Politik

Bundeswehr und Veteranentag: Unwürdiger Streit muss ein Ende finden

Ursula von der Leyen (CDU) hat es sicher nur gut gemeint anno 2018, als sie sich als Ministerin für die Belange der Veteranen stark gemacht hat. Unseren Bürgern in Uniform sollen Respekt und Anerkennung zuteil werden, aber auch soziale und wirtschaftliche Vorteile. Doch wer wird davon profitieren? Sind denn alle Soldaten im Land zugleich Veteranen?
08.02.2024 07:45
Lesezeit: 4 min
Bundeswehr und Veteranentag: Unwürdiger Streit muss ein Ende finden
Vorbild USA: Achtjähriges Mädchen salutiert am Veterans Day vor der Memorial wall für US-Veteranen des Vietnamkrieges in Washington. (Foto. dpa) Foto: Tim Shortt

Berlin-Kreuzberg anno 1990 - im Jahr der Deutschen Einheit. Der Kalte Krieg quasi vorüber. Die tägliche Nachrichtenkonferenz in einer Lokalredaktion beginnt wie die Jahre zuvor immer noch mit militärischem Appell und zackigem Gruß, der rechte Arm an die Schläfe, die Augen geradeaus auf den Ranghöheren gerichtet. Bergmann, der alte Haudegen und ehemalige Flakhelfer, salutiert mit den Hacken aneinander gepresst. Scholz, Reserve-Offizier der Bundeswehr und Vertreter der Chefredaktion, lässt antreten.

Es versammelt sich der bunte Trupp aus freien Reportern und Volontären, schmunzelnd, in der Mehrzahl sind es West-Berliner natürlich, nicht gedient. Aber auch Wehrdienst-Verweigerer oder gar „Drückeberger" aus dem Bundesgebiet sind anwesend, die sich im West-Teil Berlins gemeldet haben, um der Post ihres heimischen Kreiswehr-Ersatzamtes zu entgehen. Und Ex-Soldaten der Volksarmee wie Naumann, der rüber gemacht hat, oder - ganz neu - frühere NVA-Rekruten, die Teil der Mannschaft werden wollen. Geführt wird die Redaktion von einem Kampfschwimmer der Bundeswehr, zusammen mit einem als wehruntauglich Ausgemusterten. Der Rest sind Frauen, die bestenfalls als Krankenschwester in Kontakt mit der Armee gekommen sind.

Wer ist Veteran? Auf den Einsatz-Befehl sollte es ankommen

Stellt sich die Frage, wer von den damaligen Damen und Herren aus heutiger Sicht eigentlich als deutscher Veteran anzusehen wäre. Die kurze Antwort: kein einziger! Wenn man die Sache bei Lichte betrachtet, und ein wenig Rücksicht auf unsere schwierige deutsche Geschichte nimmt. Angehörige der Wehrmacht gehören nicht dazu, auch die NVA-Mitglieder nicht. Und auch der Wehrdienst ist kein Kriterium.

In der Bundeswehr von heute ist dies sehr wahrscheinlich sogar die herrschende Meinung, wenn man die Soldaten und Offiziere befragen würde. Es geht generell um die Frage, ob hunderttausende Deutsche automatisch Veteranen sind oder nur die wenigen Tausenden, die mit Votum und im Auftrag des Deutschen Bundestags, in Auslandseinsätze oder Manöver entsandt wurden. Verkleistert wird die Frage derzeit mit einer Pseudo-Diskussion um einen Veteranentag im Kalender - nach Vorbild des US Veteran Day.

Streit um den Veteranentag verkleistert eigentliche Debatte

Warum dauert die Entscheidung so lange? Haben wir Angst vor Paraden oder Feierlichkeiten wie in den USA, Frankreich oder Großbritannien? Die Positionen zum Termin sind divers. Der 12. November als Gründungstag der Bundeswehr 1955 ist im Gespräch. Und auch der 11. November, Tag des Waffenstillstands nach dem Ersten Weltkrieg. Die „Einsatz-Veteranen“ haben den 10. April in den Fokus genommen, weil da anno 2010 drei Soldaten im sogenannten Karfreitagsgefecht im Afghanistan-Einsatz getötet worden sind. Hinter der Uneinigkeit um das Datum steckt in Wirklichkeit aber auch ein gehöriges Maß an Verärgerung.

Um die „Einsatz-Veteranen“ sollte es gehen. Den Unterschied zwischen gut 400.000 Bürgern, die tatsächlich in einem Einsatz waren - und den Millionen andere, die lediglich ihren Wehrdienst absolviert haben. Die Festlegung aus der Amtszeit von der Leyens ist weiter gefasst. Was für Frust und Unverständnis sorgt.

Während die längst überfällige Debatte über die Bundeswehr der Zukunft nicht stattfindet und vermisst wird, geht es in den Zeitungen - geradezu euphemistisch - allein um die Einführung eines Veteranentag und das Ringen darum im Parlament.

Umdenken seit zu Guttenbergs Aussetzen der Wehrpflicht 2011

Im Kern geht es freilich um mehr: den in weiten Kreisen der Gesellschaft abhanden gekommenen Respekt für Soldaten, vor allem aber um die Frage, wie wir Staatsbürger für den (seit Karl-Theodor zu Guttenbergs Absetzung der Wehrpflicht im März 2011) freiwilligen Dienst bei der Bundeswehr gewinnen können.

Zurück zu Ministerin von der Leyen. Sehr durchdacht, so hört man in Reihen der Bundeswehr, scheint die einstige Ministerin das mit dem Veteranen-Status gar nicht zu haben. „Veteranin oder Veteran der Bundeswehr ist, wer als Soldatin oder Soldat der Bundeswehr im aktiven Dienst steht oder aus diesem Dienstverhältnis ehrenhaft ausgeschieden ist, also den Dienstgrad nicht verloren hat“, lautete ihr Erlass für die Truppe. Damit wurde de facto angeordnet, dass alle Soldaten der Bundeswehr als Veteranen gelten - weit mehr als zehn Millionen Bürger.

In der Hauptstadt gibt es seit Januar ein Veteranen-Büro

Und so ist es jetzt auch praktisch. Was dies an Problemen verursachen wird, kann man in Berlin in den Büroräumen von Oberstleutnant Michael Krause studieren - dem neuen Veteranenbüro Deutschlands. Ein Service-Büro am Hauptbahnhof in der Mitte der Hauptstadt, gar nicht weit weg vom Bundeswehrkrankenhaus und dem historischen Invalidenfriedhof, ist es mit insgesamt acht hauptamtlichen Mitarbeitern besetzt.

Erst Mitte Januar ist die neue Anlaufstelle eröffnet worden. Dort sollen Fragen beantwortet werden, das Team Kontakte herstellen, Auskünfte über Sozialleistungen und psychologische Betreuung geben. Die Bundeswehr will Hilfe vermitteln und sich überhaupt mit Rat und Tat für ihre Veteranen einsetzen. Ziel sei, das Anliegen der Veteranen „mehr Aufmerksamkeit“ einzuräumen, erklärte der allseits beliebte Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius von der SPD anlässlich der Eröffnung.

Insgeheim dürfte, der Minister aber hoffen, dass endlich mit einer nachträglichen Debatte von der Leyens völlig unrealistische Einschätzungen von den Parteien im Deutschen Bundestag eingefangen und auf ein vernünftiges Maß zurückgeführt werden.

FDP fordert Respekt, Anreize, freiwillige Vergünstigungen

Um die Frage, wer als Veteran der Bundeswehr gelten soll, hatte es schon in früheren Jahren hinter den Kulissen Debatten gegeben. Damals noch ohne größeres Interesse in der Öffentlichkeit. Seit Putins Angriff auf die Ukraine ist die Lage eine ganz andere.

Der FDP ist das Datum des Veteranentags im Prinzip egal. Der Vereinigung liberaler Soldaten und Veteranen schlägt vor, „jenen aktiven und ehemaligen Soldaten und Soldatinnen der Bundeswehr, die einer vom Bundestag maidatierten Operation eingesetzt waren, unabhängig von ihrer Funktion anerkennend den Status eines Veteranen zu verleihen“, heißt es in ihrem Antragspapier.

Sie sollen einen Veteranenausweis erhalten, und der sollte auch mit Vorteilen und Begünstigungen verbunden sein. Ermäßigungen bei Kulturveranstaltungen oder im Handel - auf freiwilliger Basis der Firmen und Institutionen. In den USA, aber auch Frankreich und anderen Ländern eine Selbstverständlichkeit. Von einem Ehrentag im Jahr, der nicht einmal Feiertag sein wird, kann sich schließlich keiner was kaufen, ganz lapidar gesagt.

Parlamentspräsidentin lädt ein zum Veteranen-Kongress

In der SPD heißt es abwiegelnd: „Deutschland bekommt einen Veteranentag“, so der ehemalige Bundeswehr-Soldat und Parlamentarier Johannes Arlt. Es ist noch nicht lange her, als die SPD einen Vorstoß von CDU-Verteidigungsminister Thomas de Maizière für einen Ehrentag mit den Worten „alles nur künstlich aufgesetzt“ abgeblockt hat. „Es gebe weder in der Gesellschaft noch der Bundeswehr ein Bedürfnis“, meinte seinerzeit noch der frühere verteidigungspolitische Sprecher der SPD, Rainer Arnold.

Das hat sich immerhin verändert. Die Ampel sei sich „im Prinzip einig", müsse jetzt noch einige „letzte Details klären“ - vor allem mit der Union. Am 20. Februar lädt Bärbel Bas, die Bundestags-Präsidentin aus Reihen der Kanzlerpartei, als Schirmherrin zum ersten Veteranen-Kongress in die Hauptstadt ein. Ein Signal!

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Peter Schubert

Peter Schubert ist stellv. Chefredakteur und schreibt seit November 2023 bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Immobilienthemen. Er hat in Berlin Publizistik, Amerikanistik und Rechtswissenschaften an der Freien Universität studiert, war lange Jahre im Axel-Springer-Verlag bei „Berliner Morgenpost“, „Die Welt“, „Welt am Sonntag“ sowie „Welt Kompakt“ tätig. 

Als Autor mit dem Konrad-Adenauer-Journalistenpreis ausgezeichnet und von der Bundes-Architektenkammer für seine Berichterstattung über den Hauptstadtbau prämiert, ist er als Mitbegründer des Netzwerks Recherche und der Gesellschaft Hackesche Höfe (und Herausgeber von Architekturbüchern) hervorgetreten. In den zurückliegenden Jahren berichtete er als USA-Korrespondent aus Los Angeles in Kalifornien und war in der Schweiz als Projektentwickler tätig.

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