Politik

Lindner unter Druck: FDP stimmt nur mit knapper Mehrheit für Ampel-Verbleib

Um Haaresbreite ist bei der Mitgliederbefragung die Führung der FDP einer kompletten Blamage entronnen. 52,24 Prozent der Parteimitglieder, die an der Abstimmung teilgenommen haben, stimmten für einen Verbleib in der Ampelkoalition, 47,76 Prozent dagegen. Doch das knappe Ergebnis kommt einer Misstrauenserklärung gegen die Führung um Christian Lindner gleich und dürfte zu einer Belastung für die Ampel-Koalition werden.
Autor
01.01.2024 17:44
Aktualisiert: 01.01.2024 17:44
Lesezeit: 2 min

Initiiert wurde die Abstimmung über den Verbleib in der Ampel-Koalition vom Kreisverband der FDP in Kassel. Deren Vorsitzender Matthias Nölke hat den Unmut vieler FDP-Mitglieder über die Perfomance der Ampel-Koalition insgesamt, wie auch der FDP in der Koalition aufgenommen und in eine Mitgliederbefragung gelenkt. Nachdem es Nölke und seinen Mitstreitern in einer Unterschriftenaktion gelungen war, das nötige Quorum für eine Mitgliederbefragung zu erreichen, musste die Parteiführung zähneknirschend nach Paragraf 21a der parteiinternen Satzung den Weg für eine Mitgliederbefragung freimachen.

Nölke hatte von Anbeginn klargemacht, dass er von der Ampel-Regierung wenig hält – diese regiere an den Menschen vorbei, und die FDP werde dafür mitverantwortlich gemacht: „Der Unmut über die Ampel ist groß.“ Die Motivation der FDP-Mitglieder sich für die Ampel zu engagieren, sei „sehr überschaubar“.

Schwieriges Ergebnis

Das Ergebnis der Mitgliederbefragung, an der sich 26.058 der insgesamt 72.100 Mitglieder beteiligt haben, ist in mehrerlei Hinsicht sowohl für die Parteiführung als auch für die Regierungskoalition insgesamt in hohem Maße problematisch: Zwar war das Ergebnis dieser Befragung für die Parteispitze nicht bindend und schließlich hat sich, wenn auch ziemlich knapp, die Mehrheit für den Verbleib in der Koalition ausgesprochen, trotzdem ist der knappe Ausgang der Befragung alles andere als ein Vertrauensbeweis für Lindner und Co.

Zum einen muss sich jetzt die Parteiführung dringend fragen, wie es dazu kommen konnte, dass fast die Hälfte der FDP-Mitglieder, die an der Befragung teilgenommen hatten, lieber heute als morgen diese Koalition verlassen möchte. Tatsächlich hat sich bei nicht wenigen Mitgliedern der FDP erheblicher Unmut aufgestaut. Überzeugte Marktwirtschaftler, die es in der FDP noch gibt, können schwerlich auf die Bilanz der Ampel mit Wohlgefallen blicken. Parteichef Lindner taugt als Bundesfinanzminister nur wenig als Bannerträger der Marktwirtschaft.

Als Bundesfinanzminister trägt er ein gerütteltes Maß an Mitverantwortung dafür, dass das Bundesverfassungsgericht den Bundeshaushalt als schlicht verfassungswidrig und damit für nichtig erklärte. Schon zuvor hatte der Bundesrechnungshof die Finanzpolitik Lindners in scharfen Worten gerügt – die 29 Sondertöpfe, in die Lindner einen erheblichen Teil der Schulden verschoben habe, machten es schwer, nachzuvollziehen, wieviel Geld der Staat tatsächlich ausgebe. Die „ausufernde Topwirtschaft“ Linders, so die Rechnungsprüfer, sei mit den Grundsätzen solider Finanzwirtschaft nur schwer in Einklang zu bringen.

Serie an Niederlagen

Dieser Unmut hatte sich in der Vergangenheit schon in den mageren Ergebnissen der FDP bei Landtagswahlen gezeigt. In Bayern flog sie in diesem Jahr aus dem Landtag, in Hessen schaffte sie den Wiedereinzug nur denkbar knapp. Zuvor war sie in Berlin, Niedersachsen und dem Saarland aus den Parlamenten gewählt worden, in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen blieb sie zwar in den Landtagen, musste aber in beiden Ländern die Regierung verlassen.

Auch das neue Jahr dürfte in dieser Hinsicht für die FDP nicht einfach werden. So könnte die Europawahl im Juni und die gleichzeitig stattfindenden Kommunalwahlen in acht Ländern für die FDP eine erhebliche Herausforderung werden. Gleiches gilt für die im Herbst stattfindenden Landtagswahlen in Thüringen, Brandenburg und Sachsen.

Angesichts dieser Herausforderung könnte die FDP versuchen wollen, innerhalb der Koalition ihr Profil zu schärfen. Dies aber würde unweigerlich zu weiteren koalitionsinternen Spannungen führen. Zumal es wenig wahrscheinlich sein dürfte, dass die Grünen eine große Neigung verspüren, der FDP allzu weit entgegenzukommen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen Nvidia-Aktie im Fokus: Googles TPU-Pläne verschärfen den KI-Wettbewerb
28.11.2025

Der Wettbewerb um die leistungsfähigsten KI-Chips gewinnt rasant an Dynamik, da große Technologiekonzerne ihre Strategien neu ausrichten...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Start-up Etalytics: KI als digitaler Dirigent für die Industrieenergie
28.11.2025

In Deutschlands Fabriken verpuffen gewaltige Mengen Energie. Mit einer eigenen KI, die das System kontrolliert, gelingen Etalytics...

DWN
Finanzen
Finanzen Bullenmarkt im Blick: Steht der globale Aufwärtstrend vor einer Wende?
28.11.2025

Die globalen Aktienmärkte erleben nach Jahren starken Wachstums wieder mehr Unsicherheit und kritischere Kursbewegungen. Doch woran lässt...

DWN
Politik
Politik Milliarden-Etat für 2026: Bundestag stemmt Rekordhaushalt
28.11.2025

Der Bundestag hat den Haushalt für 2026 verabschiedet – mit Schulden auf einem Niveau, das zuletzt nur während der Corona-Pandemie...

DWN
Politik
Politik Zu wenige Fachkräfte, zu viele Arbeitslose: Deutschlands paradoxer Arbeitsmarkt
28.11.2025

Deutschland steuert auf fast drei Millionen Arbeitslose zu, doch das eigentliche Problem liegt laut Bundesagentur-Chefin Andrea Nahles...

DWN
Finanzen
Finanzen Inflation bleibt im November bei 2,3 Prozent stabil
28.11.2025

Auch im November hat sich die Teuerungsrate in Deutschland kaum bewegt: Die Verbraucherpreise lagen wie schon im Vormonat um 2,3 Prozent...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Koalition erzielt Kompromisse bei Rente, Autos und Wohnungsbau
28.11.2025

Nach langen Verhandlungen haben CDU, CSU und SPD in zentralen Streitfragen Einigungen erzielt. Die Koalitionsspitzen verständigten sich...

DWN
Politik
Politik Zeitnot, Lücken, Belastung: Schulleitungen schlagen Alarm
28.11.2025

Deutschlands Schulleiterinnen und Schulleiter stehen nach wie vor unter hohem Druck: Laut einer Umfrage der Bildungsgewerkschaft VBE sind...