In der deutschen Wohnungspolitik existieren mehrere Zielkonflikte, wobei sich in den letzten Jahren insbesondere das Dilemma zwischen Wohnungsbau- und Klimaschutz-Zielen deutlich zugespitzt hat. In beiden Bereichen wurden die politischen Ziele bei Weitem nicht erreicht.
Zentrale Probleme in der krisengeschüttelten Baubranche sind aktuell insbesonders die stark steigenden Bau- und Finanzierungskosten.
Laut einer neuen IW-Studie lassen sich Zielkonflikte im Allgemeinen nicht vollständig auflösen, doch es bestehen Wege, diese Konflikte zu entschärfen und mit gezielten Instrumenten anzugehen. Zur Auflösung der Konflikte müssen die gesamte Bandbreite an Instrumenten zu einem erfolgreichen Policy-Mix zusammengeführt werden, so die Studie.
Dr. Ralph Henger, IW-Senior Economist für Wohnungspolitik und Immobilienökonomik, weist darauf hin, dass höhere energetische Standards die Erstellungskosten von Wohnraum steigern und damit zu höheren Mieten beitragen, und auch zu höheren Standards bei energetischen Sanierungen führen. „Flächeneinsparziele stehen konträr zum Wohnungsbau, denn ausreichend Bauflächen sind für eine erhöhtes preisgünstiges Angebot eine Grundvoraussetzung“, so Henger. „Für die Politik stellt sich damit die Herausforderung, diese Ziele trotz der vorhandenen Konflikte bestmöglich miteinander in Einklang zu bringen.“
In der Studie machen Henger und Professor Dr. Michael Voigtländer, IW-Leiter Cluster Internationale Wirtschaftspolitik, Finanz- und Immobilienmärkte, verschiedene Vorschläge, um die gegensätzlichen Wohnraum- und Klimaschutz-Ziele zu vereinbaren. Einige davon sind:
- Keine Kostentreiber einführen durch weitere Anhebungen der Neubaustandards
- Widerstände auflösen durch weniger Gebote und Verbote
- Modernisierungen anregen mit konsequent steigender CO2-Bepreisung und durch planbare Förderungen, auch im Einkommenssteuerrecht
- Anreize durch Modernisierungsumlage erhalten
- Fokus auf mehr Bauland und Flächeneinsparziele und
- Spielräume in der Finanzmarktregulierung nutzen
Weiterer Anpassungen für Neubaustandards: Nicht erwünscht
Neue Baunormen sind in den letzten 20 Jahre immer wieder angepasst worden, so Henger. Nach der Umsetzung des EH 55 Standards Anfang des Jahres sollte Anfang 2025 der EH 40 Standard kommen, doch dieser Schritt soll nun verschoben werden. „Dies ist ausdrücklich zu begrüßen, da der damit erreichbare Energieeffizienzstandard im Verhältnis zu den Klimaschutzbeiträgen und den damit induzierten Zusatzkosten nicht gerechtfertigt ist“, betonte Henger. Die Wahl der Energieträger sei bei den erreichten Standards wesentlich relevanter für den Klimaschutz als der Energieeffizienzstandard.
Gebäudebestand: Größter Hebel für Klimaschutz
Der Studie zufolge liegt der größte Hebel für den Klimaschutz im Gebäudebestand. Verbote und Sanierungspflichten haben aber zu Widerständen geführt und Zusatzkosten verursacht, weil CO2-Emissionen nicht dort vermieden werden, wo es am günstigsten ist. „Zentraler Anker für mehr Anreize für Bestandssanierungen muss der CO2-Preis sein, denn nur so können gleichsam Innovationen angeregt werden sowie besonders effizient Einsparungen vorgenommen werden. Zusätzlich stehen über den CO2-Preis auch Einnahmen zur Finanzierung von Förderungen zur Verfügung“, sagen die Autoren.
Förderungen: Rahmenbedingungen müssen stabilisiert werden
Henger und Voigtländer weisen darauf hin, dass Klimaschutz eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist und Förderungen deshalb nötig sind. Die Rahmenbedingungen hierfür müssten dringend stabilisiert werden, um Eigentümern Planungssicherheit zu geben. Sie empfehlen eine deutliche stärkere Förderung über die Einkommenssteuer: „Diese unterliegt nicht den jährlichen Haushaltsplanungen und kann Verlässlichkeit herstellen. Aktuell ist die Einkommenssteuer klimapolitisch nicht richtig ausgestaltet und wirkt hemmend auf umfassenden Modernisierungsmaßnahmen der Gebäude.“
Die Studie hebt auch hervor, dass die ausreichende Ausweisung von Bauland bei einem stetigen Bevölkerungswachstum ein Schlüssel für mehr und günstigeren Wohnungsbau ist. Dies könnte mit den Flächeneinsparzielen der Bundesregierung vereinbart werden, wenn neben einer verstärkten Innenentwicklung in den Standorten weiterhin Baulandausweisungen ermöglicht werden, wo es hohe Bedarfe gibt.
In weiteren Nachrichten wurde vor Kurzem klar, dass das umstrittene EU-Gebäuderichtline (EPBD) milder umgesetzt wird als ursprünglich geplant. Die EPBD-Reform wurde am 7. Dezember im Trialog zwischen Unterhändlern des Parlaments und der EU-Mitgliedsländer und der Kommission vorläufig beschlossen. Jetzt müssen noch der EU-Rat und das Europaparlament formal zustimmen.
Die EU-Kommission hatte den Vorschlag zur Gebäuderichtlinie erstmals Ende 2021 vorgelegt. Gebäude seien für rund 40 Prozent des Energieverbrauchs und rund ein Drittel der Treibhausgasemissionen in der EU verantwortlich. Wenn Häuser besser gedämmt und mit modernem Heizsystemen ausgestattet sind, könne das den externen Energiebedarf massiv senken. Die EPBD-Regelung ist Teil des Klimapakets "Fit for 55", mit dem die EU-Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent im Vergleich zu 1990 gesenkt werden sollen.
Das Endziel bleibt bestehen. Bis 2050 sollen sämtliche Gebäude klimaneutrale Passivhäuser sein, also netto keinerlei CO2-Emissionen mehr verursachen. Neubauten müssen ab 2030 klimaneutral sein.