Unternehmen

„Die alten Modelle greifen nicht mehr“

Lesezeit: 3 min
22.11.2023 11:56  Aktualisiert: 22.11.2023 11:56
Der akute Mangel nicht nur an Facharbeitern, sondern allgemein an Mitarbeitern zwingt die Unternehmen, über neue Modelle der Mitarbeitergewinnung nachzudenken. Die Personalberaterin Sarah Braatz sagt im Interview mit den Deutschen Wirtschaftsnachrichten (DWN), welche Modelle gerade für Klein und Mittelständische Unternehmen interessant sein könnten.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Deutsche Wirtschaftsnachrichten (DWN): Wie lassen sich neue Mitarbeiter gewinnen oder alte im Unternehmen halten, wenn einerseits der Mangel so groß ist und die Mittel des Unternehmens für höhere Gehälter begrenzt sind?

Sarah Braatz: Nun, einfach nur höhere Gehälter zu zahlen, ist sicherlich nicht die kreativste Herangehensweise. Erst recht nicht für ein eher kleines oder mittelständisches Unternehmen, das mit den Gehältern beispielsweise von internationalen Großkonzernen nicht mithalten kann, aber es gibt andere, kreative Möglichkeiten.

DWN: Und die wären?

Braatz: Ganz wichtig ist es, Benefits zu schaffen. Dabei rede ich nicht von der Obstschale im Unternehmen, sondern von für Mitarbeiter relevante Leistungen jenseits des Brutto-Gehalts. Hierbei haben Arbeitgeber interessante Möglichkeiten, ihren Mitarbeitern Zusatzleistungen zu gewähren, die dazu auch noch sozialversicherungsfrei und steuerfrei sein können oder aber pauschalversteuert.

DWN: An welche Sachleistungen denken Sie und was wäre dabei zu beachten?

Braatz: Hierzu zählen beispielsweise Sachbezüge, Essenszuschüsse, Entfernungspauschale, Internetpauschale und ähnliches. Ein Klassiker ist beispielsweise der Gruppenvertrag mit einem Fitnessstudio, den ich als Unternehmer abschließen kann. Ist natürlich eine feine Sache, zumal ja auch im Idealfall der Mitarbeiter sich damit fit und gesund hält. Jedoch ist dieses Modell eher für ein Unternehmen in einer Stadt geeignet, wo auch das Studio ist. Wenn aber das Studio weiter weg ist, der Mitarbeiter noch eine halbe Stunde Fahrtzeit braucht, um überhaupt dorthin zu kommen, dann ist das für den Mitarbeiter schon nicht mehr so attraktiv. Benefits sollten sich schon auf die Mehrheit der Bedürfnisse der Mitarbeiter ausrichten, um niemanden außen vor zu lassen. Aber es gibt ja auch andere Sachleistungen, die ein Unternehmen anbieten kann. Ich denke da beispielsweise an die Kreditkarte für den Mitarbeiter. Auf eine Mastercard, die sogar mit Firmenlogo versehen werden kann, kann dem Mitarbeiter monatlich 50 Euro auf die Karte geladen werden. Das Geld ist dabei weder sozialversicherungs- noch steuerpflichtig. Das ist jetzt ein Beispiel. Darüber hinaus gibt es tatsächlich eine Vielzahl an Möglichkeiten, die der Variante der Kreditkarte ähneln. Es gibt mittlerweile auch viele attraktive Gruppenverträge, die die Sozialleistungen der Arbeitnehmer aufbessern können.

DWN: Nämlich?

Braatz: Beispielsweise durch den Aufbau einer betrieblichen Krankenversicherung sowie die Absicherung der Berufsunfähigkeit ohne Gesundheitsprüfung. Das habe ich selbst im Rahmen meiner Beratungstätigkeit kürzlich für ein mittelständisches Unternehmen eingeführt. Der Vorteil ist, dass diese Zusatzleistungen nur über den Arbeitgeber im Rahmen eines Gruppenvertrags bezogen werden können, damit hat hier hat der Arbeitgeber bereits ein toller Benefit geschaffen. Mitarbeiter profitieren durch Leistungen wie Sehhilfen, Naturheilverfahren, Zahnbehandlung oder zusätzlichen Familienschutz in der Krankenversicherung. Bei der Berufsunfähigkeit ist es natürlich klasse, ohne Gesundheitsprüfung eine Berufsunfähigkeitsrente erhalten zu können. Ein oft unterschätztes Thema ist auch die betriebliche Altersvorsorge. Mittlerweile bieten natürlich die Unternehmen den gesetzlichen 15-Prozent-Zuschuss, aber es gibt auch hier Modelle, die noch deutlich attraktiver sein können.

DWN: Welche meinen Sie hier konkret?

Braatz: Der älteste, jedoch unbekannteste Weg ist die pauschaldotierte Unterstützungskasse. Diese Durchführungsform bietet sowohl dem Mitarbeiter als auch dem Arbeitgeber interessante Vorteile und schafft für beide Seiten eine wirkliche win-win-Situation. Vorteil aus Unternehmersicht ist, dass die Beiträge nicht an eine Versicherungsgesellschaft abgeführt werden, sondern im Unternehmen verbleiben. Der Arbeitgeber ist der Verantwortliche der Zusage gegenüber seinem Mitarbeiter und muss entsprechend mit den Beiträgen fürsorglich umgehen, ist jedoch in seiner Anlageform flexibel. Da das Geld im Unternehmen bleibt, sichert das Unternehmen sich hier zusätzliche Liquidität. Für die Mitarbeiter hat das Modell den Vorteil, dass diese Altersvorsorge wie ein Sparbuch-Modell zu betrachten ist. Es entstehen keine Abschluss- und keine Verwaltungskosten wie bei einer herkömmlichen Versicherung. Ein weiterer Vorteil ist die höhere Steuerfreiheit für Mitarbeiter, die mehr als nur die acht Prozent der Beitragsbemessungsgrenze wandeln möchten. Viele Unternehmen nutzen diese Möglichkeit auch als Mitarbeiterbindungsmaßnahmen mit einem Stufenmodell. Hier werden die Mitarbeiter für ihre Betriebszugehörigkeit belohnt.

DWN: Vielen sind aber solche Modelle doch noch gar nicht bekannt.

Braatz: Das ist der springende Punkt: Sowohl Mitarbeiter als auch Unternehmer wissen oft nicht, welche Möglichkeiten es gibt. Da ist zum einen bei sehr vielen Unternehmern – leider immer noch – das Wissen über diese Möglichkeiten sehr begrenzt. Zum anderen müssen aber auch Unternehmen ihre Benefits, die sie Mitarbeitern anbieten, noch viel überzeugender darstellen. Ich finde, das gehört unbedingt in eine Stellenanzeige. Gerade dann, wenn sie etwas ausgefallener sind. Die alten Modelle jedenfalls greifen nicht mehr.

Sarah Braatz ist seit über 6 Jahren selbständig als Interim Managerin im Bereich Human Resources tätig. In der Beratung zur Einführung von Benefits in KMU kooperiert sie mit SoftVer GmbH als Software- und Beratungshaus für die Umsetzung und digitale Verwaltung der Benefits in Unternehmen.

 


Mehr zum Thema:  

 

DWN
Finanzen
Finanzen Boom-Segment aktive ETFs: BlackRock startet fünf neue Fonds
07.09.2024

Blackrocks ETF-Tochter iShares erweitert ihr Angebot in Europa um fünf neue aktive ETFs. Ziel der Fonds ist es, Anlegern kostengünstige...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Flexible Arbeitszeiten: Sind Vollzeitjobs ein Auslaufmodell?
07.09.2024

Eine repräsentative Befragung der Bertelsmann Stiftung zeigt, dass nur noch eine Minderheit eine Stelle mit festen Arbeitszeiten...

DWN
Finanzen
Finanzen Derivate Erklärung: So funktionieren Zertifikate, CFDs und Optionsscheine
07.09.2024

Derivate wie Futures, Optionen, Zertifikate, Optionsscheine, Swaps und CFDs sind heftig umstritten. Einige sehen darin notwendige...

DWN
Technologie
Technologie Wasserstoffprojekt in Namibia könnte KZ-Gedenkstätte gefährden
07.09.2024

Deutschland unterstützt ein Großprojekt zur Herstellung von grünem Wasserstoff in Lüderitz. An diesem Ort befand sich einst das erste...

DWN
Immobilien
Immobilien Tag des offenen Denkmals: 7 ungewöhnliche Monumente in Deutschland
07.09.2024

Ob Schloss Neuschwanstein oder Siegessäule: Viele Denkmäler in Deutschland sind international bekannt. Hier werfen wir einen Blick auf...

DWN
Technologie
Technologie Stromerzeugung aus Windkraft: Die Dynamik nimmt ab
07.09.2024

Im vergangenen Jahr war Windkraft erstmals die Hauptquelle der hiesigen Stromerzeugung, weit vor Kohle. Doch in diesem Jahr ist eine...

DWN
Politik
Politik Trump-Erfolg im Schweigegeld-Prozess: Urteil erst nach US-Wahl
07.09.2024

Im New Yorker Prozess wegen Schweigegeldzahlungen von Ex-Präsident Donald Trump wird das Strafmaß erst nach der Präsidentschaftswahl...

DWN
Panorama
Panorama Studie: Ungesunde Ernährung bereits bei Kleinkindern weit verbreitet
07.09.2024

Laut einer aktuellen Studie ernähren sich bereits Kleinkinder zu süß und ungesund. Wie das Max Rubner-Institut (MRI) in Karlsruhe, ein...