Das klassizistische Ostsee-Seebad Heiligendamm präsentiert sich als einzigartiges geschlossenes Baudenkmal - die Weiße Stadt am Meer unweit von Rostock. Auf Geheiß von Friedrich-Franz dem Ersten, dem späteren Großherzog von Mecklenburg-Schwerin, ab 1793 am Rande der Stadt Bad Doberan errichtet, galt das mondäne Seebad lange Zeit als heißester Anwärter darauf, das Ostsee-Pendant zu Sylt zu werden - ein Refugium der Reichen und Schönen.
Anno August Jagdfeld, der in Berlin unter anderem am Brandenburger Tor das traditionsreiche „Hotel Adlon" wiederaufbauen ließ, träumte von Noblesse oblige und der feinen Gesellschaft, die in seinem Klassik-Ensemble ein- und ausgehen sollte. Die Pläne waren hochtrabend: Als erstes wurde tatsächlich mit der Kempinski-Gruppe im Mai 2003 das Grand Hotel Heiligendamm eröffnet, dann aufwendig die ersten (der wie an einer Perlenkette aufgereihten) Villen saniert. Ein Bebauungsplan für das Hinterland sah einen Golfplatz mit Privatvillen vor und eine Marina. Die Vision Jagdfelds war blendend - im doppelten Wortsinne.
G-8-Gipfel mit Putin und Bush wurde zum Verhängnis
Nachdem Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Staatshäupter zum G-8-Gipfel nach Heiligendamm eingeladen hatte und die Präsidenten Putin, Bush, Sarkozy und Blair standesgemäß Quartier beziehen ließ. entwickelte sich das Seebad zu einer Pilgerstätte wider Willen - ernst kamen die Demonstranten, um gegen das umstrittene Gipfeltreffen zu demonstrieren, dann schlenderte das neugierige Volk am Strand entlang und beeinträchtigte angeblich die Idylle des Villen-Ensembles. Ein Zaun zwischen Hotel und dem Sandstrand vermochte daran auch nichts zu ändern. Die geplante Immobilien-Entwicklung geriet sukzessive zum Desaster. Mit der Denkmalpflege gab es Streit, vor allem Zwist mit den lokalen Politikern, die das elitäre Seebad als anmaßend anprangerten und opponierten, wo sie nur konnten. So verlor auch Kempinski nach Jahren des Zuschussgeschäfts die Lust und Nerven. Pauschaltouristen hielten als Gäste Einzug in die Luxus-Herberge.
Großinvestor Anno August Jagdfeld, der sich in Heiligendamm - gewissermaßen als Lohn seiner Mühen - die schönste Perle als Mitgift gesichert hatte, das sogenannte Alexandrinen-Cottage, hoch oben auf einer Klippe über der Ostsee thronend, wollte die Villa eigentlich als Familiensitz an der Ostsee herrichten lassen. Daraus wurde nie etwas. Gut 20 Jahre steht die schönste der über ein Dutzend Villen in Heiligendamm mittlerweile leer und wurde nur gelegentlich einmal untervermietet - so etwa für eine Plattenproduktion der Rockband Rammstein. Nach mehr als zwei Jahrzehnten des Leerstands und der Vernachlässigung steht die wohl exklusivste Wohn-Immobilie im ganzen Land nun tatsächlich zum Verkauf. Preis: 40 Millionen Euro.
Die Makler von Engel & Völkers haben bekanntgegeben, dass sie das Anwesen für Jagdfeld veräußern sollen. Angeblich gibt es viele Nachfragen und auch schon Kaufinteressenten. Das frühere Grand Hotel gehört freilich nicht dazu, betont Makler Patrick C. Weber. Andere Flächen in Heiligendamm will Jagdfeld offenkundig aber ebenfalls abstoßen. Gut möglich, dass das alles derzeit nicht ganz freiwillig erfolgt. Es heißt, Jagdfelds und seine Fundus-Gruppe hätten im Laufe der Jahre gut 300 Millionen Euro in den Standort investiert. Wie viele davon versenkt wurden, darüber kann man nur mutmaßen. Das Seebad als Gesamtensemble gab es beim Kauf 1997 zum Schnäppchenpreis von der bundeseigenen Treuhand - allein der erhoffte Erlös des Alexandrinen-Cottage könnte nun wenigstens Jagdfelds Einstiegstarif von angeblich 16 Millionen Mark wettmachen.
Fürstlich wohnen wie Prinzessin Alexandrine
Denn wer möchte nicht einmal wohnen wie eine preußische Prinzessin. In lichtdurchfluteten Räumen, mit Blick auf die tosende See, die Villa inmitten knorriger Buchen und in seiner abgeschiedenen Alleinlage tatsächlich ohne neugierige Zaungäste - das könnte für manch Interessenten eine reizvolle Sommerresidenz sein. Dass das Cottage unsaniert ist, geriete dann sogar zum Vorteil. So sieht es jedenfalls Jagdfeld selbst, der seinen Sprecher Christian Plöger erklären ließ: „Da Käufer in dieser Preiskategorie viele eigene Wünsche haben, ist es üblich, dass derartige Häuser unsaniert verkauft werden. Dies ist auch Voraussetzung für die Geltendmachung der Denkmalabschreibung für den Käufer." Der Steuerberater in Jagdfeld hat immer ein gutes Argument in petto. Der Angebot mit 18 Zimmern und gut 1500 Quadratmetern Wohnfläche ist wirklich einzigartig - es kommt leider nur zur Unzeit inmitten einer veritablen Immobilienkrise.
Zu DDR-Zeiten war die Villa Erholungsheim
Trotz aller Wirren und Zeitenwenden blieb die pittoreske Ostsee-Residenz bis 1945 im Privatbesitz der herzoglichen Familie. Nach ihrer Enteignung 1945 wurde das 1841 errichtete Alexandrinen-Cottage zum Haus Weimar und in Volkseigentum überführt. Zu DDR-Zeiten war es Erholungsheim eines nahe gelebenen Sanatoriums. Direkt nach Mauerfall und Deutscher Einheit nutzten Studenten der Fachschule für angewandte Kunst das Gebäude als Studentenwohnheim. Dass es danach so lange im Dornröschenschlaf verharren würde, hätten wohl nur wenige Besucher des Ostseebads erwartet. Aus der Zeit gefallen ist die Immobilie. Nur ab und zu öffnen Wachleute den Zaun und fahren zum Haus, um nach dem Rechten zu schauen. Vor Vandalismus ist das Haus gut geschützt, vor Wind und Wetter eher nicht. Es wird Zeit, dass das einst fürstliche Geschenk für Alexandrine von Preußen eine Zukunft bekommt.
Jochen Arenz, Bürgermeister des Städtchens Bad Doberan, würde sich ein Café auf der Klippe wünschen. „Der große Traum wäre, dass es für die Öffentlichkeit zugänglich ist. Dass die Menschen dort entlang gehen können", so der Politiker. Unwahrscheinlich, dass diese Rechnung aufgeht bei den Preisvorstellungen Jagdfelds. Wobei der vielleicht Abstriche in Kauf nehmen muss, schließlich wird Landeskonservatorin Ramona Dornbusch wieder ein Wörtchen mitreden. Jagdfelds Absichten hätten sie „überrascht", gestand sie. Es sei immerhin lange ernsthaft „über Auflagen gesprochen" worden. Für Mecklenburg-Vorpommern habe das Gebäude wegen seines repräsentativen Baustils, der wechselvollen Geschichte und städtebaulichen Lage herausragende Bedeutung.