Die bevorstehende Reform der Grundsteuer, die ab dem Jahr 2025 in Kraft tritt, führt bereits jetzt zu juristischen Auseinandersetzungen. Im Zentrum der Debatte steht die weitreichende Neubewertung von Immobilien, die für viele Eigentümer eine spürbare Steuersteigerung zur Folge haben könnte – eine Thematik, die momentan intensiv von den Finanzgerichten untersucht wird.
Nach kritischen Äußerungen des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz im November 2023, die die Verfassungsmäßigkeit der Bewertungsvorschriften in Frage stellen, wurde ein vorläufiger Stopp für zwei Grundsteuerwertbescheide verhängt und die Vollziehung ausgesetzt (Az. 4 V 1295/23, Az. 4 V 1429/23). Wie Haufe berichtet, ist nun ein richtungsweisendes Urteil des Bundesfinanzhofs in Aussicht, welches entscheidenden Einfluss auf die Rechtslage haben könnte. Dies könnte das Blatt für viele Eigentümer wenden.
Unterstützt von Verbänden wie dem Bund der Steuerzahler und Haus & Grund, die sich in weiteren Musterklagen gegen die Neubewertung zur Wehr setzen, formiert sich immer mehr Widerstand gegen das neue Bewertungsmodell. Kai Warnecke, Präsident von Haus & Grund, bezeichnet die Grundsteuerreform als „zu kompliziert, intransparent und ungerecht“.
Was an der Neubewertung kritisiert wird? Im Mittelpunkt der Kritik stehen Fälle wie der von Sigrid und Axel Neubauer aus Rheinland-Pfalz. Ihre vermietete Wohnung, gelegen in der Nähe einer Bahnlinie, wurde Anfang 2022 zu einer Nettokaltmiete von 6,50 Euro pro Quadratmeter vermietet. Ein jüngst zugestellter Grundsteuerbescheid setzt jedoch eine angepasste Miete von 11,70 Euro pro Quadratmeter fest – ein sprunghafter Anstieg um 80-Prozent, der den realen Verhältnissen am Markt nach Einschätzung der Neubauers in keiner Weise entspricht.
Klageverfahren gegen Grundsteuerwertbescheide: Verfassungsmäßigkeit auf dem Prüfstand
Die Spitzenverbände der Steuerzahler und Immobilienbesitzer, vertreten durch Reiner Holznagel (BdSt) und Dr. Kai H. Warnecke (Haus & Grund), äußern grundlegende verfassungsrechtliche Zweifel an dem neuen Bewertungsansatz nach dem Bundesmodell. Sie stützen sich dabei auf ein Gutachten des Rechtsexperten Professor Dr. Gregor Kirchhof, der die Methodik hinter den Bodenrichtwerten kritisiert. Diese könnten, so die Befürchtung, zu einer unfairen steuerlichen Belastung führen, da sie weder den tatsächlichen Wert noch die spezifischen Eigenschaften der Grundstücke angemessen berücksichtigen.
Insbesondere in Gebieten ohne Gutachterausschüsse oder bei fehlenden spezifischen Bodenrichtwerten entstehen Bewertungslücken. Die daraus resultierende Steuerberechnung basierend auf diesen Werten führt oft zu Ungenauigkeiten und Ungerechtigkeiten. Außerdem wird bemängelt, dass das Gesetz es Steuerzahlenden nicht erlaubt, einen niedrigeren Wert ihres Grundstücks beispielsweise durch ein unabhängiges Gutachten zu belegen.
Was können Eigentümer jetzt tun? Rechtliche Wege und Einspruchsmöglichkeiten
Eigentümer, die Bedenken gegen die offiziellen Bewertungen ihrer Immobilien haben, bieten die aktuellen Musterklagen eine Chance, Widerspruch einzulegen und gegebenenfalls eine rechtliche Prüfung anzustreben. Der renommierte Rechtsexperte Prof. Dr. Kirchhof dazu in einem Interview mit dem "Focus": „Ich halte das Grundsteuergesetz des Bundes und das Modell Baden-Württembergs für verfassungswidrig. Deshalb würde ich raten, unter Einhaltung der Fristen Einspruch gegen den Grundsteuerbescheid zu erheben und dann zu klagen.“
So befinden sich auch die Eheleute Neubauer in der Position, gegen die Neubewertung ihres Eigentums vorzugehen. Mit einem einfachen Schreiben können sie beim Finanzamt Einspruch erheben und sich auf die anhängigen Musterklagen berufen, was ihre Chancen verbessern könnte. Der Einspruch kann digital über Elster oder auch direkt bei der Behörde eingereicht werden. Nach Erhalt des Steuerbescheids bleibt den Neubauers ein Monat Zeit, um ihren Einspruch beim Finanzamt geltend zu machen. Der BdSt stellt genau für diesen Schritt einen Mustereinspruch zur Verfügung
Sie haben zudem die Option, aus praktischen Gründen eine Aussetzung des Verfahrens zu beantragen. Im Falle einer Zustimmung des Finanzamts bleibt ihr Verfahren bis zum Ende der Musterklage offen, was ihnen strategische Vorteile verschaffen könnte. Es ist für sie essenziell, die Entwicklungen ähnlicher Fälle zu verfolgen, um fundierte Entscheidungen für das weitere Vorgehen zu treffen.
Andere Eigentümer mit ähnlichen Bedenken werden ermutigt, diesem Beispiel zu folgen und Einspruch einzulegen, was zu einer Verzögerung des eigenen Verfahrens bis zur endgültigen gerichtlichen Klärung führen kann. Laut ZDF haben bereits etwa drei Millionen Menschen Einspruch erhoben, was die Finanzämter vor zusätzliche Herausforderungen stellt.
Anpassung an die Marktrealität: Die überholte Bewertungsbasis modernisieren
Warum muss eine Neubewertung der Grundstücke erfolgen? Die Überarbeitung der Grundsteuer in Deutschland ist eine notwendige Antwort auf die überholten Bewertungsstandards, die auf Preisstrukturen von 1964 in West- und 1935 in Ostdeutschland beruhen. Das Bundesverfassungsgericht erkannte die Dringlichkeit einer Anpassung an die heutigen Marktwerte und forderte eine Reform, die eine gerechtere Steuerlastverteilung ermöglichen soll.
Vor diesem Hintergrund haben Millionen von Grundstückseigentümern für ihre Grundstücke und Immobilien – bebaut wie unbebaut – neue Grundsteuerwerte erhalten. Dies erforderte von den Eigentümern die Abgabe einer Feststellungserklärung, welche den Finanzämtern als Grundlage für die Erhebung der notwendigen Daten zur Neuberechnung dient. Nicht selten resultierten aus dem neuen Bewertungsprozess höhere steuerliche Ansätze, vor allem bei Liegenschaften in gefragten Gegenden, die im Wert gestiegen sind.
Die Neuberechnung der Grundsteuerwerte bringt unweigerlich eine Veränderung der Steuerlast mit sich. Viele Eigentümer müssen sich auf höhere Abgaben einstellen, die ab 1. Januar 2025 fällig werden. Die bisherige Grundsteuerregelung auf Basis veralteter Einheitswerte bleibt noch bis zum 31. Dezember 2024 bestehen. Die Grundsteuer, eine der bedeutendsten Einnahmequellen für deutsche Städte und Gemeinden mit einem Volumen von fast 15 Milliarden Euro, stellt bereits jetzt eine zunehmende Belastung für Immobilienbesitzer dar.