Schon die Adresse offenbart die pikante Vorgeschichte des Gebäudes. Hier an der Pestalozzistraße 5-8 im beschaulichen Stadtteil Pankow, den schon Adenauer wegen Walter Ulbricht und der kommunistischen Führung der SED stets als „Herren aus Pankoff" akzentuierte, hatte DDR-Devisenbeschaffer Alexander Schalck-Golodkowski seinen Schreibtisch. Sein Block fungierte zwar nicht als Ministerium, war jedoch Zentrale eines wirtschaftlichen Imperiums und Schattenreiches. Schalcks Geheimnis umwitterte Firma Intrac hatte dort ihren Sitz. Sie verschleuderte so ziemlich alles in den Westen, was nicht niet- und nagelfest war wie Antiquitäten und private Sammlungen von DDR-Bürgern.
Schalck-Golodkowskis Bürohaus dient nun dem Startup „TheBase“
Jetzt wird hinter dem alten Dorfanger von Pankow ein neues Kapitel Wirtschaftsgeschichte aufgeschlagen. Der Gebäudekomplex heißt nun „The Base" und beherbergt ein neuartiges Wohnkonzept. Es ist ein bemerkenswertes Immobilien-Startup, das sein Gründer schon seit dem Jahr 2019 verfolgt und mit Unterstützung von Investoren aus dem Kreise der Firma Rocket Internet auf den Weg gebracht hat. Florian Färber, der als Betriebswirt und Master of Law schon zuvor in der New Economy Fuß gefasst hat mit einer innovativen App für Textilreinigung in London, Paris und Berlin, hatte schon damals erkannt, welch enorme Schwierigkeiten Young Urban Professionals aus dem Ausland bei uns auf dem Mietmarkt haben. „Das führte zu echten Problemen, überhaupt geeignete Mitarbeiter nach Berlin zu lotsen", erinnert sich Florian Färber.
Dann machte es bei ihm Klick! Wie schon die Pioniere von Rocket Internet, die Brüder Samwer, hat auch Florian Färber, der ursprünglich aus Augsburg stammt, sich an Vorbildern wie den Dome-Apartments von „The Collective" im United Kingdom orientiert. Färber sagt ,er habe dann dem britischen Vorbild „die Rocket-DNA eingeimpft", das Design modifiziert und so für den deutschen Markt umgestrickt. Ursprünglich konzentrierte sich Rocket Internet auf Neugründungen von Startups mit rein iInternetbasierten Geschäftsmodellen. Entrepreneur Färber, studierter Betriebswirt und Volljurist, auch.
„Safe spaces und der Community-Gedanke“ stehen im Vordergrund
Sein altes Bürohaus in Berlin-Pankow, von den Eigentümern saniert, umgebaut, langfristig an TheBase verpachtet und deshalb 2022 gewinnbringend an einen Catella-Publikums-Fonds verkauft, bildet nun die Blaupause für eine geplante Skalierung des neuen Unterbringungs-Konzeptes. „Zunächst einmal im deutschsprachigen Raum, dann für die westeuropäischen Hauptstädte“, so Färber. Die Betreiber von The Base haben sich dabei intensiv Gedanken gedacht, welche Ansprüche ein internationales Klientel an sein „Heim auf Zeit“ stellt. Färber betont, dass es ihm beim Co-Living „um Safe Spaces und den Community-Gedanken" geht. Dies sind die Stichworte, die nun auch für Werbezwecke und Marketing die zentrale Rolle bei der Image-Bildung der Firma spielen.
Was auf ersten Blick wie ein Studentenwohnheim klingt, spielt vom Anspruch her in einer anderen Liga - auch preislich. „Ab 949 Euro geht es los pro Monat“, so Färber. „das Durchschnittsalter liegt bei 30 Jahren.“ Er kennt natürlich die gesellschaftliche Diskussion um möblierte Apartments in den deutschen Großstädten, an denen sich linke Politiker und Mietervereine in Zeiten der Wohnungsmisere abarbeiten. Dass die Urbanisierung nicht aufzuhalten, die Mobilität und Vereinzelung der Millennials und der Generation Z nicht aufzuhalten ist, zeigen die Zahlen. 50 Prozent der jungen Leute leben in Single-Haushalten, 25 Prozent geben sogar in Befragungen an, keine Freunde zu finden in ihrem modernen Arbeits- und Lebensumfeld. „Wir verfolgen eine Open-Door-Policy“. Die kulturelle Vielfalt wird hier gelebt - Wohnen auf Zeit im International style.
Die 18 bis 25 Quadratmeter großen vollmöblierten Apartments sind zwar eher klein. Das liegt aber daran, dass Service-Funktionen im Hause ausgelagert sind. Der Fitnessraum, die Waschmaschinen, Gastronomie, Gemeinschaftsflächen für Meetings oder Yoga - sogar einen „Spät“ gibt es am Eingangsbereich. Strom, Internet, TV und Warmwasser sowie Linnen-Service, also das Bettzeug, sind inklusive. 318 Apartments gibt es in Pankow - sie sind derzeit zu 99 Prozent ausgelastet und für einen bis sechs Monate vermietet.. Zusätzlich gibt es auf dem Gelände noch 43 Hotelzimmer - für Friends and Family.
„I am going back home to the base“ lautet das englischsprachige Motto, von dem sich Färber leiten lässt. Die Micro-Apartments könnten trotzdem preislich am Wohnungsmarkt konkurrieren, wenn man all die Benefits bei der Höhe der Miete berücksichtigt. Gleichwohl wird es für die meisten Studenten womöglich etwas die Preis-Range sprengen.
Skalierung geplant - von Hamburg bis Heidelberg, eher nicht in Leipzig
Im April soll in München schon das nächste Apartmenthaus in Milbertshofen eröffnen - Schwabing-Nord, wie es Färber sagt. Er verweist darauf, dass es bei seinem Produkt keineswegs um überteuerte 1A-Lagen geht. „Wir haben nicht das Problem, mit Hotels oder Services-Apartments in der unmittelbaren Innenstadt zu konkurrieren, sondern suchen gezielt nach guten B-Lagen, die vernehmlich bestens erschlossen sind.“ Pankow ist Endstation der U-Bahn-Linie 2. Dennoch ist man in weniger als 30 Minuten überall in der Berliner Innenstadt. Hotels gibt es in der gutbürgerlichen Wohngegend allerdings bisher nur wenige. Genauso wie in Oberschöneweide, das in Berlin lange Zeit abfällig als „Ober-Schweine-Öde“ abgetan wurde. Im schnellwachsenden Berlin lockt der Stadtteil durch seine Nähe zu einem Hochschul-Campus an der südöstlichen Spree immer mehr Hipster an, die in den Trendvierteln von Friedrichshain und Kreuzberg keinen Platz mehr finden.
Funkytown nennt TheBase das dort entstehende Wohnungs-Disneyland (siehe Illustration). wegen seiner Nähe zum einstigen Kabelwerk Oberspree (KWO), das Ende des 19. Jahrhunderts von Emil Rathenau und der AEG gebaut wurde und sich später (neben der Siemensstadt im Westen) zu den Haupt-Standorten der Elektro-Technik in Deutschland entwickelte. Ein weiterer Standort in Friedrichshain soll bald folgen.
„Wir planen, vier oder fünf Häuser im Jahr auszurollen“, beziffert Färber das Ziel für seine Skalierung. 15 Städte in Deutschland hat er dabei im Visier. Schwerpunkt seien bislang Berlin und München. „Hamburg, Köln, dann Stuttgart und ausgesuchte Mittelstädte mit Potenzial sollen folgen.“ Färber verblüfft mit seiner Einschätzung, dass sich „Leipzig und Dresden eher nicht“ für sein Konzept eignen, die Standorte seien gesättigt. Und selbst Frankfurt am Main hält er „für überschätzt“. „Die glaubten ernsthaft, London ablösen zu können, aber die Stadt sei doch nur ein großes Dorf“. Hidden Champions aus seiner Sicht seien eher Heidelberg und Mannheim - da sei er bullish.
Dass er mit TheBase am Immobilienmarkt eine neue Asset-Klasse kreiert hat, zeigt sich sich daran, dass „aktuell 500 Bewerbungen von Projektentwicklern oder Bauherren auf dem Tisch“ liegen zur Prüfung. Nur zwei bis vier davon werden wir in Angriff nehmen.
Zumeist stammen die Vorschläge von Investoren, die mit ihren Projekten am Stadtrand kalt überrascht worden sind vom Immobilien-Dip und nun das rettende Ufer suchen, und ihre Gewerbe-Objekte und Bürohäuser umstricken wollen. Dabei kommt es natürlich ein Stück weit auch auf das Wohlwollen der Genehmigungsbehörden an. Im Bezirksamt Pankow von Berlin habe man die Umwandlung in gewerbliche Co-Living-Spaces schließlich akzeptiert. Neues Wohnen hat sich nun mal verändert in Deutschland. Jedem seine Altbauwohnung mitten in der Innenstadt, ist halt nicht mehr realistisch heutzutage.
Funkytown soll das neue Hipster-Viertel für Urban-Professionals in Oberschöneweide werden: TheBase will diese Blocks pachten. (Foto: TheBase)