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Geldanlage: Die ESG-Blase platzt

Lesezeit: 4 min
21.12.2023 10:28  Aktualisiert: 21.12.2023 10:28
Vor einigen Jahren war die Begeisterung über "grüne" ESG-Investments noch groß. Mittlerweile hat sich Ernüchterung breit gemacht. Allein an der Rendite kann es jedoch nicht liegen, dass so viele Anleger aus Nachhaltigkeits-Fonds flüchten.
Geldanlage: Die ESG-Blase platzt
Der ESG-Hype ist zum Erliegen gekommen. (Foto: istockphoto.com/WANAN YOSSINGKUM)
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Noch vor wenigen Jahren waren ESG-Fonds in aller Munde. Das Investieren in nachhaltige Firmen versprach einen sinnvollen Beitrag zur grünen Transformation der Gesellschaft, eine Verringerung von Umweltrisiken und zugleich überdurchschnittliche Renditen.

Das traf bei vielen Anlegern einen Nerv und entsprechende Fonds-Angebote sprossen nur so aus dem Boden - auch im ETF-Bereich. Heute gibt es unzählige Fonds, deren Name „ESG“ oder „Sustainable“ enthält. Für viele größere Indexfonds gibt es heute eine ESG-Variante, zudem existieren zahlreiche eigene ESG-ETFs.

Enttäuschende Renditen, aber auch fragwürdige Nachhaltigkeits-Kriterien und Angst vor „Greenwashing“ lassen Investoren nun ernüchtert zurück und veranlassen sie dazu, ihre Gelder aus entsprechenden Produkten abzuziehen. Laut der Analysefirma Morningstar wurden an der Wall Street im bisherigen Jahresverlauf 14 Milliarden Dollar aus ESG-Fonds abgezogen, davon allein 2,1 Milliarden im dritten Quartal aus Blackrocks „iShares ESG Aware MSCI US ETF“. In den letzten Jahren waren nahezu konstante Zuflüsse zu sehen, insbesondere Anfang 2022.

Die Kehrtwende kommt in einer Phase schärferer behördlicher Aufsicht und einem merklich abkühlenden Markt für Aktien aus dem Sektor grüner Energien. Gleichzeitig wächst vor allem in Europa der Markt für grüne Anleihen weiterhin an, macht aber nur 3-4 Prozent des gesamten Volumens aus.

Vermögensverwalter hatten sich 2019/2020 geradezu darauf gestürzt, das (politisch focierte) aufkommende Bedürfnis nach nachhaltigen Investments zu bedienen und damit auch zeitweise Erfolg gehabt. Nun aber flüchten die Anleger, wobei es zuletzt generell zu Mittelabflüssen aus Investment-Fonds kam – aber eben besonders stark im ESG-Bereich sowie bei anderen Themen-Fonds.

Keine nachhaltige Überrendite

Dabei waren zumindest die Renditen der größten ESG-Indexfonds durchaus ansehnlich. Der „MSCI World SRI Index“ (Aktien sozial verantwortungsbewusster Unternehmen in den 23 Industrieländern) performte in den letzten 15 Jahren und 2023 besser als der Vergleichsindex MSCI World, wie Daten des Indexanbieters zeigen. Ähnliches gilt für den „MSCI ACWI ESG“ Leaders Index (Unternehmen aus 47 Industrie- und Schwellenländern, welche die ESG-Kriterien von MSCI erfüllen). Mit ETFs, die diese Indizes abbilden, konnten man also mehr verdienen als am breiten Markt. Hatten viele Anleger schlichtweg völlig unrealistisch hohe Rendite-Erwartungen?

Besonders gelitten haben dagegen diejenigen, die am Aktienmarkt auf grüne Energie setzten. Der größte passive Fonds für Aktien aus dem Bereich Erneuerbare Energien, der „iShares Global Clean Energy ETF“, ist seit Jahresauftakt 26 Prozent im Minus, während der breite Aktienmarkt rund 20 Prozent zulegte. Neben grünen Nischen-ETFs sind es vor allem aktive ESG-Fonds, die vergleichsweise schlecht abschneiden. Das verwundert nicht. Wie schwer es ist, mit einer Auswahl von Einzelaktien eine Überrendite zum breiten Markt zu erreichen, ist hinlänglich bekannt. Warum sollte das bei aktiv gemanagten Fonds mit „grünem“ Label anders sein?

Auch von den bislang solide laufenden breit gestreuten ESG-ETFs darf man keine Wunder erwarten. „Die ESG-Performance in der realen Welt ist unauffällig, es gibt keine Anzeichen für eine Outperformance nachhaltiger ETFs“, meint Felix Goltz, Research Director beim Indexanbieter Scientific Beta, gegenüber der Financial Times. Er bezieht sich hier auf eine Zeitreihen-Untersuchung des US-amerikanischen und europäischen ETF-Marktes. „In den letzten zehn Jahren hat das nachhaltig investierende Portfolio seine Benchmarks nicht übertroffen. Wenn überhaupt, waren die erzielten Renditen geringfügig niedriger als die der Benchmarks“, heißt es in dem Papier von Scientific Beta. Die massive Outperformance im Jahr 2020 sei trügerisch und nur ein statistischer Ausreißer.

Mittlerweile kursieren schon Theorien, wonach es langfristig eventuell eine „Nicht-ESG-Prämie“ geben könnte. Unternehmen, die bestimmte ESG-Kriterien nicht erfüllen, handeln demnach tendenziell unter ihrem fairen Wert und umgekehrt seien ESG-konforme Werte eher zu teuer. Aktien und Anleihen, die von den Indexanbietern als nicht nachhaltig eingestuft werden, werden etwa in entsprechenden ETFs nicht mehr berücksichtigt, während andere vermeintlich ESG-konforme Werte sozusagen überrepräsentiert sind.

Greenwashing durch Fonds-Umbenennung

Zudem gibt es unter den nachhaltigen Fonds systematische Unterperformer. In der Phase des großen Hypes hatten sich so manche Fonds durch Namensänderungen ein ESG-Label verpasst, um mehr Anleger anzuziehen, und je schlechter die historische Performance, umso größer der Anreiz für einen Etikettenwechsel. Hier ging es immerhin um viele Milliarden an Anlegergeldern, die damals in ESG-Produkte umschichteten.

Diese Strategie war eine Zeit lang durchaus erfolgreich. Jetzt allerdings werden zunehmend die weniger performanten Nachhaltigkeits-Fonds dichtgemacht oder das ESG-Label wieder aus dem Namen gestrichen. Im dritten Quartal wurden laut Morningstar zum ersten Mal mehr nachhaltige Fonds aufgelöst oder ESG-Kriterien aus der Anlagestrategie entfernt als neue ESG-Fonds hinzukamen.

„Dies ist wirklich das Ergebnis von zu vielen Managern, die versuchten, von dem gestiegenen Bewusstsein und der Nachfrage nach ESG-Investitionen zu profitieren“, sagte Tony Turisch, Senior Vice President bei Calamos Investments, gegenüber dem Wall Street Journal.

Den Regulatoren ist diese Entwicklung nicht entgangen. Die EU hat jüngst im Kampf gegen das weit verbreitete Greenwashing neue Standards für grüne Anleihen beschlossen. Die US-Börsenaufsichtsbehörde SEC hat vor kurzem eine Vorschrift zur Vermeidung irreführender Namensgebungen erlassen. Die betroffenen Fonds haben je nach ihrer Größe etwa zwei bis drei Jahre Zeit, die Vorschriften zu erfüllen.

Im September hat DWS, die Investmentsparte der Deutschen Bank, zugestimmt, 19 Millionen Dollar zu zahlen, um eine Untersuchung der SEC beizulegen, wonach die Berücksichtigung von ESG-Daten bei Anlageentscheidungen übertrieben dargestellt wurde. Im Zuge dessen musste die DWS einen Investmentfonds auflösen, dem der Anbieter 2019 einen ESG-Namen verpasst hatte. Angeblich untersucht nun auch die Bafin Greenwashing-Vorwürfe gegen DWS, demzufolge Anleger getäuscht worden sein könnten, indem Fonds als umweltfreundlicher vermarktet wurden, als es in der Realität der Fall war.

Was ist nachhaltig und was nicht?

Das führt uns zum nächsten Thema, der Definitions-Problematik. „ESG“, „nachhaltig“ und „umweltfreundlich“, das kann alles und nichts sein. Objektiv messbar ist so etwas nicht. Die Nachhaltigkeits-Kriterien sind somit ziemlich willkürlich und mitunter auch politisiert.

Bestimmt werden die Kriterien und deren Gewichtung von einer Handvoll Indexanbietern. Je nach Rating-Agentur kann dasselbe Unternehmen dann nachhaltig oder nicht nachhaltig sein. Auch die Nachhaltigkeits-Berichte der Firmen selbst sind bisweilen ein heilloses Durcheinander und mit unzähligen Schätzwerten versehen.

Einige Indizes verwenden eine „Best-in-Class“-Strategie, bei der die führenden Unternehmen in Bezug auf ESG-Kriterien ausgewählt werden. Andere Indizes setzen auf „ESG-Screenings“, wenden also nur Ausschlusskriterien an, um bestimmte Branchen oder Unternehmen, die nicht den definierten ESG-Standards entsprechen, aus dem Index zu entfernen.

Wie viele Käufer des oben genannten „MSCI World SRI Index“ überhaupt wissen, dass es sich um einen verkappten Tech-Fonds handelt, der Microsoft mit knapp 18 Prozent gewichtet? Oder, dass in manchen ESG-Indizes sogar Ölaktien enthalten sind? Das offenkundig sinkende Interesse der Anleger an ESG könnte auch damit zusammenhängen, wie wenig durchdacht die Ratings sind. Etwas gutes für die Umwelt kann man auch privat tun.

Innerhalb der Europäische Union soll die Taxonomie einheitliche Regelungen für grüne Gütesiegel festlegen – ein Unterfangen, das angesichts der großen Verwirrung in der Finanzbranche vermutlich scheitern dürfte. Das übergeordnete Ziel, die Unternehmen durch Einflussnahme auf die Finanzierungsmöglichkeiten am Kapitalmarkt an der Transformation zur Klimaneutralität zu beteiligen und in letzter Konsequenz zu zwingen, kann auch durchaus hinterfragt werden.

Der Nutzen grüner Finanzprodukte für die Umwelt ist unter Finanz-Experten höchst umstritten. Bereits Ende 2022 zog sich der Fondsgigant Vanguard aus der Branchen-Initiative „Net Zero Asset Management“ (NZAM) zurück, die Vermögensverwalter zur Klimaneutralität bis 2050 ermutigen soll. Ein Schritt mit Signalwirkung.

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Jakob Schmidt ist studierter Volkswirt und schreibt vor allem über Wirtschaft, Finanzen, Geldanlage und Edelmetalle.


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