Der Wohnungsmangel wächst sich zu einer fundamentalen Sozialkrise aus. Vor allem in den deutschen Großstädten sind auf den großen Suchportalen wie Immonet oder Immoscout 24 fast nur noch möblierte Wohnungen im Angebot. Wer einen Besichtigungstermin ergattert, steht nicht selten mit mehreren Dutzenden im Altbau auf der Treppe, muss geduldig warten, um Einlass zu finden, um letztlich doch nie wieder etwas vom Vermieter zu hören.
Der Frust hat inzwischen so weite Kreise gezogen, dass die dringend von der deutschen Wirtschaft gebrauchten Facharbeiter, vor einem Umzug nach Deutschland zurückschrecken, weil sich das verlockende Gehalt in der Pro- und Kontra-Abwägung durch überteuerte Mietzahlungen als Luftbuchung entpuppt. Ein Problem, dass Städte wie London oder Paris schon lange kennen.
8,4 Prozent Mietanstieg im dritten Quartal
Durch die Bank warnen Fachleute auch für das kommende Jahr 2024 mit weiter steigenden Mieten in Deutschland. Zum Jahreswechsel haben nun auch die international tätigen Makler von Jones Lang LaSalle (JLL) ihre Marktanalyse vorgelegt. „Für 2024 rechnen wir mit einer anhaltend hohen politischen Unsicherheit und sehen wenig Spielraum für Impulse im Wohnungsneubau“, sagte Roman Heidrich, bei JLL als Fachmann für Wohnimmobilien-Bewertungen zuständig.
Im dritten Quartal kletterten die Mieten in den größten acht Metropolen um 8,4 Prozent zum Vorjahreszeitraum. Zum zweiten Quartal stand ein Plus von 3,8 Prozent. Auch in anderen Großstädten stiegen die Mieten im Jahresvergleich kräftig – JLL verweist insbesondere auf Mannheim (5,7 Prozent), Bonn (4,8 Prozent), Essen (5,2 Prozent) und Wuppertal (5,7 Prozent).
JLL bestätigt, was die Bürger im Land längst ahnen. Selbst in den Kleinstädten ist es deutlich enger geworden als früher. Nur dass die Zuwächse mit gut vier Prozent im Jahresvergleich und weniger als zwei Prozent zum Vorquartal gedämpfter ausfallen. „Wir gehen davon aus, dass die Mieten mittel- und langfristig weiter steigen werden, da in den meisten Regionen Deutschlands die Nachfrage auch in den nächsten Jahren das schrumpfende Angebot an neuen Wohnungen deutlich übersteigen wird“, betont Heidrich. Bestenfalls in ländlichen Regionen gibt es immer wieder erstaunliche Angebote, warum nicht wenige aus der Not heraus pendeln oder sich neuerdings auf vermehrtes Home-Office im Dorf einrichten.
Die Engpässe und Probleme scheinen sich immer weiter gegenseitig hochzuschaukeln. Weil die Bauzinsen so schnell, so exorbitant hoch geschossen sind, die gestiegenen Baukosten indessen noch aus Zeiten der Lieferengpässe nachklingen, sehen Kaufinteressenten oder hoffnungsfrohe Häuslebauer von einem finanziellen Engagement derzeit ab - zu groß die Ungewissheit und das Abenteuer geradezu existentiell. Erst wenn die Zinsen plötzlich wieder nachgeben und eine (wie auch immer geartete) Förder-Kulisse neue Spielräume ermöglicht, könnte sich der Pfropfen endlich lösen. Leider sind derzeit von Politikern keine erbaulichen Aussichten zu vernehmen, keine Ermutigung, niemand appelliert an die Vernunft. Denn wer aus Angst derzeit nicht die Altersvorsorge in Angriff nimmt und Grundvermögen für seine Familie erwirbt, bleibt frustriert in beengten Verhältnissen wohnen und nimmt der in den Wohnungsmarkt drängenden Bevölkerung jegliche Perspektiven. Ein Teufelskreis.
Dass es anders geht, beweist der Blick ins europäische Ausland. Gerade in den südlichen Ländern wie Italien, Spanien oder auch Rumänien würde wohl niemand auf die Idee kommt, sich in Krisenzeiten einzuigeln. Zur Generationen-Vorsorge gehört das Bauen wie selbstverständlich dazu. Rumänien verfügt nach Zahlen von Eurostat über eine Wohneigentumsquote von 96 Prozent, Spanien von 76 Prozent und selbst Polen mit 84 Prozent liegt weit vorne. Nur Deutschland ist mittlerweile quasi das einzige EU-Land, wo es zunehmend mehr Mieter als Eigentümer gibt. Laut dem Statistischen Bundesamt lag die Eigentümerquote 2022 hier bei nur 42 Prozent. Die rekordhohe Zuwanderung dürfte die Nachfrage nach Wohnraum sogar nochmals verstärkt haben im letzten Jahr.
Mut zum Hauskauf könnte Bewegung schaffen
Während der Mietmarkt umkämpft ist, können Immobilienkäufer in 2024 weiterhin auf reizvolle Abschläge hoffen. Die deutschen Immobilien-Finanzierer vermuten, dass das Delta zwischen den Zinsen und den Immobilienpreisen noch anhält und erst im laufenden Jahr einer wachsenden Zuversicht weicht. Erste Impulse könnten dann auf eine gelockerte Zinsschraube der EZB folgen, über die am Markt bereits munter spekuliert wird. Noch sei vorerst weiter von Preisrückgängen in den kommenden Quartalen auszugehen, sagt der Verband der Pfandbriefbanken, der die Branche der Immobilien-Finanzierer vertritt.
Seit Mitte 2022 sinken die Preise am Immobilienmarkt mittlerweile. Im dritten Quartal 2023 gab es nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes sogar ein Minus von zehn Prozent zum Vorjahreszeitraum. Zu bedenken sei hierbei jedoch, dass sich die Preise im Aufschwung seit 2010 de facto verdoppelt hätten. Laut Bundesbank waren dies je nach Lage gut 20 bis 30 Prozent zu viel. Was im Umkehrschluss darauf hindeutet, dass die Bodenbildung in ersten Regionen 2024 anstehen und deshalb nun ein guter Zeitpunkt für Investitionen sein könnte.
Neues Kauf-Kriterium wird der Energie-Verbrauch
Worauf es neuerdings bei der Auswahl der richtigen Immobilie ankommt, ist der Zustand des Hauses bei Dämmung und Heizung. Eine nur niedrige Energie-Effizienz, womöglich der schlechtesten Klasse H, könnte für die Preisvorstellungen der Verkäufer zum Killerargument werden. Die ING Bank verweist darauf, dass Immobilien in der Energie-Effizienzklasse A+ im Schnitt nur Preisrückgange von einem Prozent verzeichnet hätten. „War früher die Lage das ausschlaggebende Kriterium für den Angebotspreis, so ist heute ein gutes Energielabel das Ass im Ärmel“, so die Einschätzung der Banker.
Auch die Makler von JLL bestätigen ein Preisgefälle bei Häusern mit den niedrigsten Effizienzklassen G und H. Sie seien 28,7 Prozent billiger als Gebäude der besten Klassen A und A+. „Eigentümer energetisch schlechter Immobilien werden in Zukunft immer größere Schwierigkeiten bei der Vermietung, beim Verkauf und auch bei der Finanzierung ihrer Immobilien bekommen“, so JLL-Experte Heidrich.
Mit sinkenden Leitzinsen im neuen Jahr könnte die Preiskorrektur am Immobilienmarkt allerdings auch abrupt enden. Dass Betongold wie Blech gehandelt wird, dagegen spricht jegliche Vernunft. Bleibt die Frage, wo die Politik am Mietmarkt regulierend einschreiten kann. In den großen Städten wie Berlin war früher einmal die sogenannte Fehlbelegungsabgabe das Instrument der Wahl, um Fehlallokationen in den Beständen des sozialen Wohnungsbaus auszugleichen. Dazu war aus der Koalition bislang noch nichts zu vernehmen.