Sie ist ins Alter gekommen, und die Jungen im Lande argwöhnen, es sei nicht mehr viel los ist mit den Babyboomern - den geburtenstarken Jahrgängen des Wirtschaftswunders von 1946 bis 1964. Sie sind heute 55- bis 75-jährig und machen ein Viertel der Bevölkerung aus. Vor allem bilden sie das finanzielle Rückgrat Deutschlands.
Fridays for Future und andere Klimaschützer mokieren sich häufig, die Boomer hätten mit ihrem rücksichtslosem Hedonismus die Klimakrise verursacht und hinterlassen ihren Enkelkindern nun eine kaputte Welt. Kein schöner Befund, zumal die tiefen Taschen der Altvorderen derzeit maßgeblich den Umbau in Sachen Klimaschutz und Zeitenwende finanzieren.
Fehl-Einschätzung, die Boomer hätten schon alles, was sie brauchen
Aktuell freilich könnte man eher sagen, die junggebliebenen Senioren sorgen dafür, dass ordentlich Mehrwertsteuer generiert wird und der Staatshaushalt nicht ganz zusammenbricht. Sie shoppen und konsumieren in einem Ausmaße, dass man ihnen gar nicht zutrauen würde. Wo alteingesessene Haushalt doch schon meist alles haben, nichts mehr brauchen und allmählich auszumisten und zu reduzieren anfangen? Ein Irrtum!
Eine Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC zu Konsum und Medienverhalten kommt zum überraschenden Ergebnis, dass sie sogar online für reichlich Umsatz sorgen. 62 Prozent gehen demnach monatlich online. 44 Prozent bewerten die Digitalisierung als echte Erleichterung für ihr Leben - gerade mal zwölf Prozent sind laut der repräsentativen Umfrage gegenteiliger Ansicht. Die anfängliche Scheu gegenüber Internet und neuen Medien ist fast völlig verflogen, so der Befund.
94 Prozent aller Befragten haben ein Handy und nutzen es auch entsprechend. Mit einem alten Nokia sind nur noch wenige unterwegs. Genutzt wird das Gerät am häufigsten zur Kommunikation, etwa zum Telefonieren oder Nachrichten schreiben. Die Mehrheit ist damit auch regelmäßig auf Social-Media-Seiten unterwegs. Mit 78 Prozent ist WhatsApp die beliebteste Plattform. Facebook und YouTube nutzt jeder Zweite.
„Menschen ab 55 Jahren sind eine hoch relevante Zielgruppe, deren Kaufkraft den Motor des privaten Konsums in Deutschland maßgeblich antreibt“, kommentiert Christian Wulff von PwC Deutschland. „In Sachen Mediennutzung und Online-Shopping gibt es durchaus Parallelen zu jüngeren Altersgruppen."
Genau wie der Durchschnitt der deutschen Verbraucher kaufen auch die 55- bis 75-Jährigen am häufigsten im stationären Handel ein. 80 Prozent gehen für Besorgungen mindestens wöchentlich in ein Geschäft. 62 Prozent shoppen online. Ob sie im stationären Handel oder im Netz einkaufen, hängt auch vom Produkt ab. Während der Anteil der Onlinekäufe für Bekleidung bei 43 Prozent liegt, sind es für Lebensmittel lediglich 13 Prozent.
Großer Wert wird auf Qualität gelegt und auch Regionalität
Beim Konsum legen die Babyboomer zu 86 Prozent Wert auf Qualität und zu 84 Prozent auf den Preis. Wichtig ist ihnen zudem die Verlässlichkeit und Sicherheit der Produkte. Aber auch nachhaltige Kriterien haben Einfluss auf die Kaufentscheidung: 60 Prozent geben an, bewusst regionale Produkte zu kaufen. Bei den 71- bis 75-Jährigen sind es sogar 70 Prozent.
Die finanzielle Stabilität macht hierbei den großen Unterschied aus. Haushalte mit Personen von 55 Jahren oder älter tätigen mehr als die Hälfte aller privaten Konsumausgaben. Und während die größte aktuelle Sorge von Personen zwischen 18 und 54 Jahren die eigene finanzielle Lage ist, blicken 55–75-Jährige eher sorgenvoll auf die großen geopolitische Konflikte, anhaltende Inflation, eigene Gesundheit und Naturkatastrophen.
Bei der Bezahlung setzen die Babyboomer ebenfalls eher auf die klassischen Bezahlwege. 85 Prozent zahlen im stationären Handel am liebsten bar, 61 Prozent mit EC-Karte. Mobile-Payment-Lösungen wie Apple Pay oder Google Pay haben erst sechs Prozent dieser Konsumentengruppe für sich entdeckt. Bei Onlinekäufen sieht dies anders aus: Dabei bevorzugen drei Viertel die Zahlung per PayPal. 62 Prozent bestellen auf Rechnung.
Größter Unterschied der Generation liegt in der Mediennutzung
Bei der Mediennutzung zeigen sich dagegen deutliche Unterschiede zwischen den Babyboomern und jüngeren Generationen: Insbesondere traditionelle Medien wie das lineare Fernsehen und Radio gehören bei den älteren Konsumenten zum täglichen Zeitvertreib noch dazu. So geben rund neun von zehn Befragten an, dass sie regelmäßig fernsehen und Radio hören. 76 Prozent verbringen dabei sogar mehr als eine Stunde täglich vor dem traditionellen Fernseher und 38 Prozent mit Radiohören. Die Hälfte der 55- bis 75-Jährigen greift mindestens einmal die Woche zum gedruckten Buch, einer Zeitung oder Zeitschrift.
Insgesamt wissen die 55- bis 75-Jährigen die Vorzüge der Digitalisierung und neuer Technologien zu schätzen: Mit 44 Prozent gibt fast jeder Zweite an, dass die Digitalisierung ihnen das Leben erleichtert. Nur zwölf Prozent empfinden das Gegenteil. PwC rät deshalb auch Unternehmen, die Senioren als Zielgruppe gezielt anzusprechen. „Wenn Unternehmen neue digitale Angebote schaffen, sollten sie die reifere Zielgruppe berücksichtigen. Dazu zählt vor allem, ihr Interesse an neuen Technologien zu wecken, aber auch Unterstützung in der Nutzung oder Ansprechpartner bereitzustellen. Mit der Reifung der Technologien dürften auch Interesse und Akzeptanz steigen. Die ältere Generation befürchtet nicht, digital abgehängt zu werden.”