Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Was macht die Anwerbung von Fachkräften im Ausland so kompliziert?
Martin Manzel: Wir müssen unterscheiden zwischen Anwerbungen aus dem EU-Ausland und dem übrigen Ausland. Was das EU-Ausland angeht, ist die Anwerbung gar kein Problem. Jedoch ist dort der Markt inzwischen ziemlich abgegrast. Das Problem ist die Anwerbung im Ausland außerhalb der EU.“
DWN: Wo liegt da das Problem, wir haben doch mit der Verabschiedung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes hierfür eine moderne rechtliche Grundlage?
Manzel: Das Fachkräfteinwanderungsgesetz war sicher ein richtiger Schritt in die richtige Richtung. Das Problem bei uns ist aber nicht in erster Linie die Gesetzeslage, sondern die praktische Umsetzung. Wir reden zwar ständig von einer Willkommenskultur, bauen allerdings so hohe Hürden auf, dass viele Menschen nicht kommen können.
DWN: Sie sind ja nicht nur Fachanwalt für Migrationsrecht, sondern beraten auch Unternehmen bei Gewinnung von Fachkräften. Was sind die größten Hindernisse?
Manzel: Ein Beispiel von vielen: Ein Ingenieur aus Indien hat in Deutschland sein Studium abgeschlossen und bereits ein konkretes Jobangebot. Jedoch bekommt er über Monate hinweg keinen Termin bei der Ausländerbehörde – und damit auch nicht den notwendigen Aufenthaltstitel inklusive der Arbeitserlaubnis, um die Beschäftigung aufnehmen zu können. Das beste Gesetz hilft uns aber nicht, wenn dann die Sachbearbeiter fehlen, die die Anträge bearbeiten. Ich hatte mal den Fall, eines fließend deutsch sprechenden Studenten aus Indien, der sein Studium in Berlin im Juni beendete und auch im Januar noch nicht den notwendigen Aufenthaltstitel hatte. Das Ergebnis war, dass der junge Mann nach Indien zurückging, weil er arbeiten musste, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen – was er hier nicht konnte.
DWN: Ist also die schleppende und teils unzureichende Bearbeitung von Aufenthaltstiteln das größte Hindernis?
Manzel: Ein weiteres Beispiel, wie wir uns im Wege stehen, ist der Familiennachzug. Hier gibt tausende Fälle von Menschen, die seit Monaten auf einen Termin zur Beantragung eines Visums zum Familiennachzug warten. Aus meiner Praxis weiß ich, dass es nicht selten acht bis zehn Monate dauert, bis jemand überhaupt in einer deutschen Botschaft oder einem Konsulat einen Termin bekommt, um seinen Antrag einreichen zu können. Willkommenskultur sieht leider anders aus und viele Fachkräfte überlegen sich gut, ob sie es wirklich in Kauf nehmen, Monate lang von der Familie getrennt zu sein, nur um bei uns zu arbeiten. Das schreckt einfach ab.
DWN: Gibt es sonst noch Beispiele, wie die deutschen Behörden und insbesondere das Auswärtige Amt die Anwerbung von Fachkräften behindert?
Manzel: Ein weiteres „Behörden-Drama“ sind bei uns die Sprachtests, die sich als echtes Hindernis bei der Anwerbung von Fachkräften in der Pflege erweisen: Denn es gibt genug qualifizierte Fachkräfte, die sofort bei uns in der Pflege arbeiten würden, wenn man sie nur ließe. Fachkräfte in diesem Bereich müssen aber in der Regel ein anerkanntes Zertifikat eines „B1-Sprachtests Deutsch“ vorlegen, welches – so die Vorgaben des Auswärtigen Amtes - nur eine Gültigkeitsdauer von einem Jahr besitzt. Und wenn dann selbst nur eine Teilprüfung, zum Beispiel „Lesen“, länger als ein Jahr zurückliegt, wird das gesamte Zertifikat und der Deutschen Auslandsvertretung nicht mehr anerkannt. Der potentielle Kandidat muss dann einen neuen Test in diesem Bereich machen – selbst wenn man schon einen Intensiv-Sprachkurs in Deutschland gebucht hat, den man nach Einreise sofort belegen könnte. Bis die Fachkraft dann aber wieder einen Termin, beispielsweise beim Goethe-Institut, bekommt, ist inzwischen ein anderer Teilbereich des Sprachzertifikats älter als ein Jahr – so dass die Auslandsvertretung das Sprachzertifikat erneut nicht akzeptiert. Die Folge ist: Die Fachkraft geht lieber nach Österreich, wo das Sprach-Zertifikate eine Gültigkeit von fünf Jahren haben und Fachkräfte im Bereich der Pflege genauso benötigt werden.