Politik

Grundsteuer-Dilemma: Staat hält eigene Fristen nicht ein

Lesezeit: 4 min
03.02.2023 10:05  Aktualisiert: 03.02.2023 10:05
Auch die zweite Frist zur Grundsteuererklärung ist verstrichen und Millionen Immobilienbesitzer haben keine Daten eingereicht. Genauso wie der Staat selbst.
Grundsteuer-Dilemma: Staat hält eigene Fristen nicht ein
Heike Taubert (SPD), Finanzministerin von Thüringen, steht im Archiv des Finanzamtes zwischen Einheitswertakten. (Foto: dpa)
Foto: Martin Schutt

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Für die allermeisten Immobilienbesitzer in Deutschland ist am vergangenen Dienstag die Frist zur Abgabe der Grundsteuererklärung abgelaufen. Nur in Bayern haben die Menschen dafür noch drei Monate länger Zeit. Dabei dürften bundesweit nach wie vor immer noch viele Grundsteuererklärungen fehlen. Bis zum Montag waren bundesweit etwa 71,36 Prozent der Erklärungen eingegangen, wie ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums sagte. Am Mittwoch bezifferte der Sprecher die Rate der abgegebenen Datensätze mit knapp 75 Prozent. Allerdings basiert der Wert teilweise auf Schätzungen.

Kompliziertes Unterfangen

Die zum 31. Januar auslaufenden Frist war bereits die zweite ihrer Art. Ursprünglich war sie auf Ende Oktober 2022 festgesetzt. Wegen des extrem schleppenden Eingangs der Erklärungen war sie dann aber deutschlandweit verlängert worden. Offenbar wussten viele Immobilienbesitzer gar nichts von ihren Pflichten, waren von dem komplizierten Prozedere überfordert oder hatten schlichtweg keine Lust, die Daten einzureichen.

Denn die Finanzämter fordern von den Bürgern eine Vielzahl komplexer und teils schwierig zu beschaffender Daten ein. Dazu gehören die Größe des Grundstücks, die Grundbuchblattnummer oder Nummer der Gemarkung, der Flur oder des Flurstücks, bei Eigentumswohnungen der Miteigentumsanteil am Grundstück, die Steuernummer/Aktenzeichen des Grundstücks, der Bodenrichtwert, das genaue Baujahr des Gebäudes (ab einem Baujahr von 1949), die Wohnfläche, Anzahl von Garagenstellplätzen und Kontaktdaten der Eigentümer sowie deren Anteile an der Immobilie. All diese Daten - konnten sie denn beschafft werden - sind verpflichtend elektronisch über das ELSTER-System an die Finanzbehörden zu übermitteln, wobei zur Nutzung des Systems eine vorhergehende Authentifizierung notwendig ist, wie das Bundesfinanzministerium schreibt.

Die Finanzämter wollen bei nicht fristgerecht abgegebenen Grundsteuererklärungen zunächst säumige Immobilienbesitzer anschreiben und auf mögliche Konsequenzen hinweisen. Wie etwa ein Sprecher der Oberfinanzdirektion Nordrhein-Westfalen sagte, wird in einem Schreiben an die Abgabe der Erklärung erinnert und auch darauf hingewiesen, dass im Falle der Nichtabgabe grundsätzlich Verspätungszuschläge und Zwangsgelder möglich sind. Sollten die säumigen Eigentümerinnen und Eigentümer auch dann nicht reagieren, müssten die Finanzämter die Besteuerungsgrundlagen schätzen.

Bund als schlechtes Vorbild

Bemerkenswert ist der Umstand, dass der Staat die von ihm selbst aufgestellten Fristen zur Datenabgabe selbst nicht einhalten kann. So spricht der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger davon, dass Bund und Länder ihre Liegenschaften erst frühestens im September vollständig erfasst hätten. In einem Tweet schreibt Aiwanger:

Der Bund verlangt von den Bürgern die Abgabe bis 31.1., schafft es für seine eigene Liegenschaften aber frühestens bis September. Ganz nach dem Motto „mit schlechtem Beispiel vorangehen“. Bayern handelt realistisch, verlängert Frist um 3 Monate. Nachahmung erlaubt.

Bayern ist das einzige Bundesland, welches seinen Bürgern einen Schonzeitraum von drei Monaten einräumt.

Überhaupt scheint das Thema in den vergangenen Monaten für viele Menschen zu einem Reizthema geworden zu sein. So fasste der Südkurier die verfahrene Lage Mitte Oktober 2022 aus Sicht vieler Bürger recht treffend zusammen, als er schrieb: „Jetzt also drei Monate mehr. Bei der Grundsteuer-Erklärung fügen sich die Finanzminister der Bundesländer ins Unvermeidliche. Die Frist bis Ende Oktober wurde von Tag zu Tag unrealistischer, nicht einmal jeder dritte Haus- und Grundbesitzer hat sich der Tortur unterzogen und die erbetenen Daten per Internet mühsam ans Finanzamt übermittelt. Gut ist daher trotz Fristverlängerung gar nichts. Das gesamte Vorhaben bleibt ein Lehrbeispiel für bürokratisches und bürgerfernes Vorgehen. Die Fragebögen sind kompliziert, die Begriffe abstrakt, zudem funktioniert das Portal nicht so, wie es sollte. Vor allem aber bleibt schleierhaft, warum die Erklärung nur online abgegeben werden kann, was viele Bürgerinnen und Bürger überfordert. Soll das etwa die versprochene Digitalisierung sein? Oder geht es nicht eher darum, Arbeit, die die Ämter erledigen müssten, auf die Bürger abzuwälzen? So werden in einer Zeit, die wahrlich andere Probleme hat, unnötig Frust und Staatsverdrossenheit geschürt.“

Reform wird sich unterschiedlich auswirken

Ab 2025 soll die neue Grundsteuer-Berechnung gelten. Das hatte das Bundesverfassungsgericht gefordert, denn zuletzt kalkulierten die Finanzämter den Wert einer Immobilie auf Grundlage völlig veralteter Daten, von 1935 in Ostdeutschland und von 1964 in Westdeutschland. Für die Neuberechnung müssen hierzulande jetzt fast 36 Millionen Grundstücke neu bewertet werden. Die Steuerbehörden brauchen von allen Eigentümern Daten, selbst wenn sie nur einen Kleingarten besitzen.

Noch bis 31. Dezember 2024 wird die Grundsteuer als nach den bisher gültigen Parametern berechnet. Glaubt man dem Finanzministerium, wird sich das Steueraufkommen in seiner Gesamtheit nach der Reform nicht bedeutend ändern - für die jeweiligen Bürger jedoch könnten sich große Änderungen ergeben. So schreibt das Ministerium:

Auch wenn die Reform insgesamt aufkommensneutral ausgestaltet wird (v. a. durch die drastische Absenkung der Steuermesszahl und die angekündigte Anpassung der Hebesätze), also die Gesamtheit der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler nicht mehr oder weniger Grundsteuer zahlt, werden sich die individuellen Steuerzahlungen verändern. Einige werden mehr Grundsteuer bezahlen müssen, andere weniger. Das ist die zwingende Folge der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und – angesichts der aktuellen Ungerechtigkeiten aufgrund der großen Bewertungsunterschiede durch das Abstellen auf veraltete Werte – unvermeidbar.

Änderungen der individuellen Steuerzahlungen würden sich auch bei jeder anderen Ausgestaltung einer Grundsteuerreform ergeben, die die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umsetzt.

Wie sich die Grundsteuerzahlungen einzelner Steuerpflichtiger verändern werden, lässt sich nicht pauschal beantworten, insbesondere weil die gegenwärtigen Grundsteuerzahlungen sehr ungleich verteilt sind.

Mangelhafte Digitalisierung Grund für Prozedur

Bemerkenswert ist außerdem, dass das bürokratische Riesenunterfangen, von 36 Millionen Grundstückseigentümern Daten einzufordern, nur notwendig wurde, weil die Finanzbehörden in Deutschland über keine Datenbank verfügen, um die neue Grundsteuer selbst berechnen zu können. Diese Datenbank sollen nun die Bürger mit ihren Zusendungen quasi aufbauen, wie das Finanzministerium selbst schreibt:

Zum ersten Hauptfeststellungsstichtag der neuen Grundsteuerwerte (1. Januar 2022) konnte noch kein vollständig digitalisiertes Verwaltungsverfahren angeboten werden. Viele der für die Neubewertung des Grundbesitzes erforderlichen Daten liegen der Finanzverwaltung nicht in elektronisch verwertbarer Form vor, sodass diese mit Hilfe einer elektronischen Steuererklärung bei den Eigentümerinnen und Eigentümern des Grundbesitzes erhoben werden müssen.

Nach erfolgter Digitalisierung soll die Nutzung amtlicher Grundstücksinformationen und Daten des Immobilienmarkts auf elektronischem Wege für künftige Hauptfeststellungszeitpunkte dazu führen, dass Bürgerinnen und Bürger von überflüssigen Mehrfacherklärungen befreit und damit von steuerbürokratischem Aufwand soweit wie möglich entlastet werden. Dazu sollen insbesondere Daten des Immobilienmarkts genutzt werden und die vorhandenen Grundstücksinformationen anderer Behörden und Stellen der Steuerverwaltung künftig elektronisch bereitgestellt werden.


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