Immobilien

Eigenbedarfskündigung abwehren - so kann es gelingen!

Wird ein Mietvertrag wegen Eigenbedarfs gekündigt, können sich Mieter üblicherweise auf die sogenannte Härtefall- oder Sozialklausel berufen. Die Kündigung so zu verhindern, gilt unter Juristen allerdings als schwierig. Bis jetzt ...
05.02.2024 17:01
Lesezeit: 2 min

Wenn der Vermieter wegen Eigenbedarf kündigt, müssen Mieter das meist akzeptieren. Ein neues Urteil stärkt allerdings die Rechte der Mieter. Eine Überraschung, das Juristen verblüfft hat. Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig und liegt auch noch nicht schriftlich vor. Es könnte aber die Diskussion um Mieterrechte in großen Städten befeuern.

Es ist völlig offen, oft es eine juristische Veränderung ankündigt, ein Umdenken der Justiz - angesichts der Misere am Wohnungsmarkt. Gut möglich auch, dass einfach den Richtern die Hutschnur gerissen ist. Auch sie sind manchmal einfach nur Betroffene am Immobilienmarkt und sehen die Dinge plötzlich anders, als in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verankert ist.

Rechtsprechung in Sachen Eigenbedarf galt als weitgehend gesichert

Und vor allem auch vom Bundesverfassungsgericht - zuletzt in einem Beschluss vom November 2022, mit dem nach einer Eigentümer-Beschwerde ein fragwürdiges Urteil aus dem Land Berlin kassiert und das Recht auf Eigenbedarf eindrucksvoll bestätigt wurde. Wobei Karlsruhe im Beschluss im Kern nur die bisherige Rechtsprechung der Zivilgerichtsbarkeit bestätigt hat - die ständige Rechtsprechung des BGH halt, wie Rechtsanwälte meinten.

Nun also wieder ein neues Urteil, das einschneidende Veränderungen am Wohnungsmarkt konstatiert und Handlungsbedarf erkennen will. Über die genauen Umstände des Falls ist noch nichts weiter bekannt gegeben worden von der Pressestelle des Berliner Landgerichts.

Pressestelle des Gerichts hat Relevanz des Urteils sofort erkannt

Die Richter dort freilich erkannten sofort die Relevanz des Urteils und verschickten Ende Januar prompt eine in Berliner Kreisen für Aufsehen sorgende Presse-Erklärung. Vor allem die Erregung bei Mitgliedern der Mietervereine ist natürlich riesig, besteht doch nun Hoffnung auf einen Dammbruch in einer bisher zementierten Rechtsprechung.

Bisher galt: Wollen Vermieter ihre Immobilie oder Wohnung selbst nutzen, können sie eine Eigenbedarfskündigung aussprechen. Ist diese stichhaltig begründet, hat der Vermieter also ein ausreichend schwerwiegendes Interesse an der Nutzung, muss der Mieter die Wohnungs-Kündigung in der Regel akzeptieren und ausziehen.

Das neue Urteil des Landgerichts II in der Hauptstadt stärkt nun allerdings unverhofft die Rechte des Mieters. Demnach darf der Vermieter zwar kündigen, ausziehen muss der Mieter aber unter Umständen trotzdem nicht. Die Härtefall-Klausel (§ 574 BGB) kann Mieter unter Umständen vor dem Rauswurf aus der angestammten Wohnung beschützen.

Welche Umstände Richter akzeptieren - und wann Mieter bleiben dürfen

Sie besagt, dass Mieter nicht sofort ausziehen müssen, wenn etwa das Alter des Mieters oder dessen lange Mietdauer, die schwere Krankheit oder Behinderung des Mieters, eine Schwangerschaft der Mieterin, eine tiefe langjährige Verwurzelung eines älteren Mieters oder bei Studenten eine bevorstehende wichtige Prüfung dem Anliegen des Eigentümers entgegenstehen.

Laut Urteil des Landgerichts vom 29. Januar 2024 (Az.: 117 C 257/21) zählt jetzt ein weiterer Punkt dazu: Wird keine angemessene Ersatzwohnung zu zumutbaren Bedingungen gefunden, muss der Vermieter seinen Mieter vorerst in der Wohnung dulden. Zumindest für einen gewissen Zeitraum.

Im vorliegenden Fall, in dem ein Mieter sich gegen die Kündigung seines Vermieters gewehrt hat, immerhin zwei Jahre. Der Zeitraum ist jedoch individuell und kann daher bei anderen Gerichten länger oder auch kürzer ausfallen.

Die Fortsetzung des Mietverhältnisses für die Dauer von zwei Jahren soll dem Mieter ermöglichen, eine geeignete Wohnung zu finden. Ist die Frist abgelaufen, muss er ausziehen. Auch wenn er keinen adäquaten Ersatz findet.

Lage am Wohnungsmarkt in Berlin mau, Mieter waren chancenlos

Die Richter haben dabei berücksichtigt, dass das gesamte Stadtgebiet Berlins als angespannter Wohnungsmarkt ausgewiesen ist. Die Mieter konnten nachweisen, dass sie sich zwei Jahre lang ohne Erfolg auf zahlreiche Wohnungen beworben haben und es trotzdem nicht möglich war, sich angemessenen und zumutbaren Ersatzwohnraum zu beschaffen. Zudem floss in die Entscheidung auch der Umstand ein, dass die Vermieterin keine besonders dringlichen Gründe für den Eigenbedarf angeben konnte.


Das Landgericht Berlin hat daraufhin die bisherigen Bedingungen des Mietvertrags von Amts wegen geändert. Es wurde eine befristete Fortsetzung des Mietverhältnisses von zwei Jahren angeordnet.

Gleichzeitig hat das Gericht sogar die Nettokaltmiete der Wohnung auf ein marktübliches Niveau angehoben, um einen finanziellen Nachteil der Vermieterin abzuwenden.

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Peter Schubert

                                                                            ***

Peter Schubert ist stellv. Chefredakteur und schreibt seit November 2023 bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Immobilienthemen. Er hat in Berlin Publizistik, Amerikanistik und Rechtswissenschaften an der Freien Universität studiert, war lange Jahre im Axel-Springer-Verlag bei „Berliner Morgenpost“, „Die Welt“, „Welt am Sonntag“ sowie „Welt Kompakt“ tätig. 

Als Autor mit dem Konrad-Adenauer-Journalistenpreis ausgezeichnet und von der Bundes-Architektenkammer für seine Berichterstattung über den Hauptstadtbau prämiert, ist er als Mitbegründer des Netzwerks Recherche und der Gesellschaft Hackesche Höfe (und Herausgeber von Architekturbüchern) hervorgetreten. In den zurückliegenden Jahren berichtete er als USA-Korrespondent aus Los Angeles in Kalifornien und war in der Schweiz als Projektentwickler tätig.

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