation Reduction Act die gezielte Förderung der inländischen Produktion von Batterietechnik für Elektromobilität, wenn es jedoch um den Betrieb entsprechender Minen geht, die die dafür unabdingbaren Mineralien zu Tage fördern sollen, gibt es Vorbehalte.
Seit 2008 bereits erschließt Bergbauriese Rio Tinto in der nordamerikanischen Sonora-Wüste eine Region, die mit 18 Mio. Tonnen Reserven eines der weltweit größten Kupfervorkommen beheimatet. Dieses zu erweitern war bereits vertraglich festgezurrt, allerdings befinden sich die zusätzlichen Ländereien in einer Region, welche für die dort beheimateten Apachen von großer spiritueller Bedeutung ist, das Projekt hängt nach deren umfangreichen Protesten nun bis auf weiteres in der Schwebe. Auch dort liegen die Rohstoffe, die für den Übergang zu einer grüneren Wirtschaft nötig sind an Orten, die Umweltschützern und lokalen Interessenvertretern am Herzen liegen. Und wer an diese heran will, muss zunehmend mit Ärger rechnen.
Dies ist ein enormes Dilemma, denn einerseits soll Umwelt geschützt und Kulturen bewahrt werden. Auf der anderen Seite muss aber auch der enorme Hunger nach „Energiewendemetallen“, wie Kupfer, gestillt werden. Auch um Abhängigkeiten zu ungeliebten Dritten zu vermeiden und die Sicherheit der Lieferketten voranzutreiben. Gerade Rio Tinto hat mit diesem Spagat seine eigenen Erfahrungen: im Jahr 2021 sprengte das Unternehmen ein 46.000 Jahre altes Kulturerbe in Australien, um eine Eisenmine zu erweitern. Wütende Proteste indigener Gruppen folgten umgehend, und beinahe die gesamte Führungsriege des Konzerns musste ihren Hut nehmen.
So aufgeschlossen man sich in Europa auch der Energietransformation gegenüber zeigt, so kritisch steht man ihr gegenüber, wenn man von den unangenehmen Begleiterscheinungen selbst betroffen ist. Erst im vergangenen Jahr hatte Serbien die Pläne für die größte Lithiummine Europas - ein Vorzeigeprojekt des neuen Vorstandsvorsitzenden der Rio Tinto Group - in einer dramatischen Reaktion auf den lokalen Widerstand gestoppt. Auch in Belgrad trieben Umweltbedenken tausende Demonstranten auf die Straße und verhinderten schließlich die Umsetzung der bereits vertraglich festgeschriebenen Pläne.
Weltweiter Widerstand
Derartige Widerstände lassen sich derzeit weltweit beobachten. In den USA sind die Beispiele zahlreich, auch in Südamerika kommen die Bergbauunternehmen nur noch unter großen Schwierigkeiten voran. Das Beispiel aus Serbien zeigt, wie selbst objektiv relativ unbedenkliche Projekte auf Eis gelegt werden – immerhin sollte die Mine auf Ackerland und nicht im Urwald gebaut werden und wäre darüber hinaus nur 10 Autostunden von Deutschlands Autoindustrie entfernt gewesen.
Mittlerweile kommen mehr und mehr der betroffenen Gemeinden zu dem Schluss, dass das in Aussicht stehende Angebot an Arbeitsplätzen und Steuereinnahmen, welches der Bergbau zweifellos bietet, die teils potenziellen, teils unvermeidlichen, negativen Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit oft nicht wert sind. Dass die politisch gewollte und hochsubventionierte, weil marktwirtschaftlich kaum lebensfähige, Energiewende in all ihren Facetten schwächelt zeichnet sich zunehmend ab. Bislang standen dabei jedoch ungelöste technische Hürden im Weg.
Die nun aus einem offenkundigen Prioritätenwechsel resultierende, ablehnende Haltung der Menschen selbst, rückt deren Erfolg in nochmals weitere Ferne. Und mit einem Wechsel dieses Trends ist nicht zu rechnen, schließlich werden immer mehr Menschen von den unmittelbaren Auswirkungen, nicht nur von Bergbauprojekten, betroffen sein. Das dort, wo gehobelt wird, auch Späne fallen, ist hinlänglich bekannt. Allerdings akzeptieren immer weniger Menschen, dass diese Hobelarbeiten im eigenen Wohnzimmer durchgeführt werden sollen. Für die Versorgung mit kritischen Metallen sind dies keine rosigen Aussichten.