Politik

Rechtsgutachten prüft Berliner Sondervermögen

Die deutsche Hauptstadt bekommt die Folgen der jüngsten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nun direkt zu spüren. Jetzt prüft auch der CDU-SPD-Senat, ob seine Pläne zur Errichtung eines milliardenschweren Sondervermögens überhaupt rechtmäßig sind. Dabei wird immer deutlicher: Das Land Berlin steuert auf eine Haushaltskrise zu.
Autor
29.11.2023 18:58
Aktualisiert: 29.11.2023 18:58
Lesezeit: 2 min
Rechtsgutachten prüft Berliner Sondervermögen
Umstrittenes Sondervermögen auf dem Prüfstand: Berlins Finanzsenator Evers. (Foto: dpa) Foto: Sebastian Christoph Gollnow

Im Abgeordnetenhaus hat nun der Berliner Finanzsenator Stefan Evers (CDU) angekündigt, dass der Senat ein Gutachten einholen wolle, um die Rechtmäßigkeit eines geplanten Sondervermögens zu prüfen. Das geplante Sondervermögen sollte ursprünglich mit dem Doppelhaushalt 2024 und 2025 am 18. Dezember beschlossen werden. Der Senat wollte in zwei Tranchen in Höhe von jeweils fünf Milliarden Euro ein sogenanntes Sondervermögen aufbauen. Mit dem euphemistischen Begriff „Sondervermögen“ werden extra Schuldentöpfe jenseits eines regulären Haushalts bezeichnet. Die Einrichtung dieses Sondervermögens begründet der Berliner Senat mit einer angeblichen Klimanotlage. Aus dem Schuldentopf sollen dann Ausgaben in den Bereichen Verkehr, Gebäudesanierung und Energie bezahlt werden.

Die Einholung eines Rechtsgutachtens begründet Finanzsenator Evers mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVG). Das BVG hatte entschieden, dass die Verschiebung durch die Bundesregierung von etwa 60 Milliarden Euro an nicht ausgegebenen Corona-Hilfsgeldern in einen Klimafonds verfassungswidrig gewesen sei. Dabei war von Anfang an klar, dass nicht nur das Vorhaben der Bundesregierung, sondern auch die Pläne des Landes Berlin über die Einrichtung eines Sondervermögens verfassungsrechtlich problematisch sind.

In einem Gutachten hatte nämlich der Berliner Rechnungshof unlängst festgestellt, dass die Berliner Pläne unzulässig seien. So bemängelten die Rechnungsprüfer, dass die angebliche Notlage vom Berliner Senat nicht hinreichend begründet sei. Zudem müsse der Senat schlüssig darlegen, wie weit die Projekte, die über diesen Fonds finanziert werden sollen, dazu beitragen, die angebliche Notlage zu entschärfen. Sehr deutlich hatte die Präsidentin des Rechnungshofes, Karin Klingen, bei der Vorstellung des Gutachtens den Berliner Senat ermahnt, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ernst zu nehmen.

Kehrtwende des Senats

Davon wollte aber der Senat zuerst nichts wissen, denn die Berliner Senatsverwaltung für Finanzen hatte behauptet, dass die Entscheidung der Verfassungsrichter in Karlsruhe keine Auswirkungen auf die Konstruktion des Berliner Sondervermögens hätte. Mit der Entscheidung der Einholung eines zusätzlichen Sondergutachtens wird deutlich, dass die offiziellen Versicherungen der Behörde hinfällig sind.

Jenseits der rechtlichen Frage gerät der Berliner Senat unter dem Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) offenbar auch in immer größer werdende Haushaltsprobleme. So wird nun darüber gesprochen, einen Teil der Aufgaben, die ursprünglich durch das Sondervermögen finanziert werden sollten, mit zusätzlichen Schulden eines Nachtragshaushaltes zu bezahlen. Zudem wird die Möglichkeit einer kreditfinanzierten Kapitalerhöhung der Landesunternehmen diskutiert. Die Landesunternehmen hätten dann so die Möglichkeit, zusätzliche eigene Schulden aufzunehmen, um dann Projekte des Senats wie die Sanierung von Gebäuden zu finanzieren. Dies wäre wohl rechtlich möglich, da solche Zuschüsse für Staatsfirmen nicht der Schuldenbremse unterliegen.

Jedoch gibt es erhebliche ökonomische Bedenken, da schon jetzt die Haushaltslage Berlins äußerst angespannt ist. Nach Berechnungen des Landesrechnungshofes wird der offizielle Schuldenstand Berlins bis zum Jahre 2027 auf 66,8 Milliarden Euro anwachsen. Das aber ist nur der offizielle Schuldenstand des Landes Berlin. Dazu kommen noch die Schulden der landeseigenen Betriebe, die sich – so der Rechnungshof – auf inzwischen 28,7 Milliarden Euro addiert hätten und damit in den vergangenen Jahren um 24 Prozent gestiegen seien.

Dramatischer Schuldenstand

Dabei hat sich besonders dramatisch der Schuldenstand der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften entwickelt, die inzwischen Verbindlichkeiten von 17 Milliarden Euro in ihren Büchern haben. Deshalb erscheint eine weitere Schuldenaufnahme der landeseigenen Unternehmen insbesondere der Wohnungsbaugesellschaften als höchst bedenklich.

Vor diesem Hintergrund findet auch die Auseinandersetzung zwischen dem Regierenden Bürgermeister Wegner und dem Vorsitzenden der Unionsfraktion im Bundestag, Friedrich Merz, statt. Wegner hatte gegen den Willen von Merz eine Auflockerung der Schuldenbremse gefordert. Angesichts der sowohl in rechtlicher wie auch in ökonomischer Hinsicht zutage tretenden Haushaltsprobleme Berlins wird deutlich, dass es dem Regierenden Bürgermeister offenbar weniger um grundsätzliche Fragen der Finanzpolitik geht, sondern schlicht darum, irgendwie an frisches Geld zu kommen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Technologie
Technologie Meta trainiert KI mit Ihren Daten – ohne Ihre Zustimmung. So stoppen Sie das jetzt!
09.05.2025

Ab dem 27. Mai analysiert Meta öffentlich sichtbare Inhalte von Facebook- und Instagram-Nutzern in Europa – zur Schulung seiner...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Silicon Valley wankt: Zölle, Zoff und zerplatzte Tech-Träume
08.05.2025

Während Europa auf seine Rezession zusteuert und China seine Wirtschaft auf staatlicher Kommandobasis stabilisiert, gibt es auch im sonst...

DWN
Panorama
Panorama Verkehrswende: Ariadne-Verkehrswendemonitor zeigt Entwicklung auf
08.05.2025

Wie sich die Verkehrswende in Deutschland aktuell entwickelt, ist nun auf einer neuen Onlineplattform des Potsdam-Instituts für...

DWN
Finanzen
Finanzen Inflation bewältigen: 7 Strategien für finanzielle Stabilität, weniger Belastung und einen nachhaltigeren Lebensstil
08.05.2025

Wer die eigenen Ausgaben kennt, kann gezielt handeln. So behalten Sie die Kontrolle über Ihr Geld. Mit Budgetplanung und klugem Konsum...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Maschinenbau: Bedeuten die Trump-Zölle das Ende einer deutschen Schlüsselindustrie?
08.05.2025

Der Maschinenbau befindet sich seit Jahren im Dauerkrisenmodus. Nun droht die fatale Zollpolitik des neuen US-Präsidenten Donald Trump zum...

DWN
Politik
Politik Anti-Trump-Plan: Halbe Milliarde Euro für Forschungsfreiheit in Europa
08.05.2025

Während US-Präsident Trump den Druck auf Hochschulen erhöht, setzt EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf gezielte Anreize...

DWN
Technologie
Technologie Bitkom-Umfrage: Deutsche kritisieren Abhängigkeit von KI-Anbietern aus dem Ausland
08.05.2025

Die Bevölkerung in Deutschland verwendet zunehmend Anwendungen auf Basis künstlicher Intelligenz. Gleichzeitig nimmt die Sorge über eine...

DWN
Politik
Politik Migrationspolitik: Wie die Neuausrichtung an den deutschen Außengrenzen aussehen könnte
08.05.2025

Das Thema illegale Migration und wer bei irregulärer Einreise an deutschen Landesgrenzen zurückgewiesen wird, beschäftigt die Union seit...