Die Shopping-Erlebnistage Black Friday und Cyber Monday stehen wieder vor der Tür, doch die Schnäppchenjäger werden in diesem nicht die miese Stimmung im Einzelhandel wettmachen können. Mit 5,8 Milliarden Euro Umsatz rechnet der Handelsverband Deutschland für die Aktionstage am 24. und 27. November, an denen laut der Unternehmensberatung PwC „durchschnittlich 281 Euro von den Bürgern ausgegeben werden“.
Die Sorge ist nur, dass danach kaum mehr Geld für das Weihnachts-Shopping bleibt. Der Handel steht vor einem bitteren Winter, das geht aus einer Umfrage des HDE bei 330 Unternehmen bundesweit hervor. Für viele Händler könnten die Adventstage zugleich ihr Aus bedeuten. HDE-Präsident Alexander von Preen sagte den Deutschen Wirtschaftsnachrichten wörtlich: „Bis zu 9000 Ladentüren werden sich für immer schließen im Lande.“
Insgesamt 120,8 Milliarden Euro Umsatz wird vom Handel in diesem Jahr nach Schätzung des HDE generiert – ein gedämpftes Wachstum von 1,5 Prozent. Die steile Inflation, Kostenfaktoren beim Einkauf der Waren und dramatisch gestiegene Energiekosten führten jedoch zu einem realen Minus von 5,5 Prozent für November und Dezember. Was nützt es da, dass der Einzelhandel mit 649,9 Milliarden Euro Umsatz als drittwichtigste Branche nominell um drei Prozent wächst, wenn unter dem Strich ein Minus von vier Prozent zu Buche schlägt?
Der HDE versucht den schlechten Zahlen ihrer Weihnachts-Prognose wenigstens ansatzweise Positives abzugewinnen. „Immerhin noch 55 Prozent der Kunden gibt an mehr oder wenigstens genauso viel für Geschenke auszugeben wie im Vorjahr“, heißt es im HDE-Konsumbarometer. Die Verbandsspitze ergänzt launig: „Das Weihnachtsgeschäft findet statt!“ Im Schnitt 295 Euro würden die Deutschen an Geschenken unter den Tannenbaum legen in diesem Jahr – wobei die Gewinner und Verlierer in den einzelnen Branchen höchst ungleich verteilt sein werden.
Die Corona-Sonderkonjunktur in Küchenstudios und Möbelhäusern sei endgültig vorbei, heißt es. Ganz schlecht sieht die Stimmung bei den Anbietern von Haushaltswaren, Glas und Porzellan aus. Bei Sportartikeln besteht immerhin noch die Hoffnung auf schlechtes Wetter und knackig kalte Temperaturen. Gutscheine, Spielzeug und Bücher seien das Geschenk der Zeit. Angesichts der Kriege in Gaza und der Ukraine und schlechter Stimmung im Lande sei die Kauflaune zwar weiter sinkend, obwohl die meisten Bürger die eigene wirtschaftliche Lage nicht viel schlechter einschätzen als zuvor.
Bundeskanzler Scholz auf Handelskongress in Berlin geladen
Am Mittwoch und Donnerstag sind diese Woche die Spitzen der Bundespolitik zum Handelskongress in Berlin geladen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wird sich da so einiges anhören müssen – und Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) auch. Denn der Einzelhandel scheint das nächste große Sorgenkind der deutschen Wirtschaft zu werden. Statt glänzender Geschäfte zum Jahresende in den wichtigen beiden umsatzstärksten Monaten droht obendrein noch ein veritabler Weihnachts-Streik.
Die 3,2 Millionen Beschäftigten in Deutschlands Geschäften sollen nach dem jüngsten Angebot der Arbeitgeber immerhin 10,24 Prozent mehr Lohn bekommen. Doch die Dienstleistungsgesellschaft Verdi zuckt bislang nicht einmal. HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth hofft kleinklaut auf Gesprächsbereitschaft der Verdi-Vertreter und gesamtgesellschaftliche Vernunft. Nach Mäßigung zu rufen ist vermutlich vermessen bei derzeit 120,000 Mitarbeitern, die händeringend gesucht werden. Die Branche steckt in einem Dilemma.
HDE-Präsident von Preen betonte gegenüber DWN, dass bei den Inhabern diese Weihnachten „besondere Stärke erforderlich“ ist. Ohne Personal müssen die Betreiber über Gebühr persönlichen Einsatz zeigen. Vielen fällt es indes schwer, gelassen zu bleiben und auf bessere Zeiten zu hoffen. Von Preen weiß auch, dass unzählige Unternehmer gänzlich aufgeben wollen und „Probleme haben geeignete Nachfolger zu finden oder eine ordentliche Geschäftsübergabe zu organisieren“. Vor allem die kleinen Händler geben auf.
Wobei die miese Stimmung der Einzelhändler im Kontrast steht zu den Aussichten anno 2024, glaubt Alexander von Preen, da werde es wieder besser. „Es besteht kein Grund für Pessimismus“, sagt er, wenn die Rahmenbedingungen modifiziert würden. Die Energiekosten zum Beispiel müssten runter und sollten für alle Unternehmen im Lande gleich sein, egal ob produzierendes Gewerbe oder Handel. Eine andere wichtige Stellschraube seinen die Mieten vor allem in den Prestige-trächtigen Innenstadtlagen. „Die Zeiten in denen Handelsunternehmen Höchstmieten zahlen können sind vorbei. Diese Einsicht hat sich noch immer nicht bei allen Vermietern und Gebäudeeigentümern durchgesetzt“, betont HDE-Präsident von Preen, der selbst als CEO das Unternehmen Intersport leitet und im November 2022 die Leitung des Handelsverbandes übernommen hat. Er plädiert dafür, dass Geschäftsinhaber mit ihren Vermietern vermehrt umsatz- und erfolgsabhängige Mieten für die Ladengeschäfte vereinbaren. Dann würden beide Seiten gleichermaßen vom Erfolg profitieren.
Hauptgeschäftsführer Genth beschwört die Weihnachtsstimmung. Man müsse den Kunden „mehr Einkaufserlebnisse“ bescheren zum Advent. Dass ausgerechnet am Kurfürstendamm derzeit zwischen den in der so genannten AG City organsierten Geschäftsinhabern und dem Berliner Senat über die Finanzierung der feierlichen Weihnachtsbeleuchtung gestritten wird, ist da natürlich alles andere als ein düsteres Zeichen. Genth appelliert an die Kommunen Verantwortung zu übernehmen, das komme den Städten und Gemeinden insgesamt zugute. Er verweist auf die „Grünfeld-Ecke“, die einst wegen des Café Kranzlers berühmten Kreuzung am Boulevard Kurfürstendamm/Joachimsthaler Straße. Der Platz wurde vor wenigen Tagen in Angedenken an das 1938 in der Nazi-Zeit arisierte Bekleidungsunternehmen F. V. Grünfeld benannt. „Da glimmen nun immerhin schon die ersten Weihnachtsleuchten.“ Gentz hofft inständig, dass auch andernorts die Geschäfte feierlich erstrahlen werden.