Politik

Warum die Mieten generell zu niedrig sind und das Bauen da nicht mehr lohnt

Die Wohnungsnot, vermutlich die größte soziale Krise im Land, zwingt zum Nachdenken und erfordert neue Ideen. Aber ist es bereits Out-of-the-box-gedacht, wenn die ersten Ökonomen konstatieren, dass Mieten in Deutschland zu niedrig sind? Fakt ist, wenn das Zahlenwerk in städtischen Mietspiegeln fortgeschrieben wird, dürfte die Immobilienwirtschaft das Bauen von Wohnungen endgültig einstellen. Die Alternative kann sich Vater Staat kaum mehr leisten: die Bezuschussung des sozialen Wohnungsbaus.
11.01.2024 12:43
Aktualisiert: 11.01.2024 12:43
Lesezeit: 4 min
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Warum die Mieten generell zu niedrig sind und das Bauen da nicht mehr lohnt
Für 6,50 Euro den Quadratmeter bezuschusst wohnen oder einen fairen Mietpreis zahlen? Bundesbauministerin Klara Geywitz auf dem Balkon einer Genossenschaftswohnung in Halle an der Saale auf der Suche nach Lösungen für die Wohnungsnot. (Foto: dpa) Foto: Hendrik Schmidt

Der Steuerbürger kennt das Problem: Wenn die Mieten für das eigene Haus zu niedrig angesetzt sind oder für die an Verwandtschaft vermietete Eigentumswohnung, dann droht schnell einmal Ärger mit dem Finanzamt. Liebhaberei, heißt dann der Verdacht, eine Spielart der Steuerverkürzung.

Das Finanzamt kann Ihnen wegen der zu niedrigen Miete vorwerfen, dass Sie mit Absicht keine Gewinne aus Ihrer Tätigkeit erzielen wollen. Mangelnde Gewinn-Erzielungsabsicht ist zwar nicht strafbar, aber volkswirtschaftlich höchst fragwürdig und unter Umständen steuerrechtlich zu beanstanden.

Zurück zur Ausgangsfrage: Es gibt Experten, die das Problem längst benannt haben. Es existiert ein Missverhältnis zwischen Bestandsmieten, die als Maßstab für Mieterhöhungen herangezogen werden, den erzielbaren Netto-Kaltmieten bzw. den Kostenmieten, die auf den realen Baukosten fußen, ohne jegliche Subvention oder Steuerabschreibung. In der Vergangenheit hat Prof. Friedrich Breyer von der Uni Konstanz versucht, der breiten Öffentlichkeit dies zu verklickern. Obwohl Breyer lange Jahre das Bundeswirtschaftsministerium beraten hat, ist er mit seinen Überlegungen nie durchgedrungen. Selbst seine Heimatzeitung „Südkurier“ warf dem Professor frech „steile Thesen“ vor.

Deutsche Wohnen enteignen oder neu bauen?

Selbst aus der Bauwirtschaft ist immer mal wieder jemand bereit Tacheles zu reden. Unlängst erst Rolf Buch, der Vorstandsvorsitzende der Vonovia, mit 550,000 Wohnungen Deutschlands größter Vermieter, und der Chef der Saga, Thomas Krebs, die als städtische Wohnungsverwaltung der Hansestadt Hamburg 140,000 Wohnungen vermietet und damit Platzhirsch an der Elbe ist. In einem Streitgespräch in der „Süddeutschen Zeitung“ forderten sie „grundlegende Veränderungen des deutschen Mietrechts“. Doch wer hört noch zu, wenn die Enteignung der Deutschen Wohnen und der Vonovia AG in der Hauptstadt die politische Agenda bestimmt und sich die Kritiker des Wohnungskonzerns nach einem Volksentscheid auf der richtigen Seite der Geschichte wähnen.

Buch und Krebs wird man kaum vorwerfen können, dass sie aggressiv als Immobilienhaie im Markt schwimmen. Sie trauen sich nur, die Frage aufzuwerfen, ob gut verdienende Akademiker noch immer, kommod eingerichtet, in ihren Studentenbuden wohnen müssen für fünf Euro den Quadratmeter. Ein Traum? Fürwahr in Berlin-Kreuzberg aber immer noch Realität hie und da.

Mieter sollten Auskunft über ihr Gehalt geben

Krebs ist jedenfalls der Meinung, dass für öffentliche geforderte Wohnungen neue Regeln gelten sollten. „Wir sollten nach fünf Jahren von Mietern eine freiwillige Auskunft über ihr Einkommen und die Anzahl der Bewohner verlangen.“ Nur so lasse sich die Fehlbelegung verhindern bzw. die Ersparnisse der Mieter für die Gesellschaft sozial fair abschöpfen. Und für Buch greift die Politik wie bei der sogenannten Mietpreisbremse schlafwandlerisch daneben. Dies habe „zu einem legalen und einem illegalen Schwarzmarkt geführt“. Buch verweist auf die vielen untervermieteten möblierten Wohnungen - von privaten Mietern vielmehr als von den vielfältigen Beherbergungsbetrieben.

Zehn Euro pro Quadratmeter Miete wären realistisch

Was gilt als günstige Miete in den Augen der Bürger? Wer sein Haus abbezahlen muss, hat da sicher andere Vorstellungen, als die Mieter in den deutschen Groß- und Mittelstädten. Ihnen wird jährlich zur Orientierung der Mietspiegel ihrer Kommune vorgelegt. Dass er derzeit heftig steigt, beunruhigt sie sehr. Vielleicht weil das Instrumentarium völlig falsche Erwartungen weckt? Das findet Prof. Wolfgang Maennig, Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Hamburg.

Im Berliner „Tagesspiegel“ hat er jetzt in einem Meinungsbeitrag Klartext gesprochen. „Zehn Euro Miete pro Quadratmeter kann sich jeder leisten“, mit dieser Überschrift überraschte er die Mieterstadt Berlin zum neuen Jahr. Als gebürtiger Berliner und Leistungssportler - Maennig holte 1988 bei Olympia Gold im Rudern - ist er mit den Abgründen des Wohnungsmarktes in der Hauptstadt bestens vertraut. Gerade deshalb schien es ihm wohl vonnöten, einen raus zu hauen im Sinne einer überfälligen Debatte. Denn, wenn das weit verbreitete Anliegen, Mieter vor den Wahrheiten der sozialen Marktwirtschaft abzuschotten, nicht endlich ehrlich thematisiert wird, muss die Politik an der Lösung des Problems Wohnungskrise dramatisch scheitern.

35 Prozent von Netto-Einkommen für Miete

Anders als Politiker können Ökonomen ihre Ansichten ganz sachlich auf Grundlage von hoch gerechneten Zahlen begründen. Wie also kommt Maennig auf seine zehn Euro? Er hat einmal auf Grundlage des neuen Mindestlohns von 12,41 Euro hochgerechnet, was das für die Kaufkraft heißt und das monatliche Einkommen bei 38 Stunden die Arbeitswoche ausmacht. Unter normalen Umständen kommen dabei 1500 Euro netto raus. 35 Prozent von diesem Netto gilt gemeinhin als zumutbare monatliche Mietbelastung - wären also 540 Euro.

Nun kommt es noch darauf an, eine angemessene Wohnfläche zu veranschlagen. Maennig setzt dafür 38 Quadratmeter pro Person an und kommt somit eine bezahlbare Brutto-Warmmiete von 14 Euro den Quadratmeter. Berücksichtigt sind darin 1,78 Euro pro Quadratmeter für Heiz- und Betriebskosten, wobei der Professor einräumt, dass dies beispielsweise in Berlin teurer werden könnte. Nach Betriebskosten-Abrechnungen des Berliner Senats werden gut zwei Euro in der Hauptstadt angesetzt.

Für Maennig resultiert dieses nicht übermäßig komplexe Zahlenwerk zu einer recht einfachen Erkenntnis: 14 Euro pro Quadratmeter sollte demnach für den normalen Bürger als Brutto-Warmmiete bezahlbar und möglich sein. In der politischen Realität wird mit Blick auf Mietspiegel und Wünsch-Dir-was-Betrachtungen immer wieder die Quadratmeterzahl von 6,50 Euro als Zielmarke ins Gespräch gebracht. Ein bemerkenswerter Unterschied im Vergleich, der freilich in der politischen Betrachtung nirgends durchzudringen scheint.

Wohngeld gewähren statt Mieten reglementieren

Dass Maennig zehn Euro als vertretbare Miete ins Gespräch bringt und nicht die arithmetisch errechneten 14 Euro zeigt, dass er eine Diskussion anstoßen möchte und nicht etwa angestammte Mieter aus ihren Wohnungen treiben will. Es geht dem Wissenschaftler um die volkswirtschaftliche Gesamtbetrachtung über den Wert der Dinge, wo und wie sie als Ausgleich sozialer Härten ausgeglichen werden sollten.

Am gesamten Immobilienmarkt durch illusorische Erwartungen an eine vermeintlich bezahlbare Wohnung? Oder womöglich per Unterstützung durch Wohngeld für Alleinerziehende mit Kindern, um die Maennig natürlich weiß und deren Sorgen auch er ernst nimmt. „Schlicht ineffizient“ nennt Maennig die stetigen Bestrebungen, den Mietmarkt zu reglementieren. Tatsächlich erinnert dies ein wenig an die Brötchenpreise und Mieten zu DDR-Zeiten, die einfach nur niedrig zu sein und zu bleiben hatten - ganz egal, wer im Staat und mit welchen Mitteln dafür aufkommen musste.

Bauunternehmer wissen natürlich, weder mit zehn noch mit 14 Euro pro Quadratmeter können neue Wohnungen gebaut werden. Die sogenannte Kostenmiete ist eine ganz andere Kategorie. Aber am bestehenden Wohnungsmarkt, vor allem im öffentlichen Bewusstsein wäre ja schon mit einer sensibilisierten Betrachtung endlich Bewegung zu erzielen. Zum Beispiel: Wie unsozial es ist, ein üppiges Einkommen zu haben, aber als Mieter die Studentenbude weiter zu blockieren und einen Nachzug-Stau zu verursachen.

Zeit wäre es, dass Politiker in Bund, Ländern und auch Kommunen ihren Bürgern mal die Wahrheit zumuten würden, statt ihnen nach dem Mund zu reden. Auch das Wohnen hat einen Preis und kann in einer Marktwirtschaft nicht einfach für jeden subventioniert und nach Gusto in aller Breite bereitgestellt werden.

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Peter Schubert

Peter Schubert ist stellv. Chefredakteur und schreibt seit November 2023 bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Immobilienthemen. Er hat in Berlin Publizistik, Amerikanistik und Rechtswissenschaften an der Freien Universität studiert, war lange Jahre im Axel-Springer-Verlag bei „Berliner Morgenpost“, „Die Welt“, „Welt am Sonntag“ sowie „Welt Kompakt“ tätig. 

Als Autor mit dem Konrad-Adenauer-Journalistenpreis ausgezeichnet und von der Bundes-Architektenkammer für seine Berichterstattung über den Hauptstadtbau prämiert, ist er als Mitbegründer des Netzwerks Recherche und der Gesellschaft Hackesche Höfe (und Herausgeber von Architekturbüchern) hervorgetreten. In den zurückliegenden Jahren berichtete er als USA-Korrespondent aus Los Angeles in Kalifornien und war in der Schweiz als Projektentwickler tätig.

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