Die deutsche Wirtschaft steht nach dem schwachen Abschneiden im dritten Quartal vor einer Rezession. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ging von Juli bis September wegen sinkender Konsumausgaben um 0,1 Prozent im Vergleich zum Vorquartal zurück, wie das Statistische Bundesamt am Freitag eine Schätzung von Ende Oktober bestätigte.
Im Frühjahr war Europas größte Volkswirtschaft noch um 0,1 Prozent gewachsen, nachdem es in den ersten drei Monaten des Jahres lediglich zu einer Stagnation gereicht hatte. Ökonomen und die Bundesbank gehen davon aus, dass es im laufenden Quartal das zweite Minus-Quartal in Folge geben und damit zu einer technischen Rezession kommen wird.
Bundesregierung und Bundesbank erwarten mit Blick auf das Gesamtjahr einen Rückgang der Wirtschaftsleistung von etwa 0,5 Prozent.
"Für Deutschland kommt es gerade knüppeldick", sagt der Chefvolkswirt der VP Bank, Thomas Gitzel. Von staatlicher Seite seien wegen der Flaute eigentlich dringend Impulse notwendig. "Doch mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts könnten Sparmaßnahmen der Regierung zu einer zusätzlichen Wachstumsdämpfung führen", sagte Gitzel mit Blick auf das Loch im Staatshaushalt.
"Sollte sich die Bundesregierung entscheiden, tatsächlich die durch das Verfassungsgerichtsurteil nun fehlenden Milliarden für das kommende Jahr durch massive Kürzungen oder allgemeine Steuererhöhungen auszugleichen, steigt das Risiko, dass die deutsche Wirtschaft nach dem Minus 2023 auch 2024 erneut schrumpft", warnte der Wissenschaftliche Direktor des Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Sebastian Dullien.
Die Aussagen der Ökonomen sind bemerkenswert. Faktisch bedeuten sie, dass nur noch immer höhere Schulden und staatliche Lenkung die Wirtschaft des Landes vor der Krise bewahren können. Dagegen finden die strukturellen Gründe für die Probleme (überbordende Bürokratie, immer mehr Klima-Restriktionen, zu hohe Steuern und Abgaben, zu hohe Energiepreise, Fachkräftemangel und Bildungskrise etc.) kaum Beachtung.
Deutschland wird abgehängt
Verglichen mit anderen großen Industrienationen steht Deutschland bereits jetzt schlecht da: Frankreich schaffte im Sommerquartal ein Mini-Wachstum von 0,1 Prozent, Spanien sogar von 0,3 Prozent und die USA von 1,2 Prozent.
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Zurückgehalten haben sich im Sommer vor allem die deutschen Verbraucher, die angesichts von Kaufkraftverlusten infolge der hohen Inflation ihr Geld zusammenhielten: Die privaten Konsumausgaben - die etwa zwei Drittel des BIP ausmachen - fielen deswegen um 0,3 Prozent niedriger aus als im Vorquartal.
Die Konsumausgaben des Staates legten dagegen erstmals seit mehr als einem Jahr wieder zu, und zwar um 0,2 Prozent. Die Investitionen in Ausrüstungen wie Maschinen und Fahrzeuge wuchsen um 1,1 Prozent an, während die Bauinvestition um 0,4 Prozent zunahmen. Der Außenhandel schrumpfte hingegen: Die Exporte nahmen um 0,8 Prozent ab, die Importe sogar um 1,3 Prozent.
"Im vierten Quartal 2023 dürfte die Wirtschaftsleistung erneut leicht zurückgehen", heißt es im aktuellen Monatsbericht der Bundesbank. Die Wirtschaftsweisen gehen in ihrem Jahresgutachten für die Bundesregierung davon aus, dass es auch im Gesamtjahr ein Minus geben wird - und zwar von 0,4 Prozent.
Im ersten Quartal 2024 könnte das BIP dann wieder "leicht zulegen", erwartet die Bundesbank und liefert auch eine Begründung für diese Annahme: "Die Binnenkonjunktur sollte allmählich Tritt fassen, denn die realen Nettoeinkommen der privaten Haushalte dürften aufgrund der hohen Lohnsteigerungen und des nachlassenden Preisdrucks weiter steigen." Selbst wenn die Verbraucher noch eine Weile mit ihren Ausgaben zurückhaltend bleiben sollten, dürften sie ihren Konsum wohl nach und nach wieder ausweiten.
Schleichender Niedergang seit Merkel
Folker Hellmeyer ruft die Politik im Hellmeyer Report angesichts der sich verschlechternden Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu Gegenmaßnahmen und einer ehrlichen Analyse der Gründe der Krise auf:
Nachfolgend sind Meldungen angeführt, die Veränderungen in Deutschland einfordern. Diese Veränderungen sind struktureller Natur. Sie bedienen das hier seit Jahren wiederholte Thema der Notwendigkeit struktureller Neuausrichtungen (Aristoteles: Struktur – Konjunktur – Einkommen).
Ich freue mich, dass jetzt diese Themen von der Bundesbank, der OECD und des IWF aufgenommen werden. Aber es stellt sich die Frage, wo die notwendige sachliche analytische Kompetenz im Vorwege bei unseren Wirtschaftseliten, den politischen Eliten und unseren Medien war, denn die aktuellen Entwicklungen waren absehbar, sie sind nicht vom Himmel gefallen.
Mehr noch, wie wurden die mahnenden und warnenden Stimmen behandelt? Wurden nicht bewusst opportunistische Echokammern aufgebaut („intellektuelle Korruption“)?
Effizienzsteigerungen/Produktivitätsfortschritte, um Konkurrenzfähigkeit als Standort im internationalen Geschäft zu gewährleisten, sind mit öffentlichen und privaten Investitionen korreliert. Ergo sind die Voraussetzungen für Investitionen durch die Politik zu optimieren, wir reden über attraktive Infrastruktur (klassisch und IT), konkurrenzfähige Energiemärkte (Versorgung und Preis, wir leben in einem energetischen Zeitalter, ohne Energie geht nichts!), wir reden über das Bildungsniveau (Problem), über innere Sicherheit (kritisch), über interessenorientierte Außenpolitik (!), über ein konkurrenzfähiges, Leistung förderndes Steuerregime und über eine Ausrichtung darauf, dass der Leistungscharakter eines Landes durch eine Anspruchsgesellschaft nicht überfordert wird. Die Fehler in der Steuerung dieses Landes sind seit 18 Jahren eklatant. Vom Paradepferd (und Schulmeister) Europas ist Deutschland dadurch zum abgehalfterten Gaul mutiert. Dem gilt es, mit kompetentem Personal (Halb- oder Unwissen und Ideologien nicht tolerierbar), mit den Mitteln des Pragmatismus (setzt Realitätssinn voraus) entgegen zu wirken, wenn hier auch zukünftige Generationen Zukunftsfähigkeit erfahren wollen.