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EU-Richtlinie zur Lohntransparenz zwingt Firmen zur Gehaltsoffenlegung

Lesezeit: 4 min
26.12.2023 10:45  Aktualisiert: 26.12.2023 10:45
Mit der Einführung der EU-Lohntransparenzrichtlinie beginnt eine neue Ära der Offenheit. Diese Veränderung zwingt Unternehmen, ihre Gehaltsstrukturen nicht nur offenzulegen, sondern auch kritisch zu hinterfragen. Während Unternehmen sich auf umfangreiche Anpassungen einstellen müssen, eröffnet sich für Arbeitnehmer ein neues Zeitalter der Transparenz und Fairness.
EU-Richtlinie zur Lohntransparenz zwingt Firmen zur Gehaltsoffenlegung
Das Gebäude der EU-Kommission in Brüssel. Eine neue Richtlinie bringt große Veränderungen für Unternehmen und Arbeitnehmer. (Foto: dpa)
Foto: Arne Immanuel Bänsch

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Stellen Sie sich vor: In der EU verdient eine Frau durchschnittlich 14 Prozent weniger als ihr männlicher Kollege – für die gleiche Arbeit! Dieses hartnäckige Lohngefälle legt den Finger in die Wunde eines tief verwurzelten Problems: Geschlechtsspezifische Verzerrungen prägen unsere Entgeltsysteme. Zu oft wird die Arbeit von Frauen unterbewertet, während Männer für vergleichbare Leistungen mehr erhalten.

In einem entscheidenden Schritt zur Bekämpfung dieser Lohndiskriminierung und zur Verringerung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles hat der Rat der EU am 24. April 2023 neue Vorschriften zur Lohntransparenz verabschiedet. Die sogenannte „EU-Lohntransparenzrichtlinie“ verlangt von Unternehmen, ihre Lohnstrukturen offenzulegen und bei festgestellten Lohnunterschieden von über 5-Prozent entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.

Ziel ist es, Lohndiskriminierungen zwischen Frauen und Männern sichtbar zu machen und das Lohngefälle zu korrigieren. Die Richtlinie umfasst auch Regelungen zur Entschädigung von Diskriminierungsopfern und Sanktionen, einschließlich Geldstrafen, für Arbeitgeber, die gegen die Vorschriften verstoßen. Diese Maßnahmen sollen das Bewusstsein in Unternehmen schärfen, Ungleichheiten zu identifizieren und zu beseitigen.

Die Initiative wird von Verfechtern der Geschlechtergerechtigkeit begrüßt. Bundesfrauenministerin Lisa Paus äußerte sich positiv über die Annahme der Richtlinie: „Die Entgelttransparenz-Richtlinie sendet ein starkes Signal an alle Frauen in Europa. Ich setze mich dafür ein, dass Deutschland diese Richtlinie in einem ambitionierten Gesetz umsetzt, um Frauen den Zugang zu gerechter und leistungsgerechter Bezahlung zu erleichtern und ihr Recht auf gleiches Entgelt durchzusetzen.“

Lohndaten veröffentlichen

Innerhalb von drei Jahren müssen EU-Mitgliedsstaaten die Lohntransparenzrichtlinie in nationales Recht umsetzen. Doch welche konkreten Anforderungen stellt das Gesetz an die Unternehmen?

Ab dem 7. Juni 2026 beginnt eine neue Ära der Offenheit: Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitenden müssen tief in ihre Daten eintauchen und detaillierte Informationen über Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen offenlegen. Diese Transparenz geht über die bloße Veröffentlichung auf der Firmenwebseite hinaus. Arbeitgeber sind ebenfalls verpflichtet, einen umfassenden Bericht an die jeweilige nationale Überwachungsstelle zu senden – eine Behörde, die in Deutschland noch nicht näher definiert wurde. Zu den zentralen Informationen, die Unternehmen bereitstellen müssen, gehören: das durchschnittliche Bruttostunden- und Jahresgehalt von Männern und Frauen und die Verteilung der Belegschaft nach Geschlecht und Gehaltsgruppen.

Für die Schwergewichte der Wirtschaft mit über 250 Mitarbeitenden wird die jährliche Offenlegung dieser Daten zur Pflicht. Mittelständler mit 150 bis 249 Angestellten müssen alle drei Jahre Bericht erstatten. Und fünf Jahre nach dem Startschuss der Richtlinie werden auch kleinere Unternehmen mit 100 bis 149 Mitarbeitenden in diesen Dreijahreszyklus hineingezogen. Für kleinere Betriebe mit weniger als 100 Angestellten bleibt die Berichterstattung vorerst eine freiwillige Angelegenheit.

Sollten sich geschlechtsspezifische Lohnunterschiede offenbaren, müssen diese im Bericht klar und auf Basis sachlicher Kriterien begründet werden. Ein Gender Pay Gap von über fünf Prozent zwingt Unternehmen, eine tiefergehende Analyse durchzuführen und Maßnahmen zur Schließung dieser Kluft zu ergreifen. Findet sich keine plausible Erklärung für die Lohnlücke, steht das Unternehmen in der Pflicht, aktiv für Ausgleich zu sorgen.

Neuer Auskunftsanspruch für Arbeitnehmer

Ab dem 7. Juni 2026 öffnet sich für Arbeitnehmer in Unternehmen aller Größenordnungen ein neues Fenster der Transparenz: Sie erhalten das Recht, detaillierte Informationen über Lohnunterschiede einzufordern. Dies gilt insbesondere für Vergleiche mit Kollegen in ähnlichen Positionen. Der Prozess, diese Auskünfte zu erlangen, ist unkompliziert und direkt beim Arbeitgeber anzustoßen.

Die erhaltene Auskunft muss umfassend sein: Sie beinhaltet den Bruttostundenlohn des anfragenden Arbeitnehmers sowie den Lohn von Kollegen in vergleichbaren Positionen, ergänzt durch fundierte Erklärungen für etwaige Gehaltsdifferenzen. Diese Erklärungen müssen sich auf objektive Faktoren wie Qualifikation, Berufserfahrung, Leistung oder Betriebszugehörigkeit stützen. Für Unternehmen bedeutet dies einen spürbaren Mehraufwand in der Verwaltung, da sie gefordert sind, relevante Daten zu sammeln, zu analysieren und angemessen aufzubereiten.

Die Richtlinie revolutioniert auch den Einstellungsprozess. Unternehmen müssen nun Bewerber proaktiv über die erwartete Vergütung informieren und transparente Kriterien für die Gehaltsfestlegung darlegen. Dies schafft eine neue Ebene der Markttransparenz für Jobsuchende und wirkt Diskriminierungen im Rekrutierungsprozess entgegen. Darüber hinaus stärkt die Richtlinie die Verhandlungsposition von Bewerbern, indem sie ihnen das Recht auf Informationen über das Einstiegsgehalt oder dessen Bandbreite zusichert. Wichtig zu beachten ist, dass Bewerber jederzeit Einblick in die Gehaltsstrukturen des Unternehmens fordern können. Gleichzeitig wird es Unternehmen untersagt, nach dem bisherigen Einkommen der Bewerber zu fragen.

Welche Sanktionen drohen

Firmen, die es versäumen, ihre Gehaltsstrukturen offenzulegen, begeben sich auf dünnes Eis. Ignoranz oder technische Hürden sind keine Ausreden, wenn es um die Einhaltung der neuen EU-Lohntransparenzrichtlinie geht. Ein Verstoß gegen diese Vorschriften kann Unternehmen teuer zu stehen kommen, mit möglichen behördlichen Ermittlungen und saftigen Geldstrafen, deren Höhe je nach Schwere des Vergehens variieren kann. Die EU hat es den Mitgliedsstaaten überlassen, abschreckende Strafen festzusetzen, um sicherzustellen, dass Unternehmen ihre Berichtspflichten ernst nehmen.

Für Arbeitnehmer, die unter Lohndiskriminierung leiden, öffnet sich ein neues Kapitel der Gerechtigkeit. Sie haben nun das Recht auf Entschädigung und das Gewicht der Beweisführung liegt bei den Arbeitgebern. Konkret bedeutet das: Eine Frau, die bei gleicher Arbeit weniger verdient als ihr männlicher Kollege, kann die Differenz, inklusive aller damit verbundenen Boni und Zusatzleistungen, einfordern.

Darüber hinaus wird die Durchsetzung von Gleichbehandlungsansprüchen gestärkt, indem qualifizierte Organisationen und Verbände ermächtigt werden, Betroffene in Fällen von Lohndiskriminierung vor Gericht zu vertreten. Dies stärkt die Position der Arbeitnehmer im Kampf für Entgeltgleichheit.

Wie sich Unternehmen vorbereiten können

Die Einführung der EU-Lohntransparenzrichtlinie setzt deutsche Unternehmen, vor allem die mit 100 bis 250 Mitarbeitern, unter Zugzwang. Sie stehen vor der Herausforderung, sich innerhalb von drei Jahren auf die neuen Regeln einzustellen. Angesichts des Umfangs der erforderlichen Anpassungen ist es ratsam, keine Zeit zu verlieren.

Zuerst müssen sich die Unternehmen gründlich mit den neuen Anforderungen der Richtlinie vertraut machen. Dies umfasst nicht nur die Offenlegung der Gehaltsstrukturen, sondern auch die Bearbeitung von Auskunfts- und Entschädigungsansprüchen bei Lohndiskriminierung. Ein intensiver Abgleich der bestehenden Gehaltsstrukturen mit den neuen Vorgaben ist unumgänglich. Eine tiefgreifende Analyse und Datensammlung sind notwendig, um geschlechtsspezifische Gehaltsunterschiede aufzudecken und anzugehen. Dies erfordert eine frühzeitige und systematische Datenerfassung.

Doch es geht um mehr als nur Daten: Die Schaffung echter Lohngerechtigkeit ist eine noch größere Aufgabe, besonders in der aktuellen Wirtschaftslage. Unternehmen müssen proaktiv handeln, um festgestellte Gehaltsunterschiede zu beseitigen. Dies beinhaltet die Anpassung von Gehaltsstrukturen, die Einführung transparenter Vergütungssysteme und die Förderung der Chancengleichheit im Unternehmen. Die Beseitigung von geschlechtsspezifischen Lohnunterschieden muss dabei oberste Priorität haben.

Die EU-Richtlinie knüpft an das seit 2017 in Deutschland bestehende Entgelttransparenzgesetz an und strebt eine effektivere Umsetzung des Grundsatzes der Entgeltgleichheit an. Experten erkennen in der EU-Lohntransparenz bedeutende Vorteile für die Geschlechtergleichstellung und die Unternehmenskultur. Transparente Gehälter stärken das Vertrauen und das Arbeitsklima.

Doch die Herausforderungen sind vielfältig: Datenerhebung, Datensicherheit und interne Kommunikation stellen Unternehmen vor große Aufgaben und Maßnahmen zur Lohnangleichung können finanzielle Belastungen mit sich bringen. Deshalb ist eine frühzeitige und proaktive Vorbereitung für Unternehmen unerlässlich.

 


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