Immobilien

Nachhaltiger und erschwinglicher Wohnraum: Vereinbare Ziele?

Der rasante Zinsanstieg und die stark gestiegenen Baukosten im letzten Jahr haben nicht nur den Wohnungsbau in Deutschland gebremst, sondern auch den Konflikt zwischen bezahlbarem Wohnraum und Klimaschutz offengelegt. Sind beide Ziele erreichbar?
13.12.2023 17:30
Aktualisiert: 13.12.2023 17:30
Lesezeit: 3 min
Nachhaltiger und erschwinglicher Wohnraum: Vereinbare Ziele?
Der Wohnungsbau steckt in der Krise. (Foto: dpa) Foto: Marcus Brandt

In der deutschen Wohnungspolitik existieren mehrere Zielkonflikte, wobei sich in den letzten Jahren insbesondere das Dilemma zwischen Wohnungsbau- und Klimaschutz-Zielen deutlich zugespitzt hat. In beiden Bereichen wurden die politischen Ziele bei Weitem nicht erreicht.

Zentrale Probleme in der krisengeschüttelten Baubranche sind aktuell insbesonders die stark steigenden Bau- und Finanzierungskosten.

Laut einer neuen IW-Studie lassen sich Zielkonflikte im Allgemeinen nicht vollständig auflösen, doch es bestehen Wege, diese Konflikte zu entschärfen und mit gezielten Instrumenten anzugehen. Zur Auflösung der Konflikte müssen die gesamte Bandbreite an Instrumenten zu einem erfolgreichen Policy-Mix zusammengeführt werden, so die Studie.

Dr. Ralph Henger, IW-Senior Economist für Wohnungspolitik und Immobilienökonomik, weist darauf hin, dass höhere energetische Standards die Erstellungskosten von Wohnraum steigern und damit zu höheren Mieten beitragen, und auch zu höheren Standards bei energetischen Sanierungen führen. „Flächeneinsparziele stehen konträr zum Wohnungsbau, denn ausreichend Bauflächen sind für eine erhöhtes preisgünstiges Angebot eine Grundvoraussetzung“, so Henger. „Für die Politik stellt sich damit die Herausforderung, diese Ziele trotz der vorhandenen Konflikte bestmöglich miteinander in Einklang zu bringen.“

In der Studie machen Henger und Professor Dr. Michael Voigtländer, IW-Leiter Cluster Internationale Wirtschaftspolitik, Finanz- und Immobilienmärkte, verschiedene Vorschläge, um die gegensätzlichen Wohnraum- und Klimaschutz-Ziele zu vereinbaren. Einige davon sind:

  • Keine Kostentreiber einführen durch weitere Anhebungen der Neubaustandards
  • Widerstände auflösen durch weniger Gebote und Verbote
  • Modernisierungen anregen mit konsequent steigender CO2-Bepreisung und durch planbare Förderungen, auch im Einkommenssteuerrecht
  • Anreize durch Modernisierungsumlage erhalten
  • Fokus auf mehr Bauland und Flächeneinsparziele und
  • Spielräume in der Finanzmarktregulierung nutzen

Weiterer Anpassungen für Neubaustandards: Nicht erwünscht

Neue Baunormen sind in den letzten 20 Jahre immer wieder angepasst worden, so Henger. Nach der Umsetzung des EH 55 Standards Anfang des Jahres sollte Anfang 2025 der EH 40 Standard kommen, doch dieser Schritt soll nun verschoben werden. „Dies ist ausdrücklich zu begrüßen, da der damit erreichbare Energieeffizienzstandard im Verhältnis zu den Klimaschutzbeiträgen und den damit induzierten Zusatzkosten nicht gerechtfertigt ist“, betonte Henger. Die Wahl der Energieträger sei bei den erreichten Standards wesentlich relevanter für den Klimaschutz als der Energieeffizienzstandard.

Gebäudebestand: Größter Hebel für Klimaschutz

Der Studie zufolge liegt der größte Hebel für den Klimaschutz im Gebäudebestand. Verbote und Sanierungspflichten haben aber zu Widerständen geführt und Zusatzkosten verursacht, weil CO2-Emissionen nicht dort vermieden werden, wo es am günstigsten ist. „Zentraler Anker für mehr Anreize für Bestandssanierungen muss der CO2-Preis sein, denn nur so können gleichsam Innovationen angeregt werden sowie besonders effizient Einsparungen vorgenommen werden. Zusätzlich stehen über den CO2-Preis auch Einnahmen zur Finanzierung von Förderungen zur Verfügung“, sagen die Autoren.

Förderungen: Rahmenbedingungen müssen stabilisiert werden

Henger und Voigtländer weisen darauf hin, dass Klimaschutz eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist und Förderungen deshalb nötig sind. Die Rahmenbedingungen hierfür müssten dringend stabilisiert werden, um Eigentümern Planungssicherheit zu geben. Sie empfehlen eine deutliche stärkere Förderung über die Einkommenssteuer: „Diese unterliegt nicht den jährlichen Haushaltsplanungen und kann Verlässlichkeit herstellen. Aktuell ist die Einkommenssteuer klimapolitisch nicht richtig ausgestaltet und wirkt hemmend auf umfassenden Modernisierungsmaßnahmen der Gebäude.“

Die Studie hebt auch hervor, dass die ausreichende Ausweisung von Bauland bei einem stetigen Bevölkerungswachstum ein Schlüssel für mehr und günstigeren Wohnungsbau ist. Dies könnte mit den Flächeneinsparzielen der Bundesregierung vereinbart werden, wenn neben einer verstärkten Innenentwicklung in den Standorten weiterhin Baulandausweisungen ermöglicht werden, wo es hohe Bedarfe gibt.

In weiteren Nachrichten wurde vor Kurzem klar, dass das umstrittene EU-Gebäuderichtline (EPBD) milder umgesetzt wird als ursprünglich geplant. Die EPBD-Reform wurde am 7. Dezember im Trialog zwischen Unterhändlern des Parlaments und der EU-Mitgliedsländer und der Kommission vorläufig beschlossen. Jetzt müssen noch der EU-Rat und das Europaparlament formal zustimmen.

Die EU-Kommission hatte den Vorschlag zur Gebäuderichtlinie erstmals Ende 2021 vorgelegt. Gebäude seien für rund 40 Prozent des Energieverbrauchs und rund ein Drittel der Treibhausgasemissionen in der EU verantwortlich. Wenn Häuser besser gedämmt und mit modernem Heizsystemen ausgestattet sind, könne das den externen Energiebedarf massiv senken. Die EPBD-Regelung ist Teil des Klimapakets "Fit for 55", mit dem die EU-Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent im Vergleich zu 1990 gesenkt werden sollen.

Das Endziel bleibt bestehen. Bis 2050 sollen sämtliche Gebäude klimaneutrale Passivhäuser sein, also netto keinerlei CO2-Emissionen mehr verursachen. Neubauten müssen ab 2030 klimaneutral sein.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Vera von Lieres

Vera von Lieres gehört seit September 2022 zum DWN-Team und schreibt als Redakteurin über die Themen Immobilien und Wirtschaft. Sie hat langjährige Erfahrung im Finanzjournalismus, unter anderem bei Reuters und führenden Finanzmedien in Südafrika. Außerdem war sie als Kommunikations- und Marketing-Spezialistin bei internationalen Firmen der Investment-Branche tätig.

DWN
Finanzen
Finanzen Aktien Ukraine-Wiederaufbau: Diese Unternehmen warten auf ein Ende des Krieges
28.12.2025

Die Märkte reagieren überraschend empfindlich auf jede Erwartung eines Waffenstillstands und verschieben Kapital von Rüstungswerten hin...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutschland am Wendepunkt: Wie die wirtschaftliche Neuordnung gelingt
28.12.2025

Deutschland steht vor einer tiefgreifenden wirtschaftlichen Neuordnung, in der Investitionen und geopolitische Risiken zugleich bewältigt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Teamführung 2026: Was Führungskräfte jetzt wirklich brauchen
28.12.2025

Viele Führungskräfte starten 2026 mit neuen Vorsätzen – doch der Alltag frisst schnell jede Veränderung. Welche Self- und...

DWN
Immobilien
Immobilien Über den Wolken: Sky City 1000 – eine Zukunftsvision gegen Wohnraummangel
28.12.2025

Die japanische Hauptstadt Tokio wächst – schneller als die Stadt es verkraftet. Allein 2024 kamen zehntausende Menschen hinzu, im...

DWN
Technologie
Technologie Batteriespeicher: Warum RWE den Takt für Europas Netze vorgibt
28.12.2025

Ein deutscher Energiekonzern baut in Wales den größten Batteriespeicher Großbritanniens und verschiebt damit die Kräfteverhältnisse in...

DWN
Panorama
Panorama DWN-Wochenrückblick KW 52: Die wichtigsten Analysen der Woche
28.12.2025

Im DWN Wochenrückblick KW 52 fassen wir die zentralen wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen der vergangenen Woche zusammen....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Jahreswagen, Vorführwagen, Tageszulassung: So sparen Sie beim Autokauf
28.12.2025

Wer beim Auto kaufen sparen will, muss nicht zwingend zum alten Gebrauchten greifen. Jahreswagen, Vorführwagen und Tageszulassung wirken...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Föderale Modernisierungsagenda: 200-Punkte-Programm für Bürokratieabbau – ist das der große Wurf?
28.12.2025

Bund und Länder haben ein Paket beschlossen, das den Staat schlanker und schneller machen soll. Über 200 Maßnahmen zielen auf Bürger,...