Initiiert wurde die Abstimmung über den Verbleib in der Ampel-Koalition vom Kreisverband der FDP in Kassel. Deren Vorsitzender Matthias Nölke hat den Unmut vieler FDP-Mitglieder über die Perfomance der Ampel-Koalition insgesamt, wie auch der FDP in der Koalition aufgenommen und in eine Mitgliederbefragung gelenkt. Nachdem es Nölke und seinen Mitstreitern in einer Unterschriftenaktion gelungen war, das nötige Quorum für eine Mitgliederbefragung zu erreichen, musste die Parteiführung zähneknirschend nach Paragraf 21a der parteiinternen Satzung den Weg für eine Mitgliederbefragung freimachen.
Nölke hatte von Anbeginn klargemacht, dass er von der Ampel-Regierung wenig hält – diese regiere an den Menschen vorbei, und die FDP werde dafür mitverantwortlich gemacht: „Der Unmut über die Ampel ist groß.“ Die Motivation der FDP-Mitglieder sich für die Ampel zu engagieren, sei „sehr überschaubar“.
Schwieriges Ergebnis
Das Ergebnis der Mitgliederbefragung, an der sich 26.058 der insgesamt 72.100 Mitglieder beteiligt haben, ist in mehrerlei Hinsicht sowohl für die Parteiführung als auch für die Regierungskoalition insgesamt in hohem Maße problematisch: Zwar war das Ergebnis dieser Befragung für die Parteispitze nicht bindend und schließlich hat sich, wenn auch ziemlich knapp, die Mehrheit für den Verbleib in der Koalition ausgesprochen, trotzdem ist der knappe Ausgang der Befragung alles andere als ein Vertrauensbeweis für Lindner und Co.
Zum einen muss sich jetzt die Parteiführung dringend fragen, wie es dazu kommen konnte, dass fast die Hälfte der FDP-Mitglieder, die an der Befragung teilgenommen hatten, lieber heute als morgen diese Koalition verlassen möchte. Tatsächlich hat sich bei nicht wenigen Mitgliedern der FDP erheblicher Unmut aufgestaut. Überzeugte Marktwirtschaftler, die es in der FDP noch gibt, können schwerlich auf die Bilanz der Ampel mit Wohlgefallen blicken. Parteichef Lindner taugt als Bundesfinanzminister nur wenig als Bannerträger der Marktwirtschaft.
Als Bundesfinanzminister trägt er ein gerütteltes Maß an Mitverantwortung dafür, dass das Bundesverfassungsgericht den Bundeshaushalt als schlicht verfassungswidrig und damit für nichtig erklärte. Schon zuvor hatte der Bundesrechnungshof die Finanzpolitik Lindners in scharfen Worten gerügt – die 29 Sondertöpfe, in die Lindner einen erheblichen Teil der Schulden verschoben habe, machten es schwer, nachzuvollziehen, wieviel Geld der Staat tatsächlich ausgebe. Die „ausufernde Topwirtschaft“ Linders, so die Rechnungsprüfer, sei mit den Grundsätzen solider Finanzwirtschaft nur schwer in Einklang zu bringen.
Serie an Niederlagen
Dieser Unmut hatte sich in der Vergangenheit schon in den mageren Ergebnissen der FDP bei Landtagswahlen gezeigt. In Bayern flog sie in diesem Jahr aus dem Landtag, in Hessen schaffte sie den Wiedereinzug nur denkbar knapp. Zuvor war sie in Berlin, Niedersachsen und dem Saarland aus den Parlamenten gewählt worden, in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen blieb sie zwar in den Landtagen, musste aber in beiden Ländern die Regierung verlassen.
Auch das neue Jahr dürfte in dieser Hinsicht für die FDP nicht einfach werden. So könnte die Europawahl im Juni und die gleichzeitig stattfindenden Kommunalwahlen in acht Ländern für die FDP eine erhebliche Herausforderung werden. Gleiches gilt für die im Herbst stattfindenden Landtagswahlen in Thüringen, Brandenburg und Sachsen.
Angesichts dieser Herausforderung könnte die FDP versuchen wollen, innerhalb der Koalition ihr Profil zu schärfen. Dies aber würde unweigerlich zu weiteren koalitionsinternen Spannungen führen. Zumal es wenig wahrscheinlich sein dürfte, dass die Grünen eine große Neigung verspüren, der FDP allzu weit entgegenzukommen.